Die Dialektik des Anarchismus

veröffentlicht am 24. März 2023

Theodor W. Adorno und Max Horkheimer sind zwar beide keine Anarchist*innen, allerdings ist ihr Hauptwerk „Dialektik der Aufklärung“ eines der bedeutendsten Bücher einer antikapitalistischen und antifaschistischen Philosophie und Soziologie des 20. Jahrhunderts. Die Methode der Dialektik ist bereits bei Marx und Hegel zu finden und soll im folgenden Artikel auf den Anarchismus angewendet werden.

So stellt sich als erstes die Frage, was denn überhaupt „Dialektik“ sei. Hegel beschriebt die Dialektik als Negation der Negation. Oder einfacher ausgedrückt: Dialektik bezeichnet widersprüchliches Denken, dass im Weiteren versucht besagte Widersprüche aufzulösen. Um dies zu verdeutlichen widmen wir uns dem bereits angesprochen Hauptwerk von Adorno und Horkheimer.
Im Widerspruch zur Aufklärung formulieren die beiden Autoren den Begriff des Mythos. Begründet wird dies darin, dass Aufklärung auf Wissen beruht, während der Mythos durch Nicht-wissen beziehungsweise Glaube determiniert ist. Diese Widersprüche werden darin aufgelöst, dass zu nächst festgehalten wird, dass Aufklärung, also Wissensgenerierung, immer an sozio- politsiche Kontexte geknüpft ist. Also im Allgemeinen an die kapitalistischen Verhältnisse. Logik bekäme zur instrumentalisierten Logik, da diese nur noch nach Effizienz nach kapitalistischen Vorbilde strebe und nicht versuche aus dieser Ordnung auszubrechen. Die darauf aufbauende Kritik beschreibt also nichts anderes als das Nicht-anzweifeln dieser Ordnung. Wenn keine Kritik geübt wird, bedeutet dies eine Hinnahme der Verhältnisse und eine Mystifikation mit den Worten; Ja das ist halt so!
Kurz gesagt ist gemeint, dass Aufklärung Wissen generiert. Eine Annahme wird geprüft und zum Fakt gemacht. Dieser Fakt ist abhängig vom sozio- politsichem System. Wenn dieses Wissen nicht mehr hinterfragt, sondern unhinterfragt daran geglaubt wird, dann wird der aufklärerische Gedanke von Wissen zum Mythos, wenn nicht sogar zur Religion. Der historische Nationalsozialismus wird von Adorno und Horkheimer als Beispiel dafür herangetragen. Rassistische Annahmen werden mit pseudo- wissenschaftlichen Methoden zu Fakten, worin sich die faschistische Ideologie stützt. Diese wird nicht hinterfragt und als unantastbare absolute „Wahrheit“ verkauft. Sobald diese Unantastbarkeit eines „Wissens“ formuliert wird, wird dieses selbst zum Mythos und somit zum Gegensatz des Wissens.
Nochmal grob zusammengefasst: Dialektik beschreibt ein widersprüchliches Denken, dass versucht Gegensätze aufzulösen, indem sie diese miteinander verbindet. So wird Aufklärung zum Mythos, sobald diese nicht mehr kritisch hinterfragt wird, sondern unhinterfragt angenommen wird. Wissen verlangt also eine dauerhafte und immer anhaltende Prüfung, um sicherzustellen, ob besagtes Wissen noch zutrifft.

Aber wie kann das jetzt auf den Anarchismus angewandt werden? Der Anarchismus positioniert sich gerade in europäischen und weißen Kreisen oft als anti-national und atheistisch. Natürlich stimmt diese Aussage nicht immer und der Anarchismus kann noch durch viele weitere Eigenschaften erweitert werden, gerade wenn wir auch von Anarchismen sprechen. Allerdings soll für diese Analyse mit diesen beiden Begriffen gearbeitet werden, um den Denkprozess zu veranschaulichen. Sie sollen als Anstoß dienen sich selbst mit dieser Materie auseinanderzusetzen!
Der Anspruch atheistisch zu sein, um Anarchist*in zu sein wirft die Frage auf, inwiefern die Ablehnung eines Glaubens selbst ein Glaube ist und darüber hinaus sogar eine Direktive sein kann, die einen autoritären Anstrich in sich verbirgt. Um diese Widersprüche aufzulösen, müssen wir uns vielleicht die Frage stellen, zu welchen Bedingungen beispielsweise christliche und muslimische Praktiken innerhalb einer anarchistischen Gesellschaft funktionieren können. Religion wird aus guten Gründen von Anarchist*innen abgelehnt! Die Generalisierung dahinter verursacht jedoch eine Ausgrenzung von bereits marginalisierten Gruppen wie beispielsweise queeren Muslim*innen. Es geht hier also um eine Möglichkeit bereits verankerte Glaubenswerte neu zu denken. Eigene Gedanken dürfen natürlich dazu gemacht werden!
Ähnlich gestaltet sich dies bei nationalen Bestrebungen. Diese werden wie bereits erwähnt oft von weißen Anarchist*innen abgelehnt. Nationalismus ist jedoch nicht gleich Nationalismus. Unabhängigkeitskämpfe gerade im Globalen Süden hatten nahezu immer einen nationalen Charakter. Die Kikuyu in Kenia, die im Mau Mau Aufstand gegen das British Empire kämpften, die Zulu in Südafrika, die für ihr eigens Land in den Krieg gezogen sind oder die Unabhängigkeitsbestrebungen in Belutschistan. Darüber hinaus sprechen Anarchist*innen wie Ashanti Alston sich für diese nicht weißen Nationalismen aus. Auch im Globalen Norden sind diese Ideen zu finden. Malcom X träumte damals offen von einem schwarzen Staat unabhängig von den USA oder auch die Black Panther Partei, die ein ähnliches Ziel verfolgte. Natürlich sollen und dürfen diese Kämpfe kritisiert werden! Zu verstehen ist aber, dass solche Kämpfe prägend für nicht weiße Identitäten sind. Die Frage, die hieraus formuliert werden kann ist, inwiefern es denn möglich wäre eine Art des Anarchismus zu leben, der gleichzeitig ein nationales Bestreben legitimiert? Auch hier dürfen die Leser*innen gerne ihre eigenen Gedanken bilden!

Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, diesen Text zu lesen!

Weiterlesen

zum Thema Anarchismus: