Das angedachte Sozialhilfegesetz als Teil patriarchaler Herrschaft im neoliberal-autoritären Albtraum

veröffentlicht am 11. Februar 2025

Die derzeitig kursierenden Ideen der vielleicht zukünftigen Blau-Schwarzen Regierung bzgl. einer Änderung des Sozialhilfegesetzes lesen sich wie eine offene Kampfansage an Frauen, insbesondere Migrant*innen. Sollten die Maßnahmen umgesetzt werden, hätte dies in spezifischen Fällen eine massive Zunahme an männlicher Kontrolle über Frauen, Verarmung bis hin zur Obdachlosigkeit von Frauen und Verschärfung von strukturellen Ausschluss und Prekarisierung von Rassismus betroffenen Frauen und/oder Migrant*innen zu Folge. Das soll hier kurz ausgeführt werden:

Die eventuelle Blau-Schwarze Regierung hat sich scheinbar auf eine Sperrfirst für den Sozialhilfebezug geeinigt: Das bedeutet, das Sozialhilfe/Mindestsicherung nur nach einer 3 jährigen „vollversicherter Tätigkeit“ beantragt werden kann. Als Vergleich: Das Arbeitslosengeld hat je nach Alter der*des Antragsteller*in ein halbes oder ganzes Jahr voll-versicherte Tätigkeit als Voraussetzung. Innerhalb der Sperrfrist sollen nur die Hälfte der regulären Beiträge ausbezahlt werden. Das könnte insbesondere viele junge Menschen, und migrierte Personen treffen, die noch nicht in der Lage waren, drei Jahre regulär berufstätig zu sein bevor sie in eine finanziell prekäre Situation geraten, aber auch all jene gesellschaftliche Gruppen, die strukturell am (regulären) Arbeitsmarkt benachteiligt sind, wie etwa Queers, Menschen mit psychischen und physischen Erkrankungen, von Rassismus betroffene Personen sowie von Armut betroffenen Menschen. Der Zugang über reguläre, also sozialversciherte, dokumentierte Lohnarbeit schließt dabei explizit Frauen strukturell aus: Nachwievor sind produktive und reproduktive Arbeit patriarchal organisiert, Frauen werden in die private Sphäre des Haushaltes, der Elternschaft und Altenpflege gedrängt (führt oft, nicht immer, zu einer Mitversicherung – etwa über einen berufstätigen Ehemann- , selten aber zu einer Versicherung aufgrund eigener Berufstätigkeit) während Männer lohnförmige Arbeit verrichten (die nicht immer, aber in vielen Fällen zu einer Sozialversicherung führt) und sich am öffentlichen Leben beteiligen. Queers, die sich nicht in dieser Binarität wiederfinden lassen, werden aus beiden Sphären exkludiert und abgewertet, müssen strukturell prekäre und informellere Arbeitsverhältnisse annehmen die auch hier strukturell den Zugang über die Hürde 3 Jahre Vollversicherung erschweren.

Noch eklatanter wird diese patriarchale Sphären und Arbeitstrennung in Gewaltbeziehungen, die oft von Kontrolle, Ausbeutung, Isolation und Einschränkungen geprägt sind. Gewalt ist in allen gesellschaftlichen Positionen ein Risiko. In migrantischen Konstellationen ist die Verletzungsoffenheit um einen Aspekt erweitert, nämlich die eingeschränkte Handlungsfähigkeit von Frauen durch eine strukturell rassistische Gesellschaft, Beratungsangeboten und Arbeitswelt. Diese Verletzungsoffenheit kann von Tätern genutzt werden, beispielsweise durch die bewusste Hinderung von Frauen am Spracherwerb und in der Folge die Verhinderung der Erwerbstätigkeit von Frauen, die es ermöglichen würde sich teilweise oder ganz (finanzieller, sozialer..) Kontrolle und Gewalt zu entziehen.
Gewalt und (materielle) Abhängigkeit korrelieren miteinander. Gewalt kann jeden treffen. Sich aus der Gewaltbeziehungen zu lösen hängt aber eng mit den verfügbaren Ressourcen und der Perspektive auf (materielle) Unabhängigkeit zusammen. Ein Sozialhilfegesetz, dass den Vollbezug erst nach 3 Jahren ermöglicht (angesichts der derzeitigen Situation am Wohnungsmarkt, lässt sich mit der Hälfte des Richtsatzes keine Miete bewältigen) verhindert strukturell, dass gewaltbetroffenen Frauen, aber auch erwachsenen Kinder oder Queers sich aus Gewaltdynamiken und männlicher Kontrolle lösen können. Bisher war die Möglichkeit des Splittens des zuvor gemeinsamen Mindestsicherungsbezugs für viele Frauen die Möglichkeit mit dem Aufbau einer eigenen Existenzgrundlage zu beginnen. Nun könnte dies für viele nicht mehr möglich sein. Die männliche Kontrolle, das männliche Machtmonopol innerhalb der Familie wird erneut staatlich verfestigt und abgesichert.

Erschwerend kommt hinzu, dass durch die Anrechenbarkeit der Familienbeihilfe bei gleichzeitig sinkenden Kindersätzen, es bei Personen die die Hauptverantwortung für Kinder tragen (vorwiegend sind das Frauen) zu massiven Einkommensverlusten kommen wird. Leidtragende werden allen voran die Kinder sein.

In Kombination mit weiteren Einsparungen, Kürzungen von frauen-, migrantinnen-, queer- spezifischen Beratungsangeboten sowie die steigenden Lebenserhaltungskosten ist diese Gesetz ein Angriff auf das Leben an sich, welches es zu verteidigen gilt. Die Sozialhilfe ist ein perfides Instrument zu Regulierung billiger Arbeitskräfte und der Verwaltung und Kontrolle von Armutsbetroffenen. Es ist aber auch die Grundlage für Handlungsspielräume und Erhalt von grundlegenden Bedingungen für ein Lebens abseits blosem Überlebens für viele - in machen Fällen wie in denen von Gewaltbeziehungen kann sie die Bedingung für das Überleben überhaupt sein.

Als progressive Linke müssen wir diese antifeministischen, rassistischen und queerfeindlichen Kampfansagen ernst nehmen. Es wird nicht einfach alles irgendwie schlechter. Es wird ganz gezielt an der Wiederherstellung der männlichen Macht über die Körper und Arbeitskraft von Frauen gearbeitet, die neoliberal-autoritäre Formierung läuft wesentlich über das Geschlechterverhältnis und somit über das Reproduktionsverhältnis.

Für einen feministischen Antifaschismus! Für einen antifaschistischen Feminismus!

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