Es gibt kein ruhiges Unterland!

veröffentlicht am 18. Juli 2021

In einer Nacht im Mai war’s passiert.
An einem Ort in Innsbruck,nahe dem Fussballstadion "Tivoli". Ein Wandbild der Ultra-Gruppe "Unterland 1913" (auch UL bzw UL1913 in Kurzform) wurde angepatzt.
UL1913 ist eine Gruppe aus Fussballfans die vor allem das Männerfussballteam des Vereins Wacker Innsbruck supporten. Zumindest ist uns nicht bekannt,dass sie auch bei Spielen des Frauenteams anwesend sind oder waren.
Was ist aber nun konkret in einer Nacht im Mai geschehen?

Über einen Teil des Bildes der Gruppe UL1913 wurde ein neues gemalt. Auf diesem war "Burn The Toxic Patriarchy" und "Life is queer" zu lesen.
Am übrigen UL-Bild wurden Symboliken aus Anarchistischen und queer-feministischen Kontexten, sowie die
Sprüche "Macker Jagen" und "Love Wacker Hate Macker" verteilt.
Diese Statements und das Bild wurden von der Gruppe UL1913 sofort am nächsten Tag wieder übermalt und ihr Bild somit in seinen ursprünglichen Zustand gebracht.
Doch was liegt dieser Aktion Zugrunde?
Purer Männer-Hass? Hass auf die Gruppe oder Männerfussball allgemein?
Vielleicht zum Teil...ist aber zu einfach-denn was untergeht, wenn du es dabei belässt und ausschließlich so betrachtest ist die Tatsache, dass für das Bild der Gruppe Unterland 1913 mal wieder ein Bild mit feministischem Inhalt Platz machen musste. Es sich also auch nicht um eine Aktion,sondern eine Reaktion handelt.
Denn an jener Stelle,wo sich jetzt das Unterland-Bild befindet, war seit dem 8.März ein kämpferisch-feministisches Bild zu sehen.
Und vorweg: ja, uns ist klar dass es an dem Ort rechtlich erlaubt ist zu malen und es deshalb prinzipiell um die Lebensdauer von Bildern schlecht bestellt ist. Auch ist uns klar, dass für das Bild der Gruppe noch mehr übermalt wurde als eines mit feministischem Inhalt.
Allerdings ist es auch so, dass an jenem Ort durchaus mehr Platz ist und die Gruppe auch andere Bilder übermalen hätte können, was sie nicht getan hat.
Was das ganze zur Spitze treibt ist, dass der Schriftzug der Gruppe mit den vier "Droogies" aus dem verfilmten Roman Clockwork-Orange "verziert" ist.
Und hierbei geht es uns nicht um die Story an und für sich, die im weitesten Sinne eine-durchaus berechtigte- Kritik am etablierten "Knast+Verwahrung=Resozialisierung"-Prinzips ist. Aber auch wieder eine Geschichte, die von einem Mann geschrieben ist, in der Männer Hauptakteure sind und Frauen sexualisierte Gewalt erfahren müssen.
Es geht hier vor allem um zwei Punkte...
Punkt eins:
Jene von uns die, die Ultrakultur in Stadien schätzen und deshalb aktive Fangruppen im deutschsprachigen Raum beobachten, kennen eine Verehrung dieser fiktiven Gruppe junger männlicher "Randalemacher" - die wenig bis nichts mit der Geschichte des Romans/Films zu tun hat, sondern fast ausschließlich mit dem Auftreten der Droogies. Vor allem beobachten wir diese Verehrung in Ultra- und Hooligan-Gruppen die sich von rechtem Gedankengut entweder nicht abgrenzen (wollen) oder offen rechts sind. Meist geht dies damit einher, dass diese Gruppen die Aufnahme von Frauen und Personen die dem "traditionellen männlichen Rollenbild" nicht entsprechen-stark, Beschützer, heterosexuell- sehr kritisch betrachten oder komplett ablehnen. Sie also männerbündisch organisiert sind.
Punkt zwei:
Was ist an einer uneingeschränkten Verehrung der "Droogies" problematisch?
Es handelt sich um eine Gruppe von jungen Männern deren Flucht aus der Langeweile darin besteht sich an einer so genannten "Ultraviolence" zu berauschen. Räusche die unter anderem dazu führen, dass sie wohnungslose Menschen zu tode prügeln und Frauen vergewaltigen.
Eine Verehrung der "Droogies"(teils auch "Droogs" oder "Droogieboys" genannt), herausgerissen aus dem Konstrukt des Romans, ohne die Taten der Droogs infrage zu stellen gleicht somit einem symbolischen Angriff auf solidarische, sowie emanzipatorisch-feministische Ideen und Strukturen.
Und in Innsbruck befindet sich ein Abbild dieser sexistischen, gewaltvollen Männer-Bande genau über einem Bild mit feministischem Inhalt.
Mit diesen Punkten im Hinterkopf ist es für uns ein Ding der Unmöglichkeit, das Bild der Gruppe UL1913 an seinem aktuellen Ort als Zufall zu begreifen. Wo der Ort doch zusätzlich auch die Möglichkeit bietet sich in Ruhe genau zu überlegen wo ich welches Bild male.
Wir können es nur als Akt der Provokation verstehen. Als Aktion die die Meinung der Gruppe Unterland 1913 zu emanzipatorisch-feministischen Inhalten und Entwicklungen offenbart.

Hinzu kommt die Tatsache, dass in Innsbruck -wie auch andernorts ,unter anderen,in Österreich- generell Bilder, Tags(Symbole und ähnliche Kurzzeichen) oder auch Sticker mit feministischem Inhalt eine sehr viel kürzere Lebensdauer im öffentlichen Raum haben als jene mit anderen Inhalten.
Das wollen einzelne Menschen nicht länger hinnehmen und haben beschlossen ihrem Ärger Raum zu geben.

Nicht zuletzt ist es uns wichtig, die Reaktion nicht als Angriff auf die gesamte Wacker-Fanszene zu missverstehen. Eine Szene, die in den vergangenen Jahrzehnten österreichweit dafür bekannt war, offen stabile linke Politik in der Kurve zu betreiben - zeitweise als einzige aktive Fanszene im österreichischen Profifussball der Männer.

/Anmerkung/ Sticker wie Fussball, Ficken, Feminismus finden wir toll.
Links positionierte Wacker Fankultur auch.

Somit bleibt die Nacht im Mai eine spezifische Reaktion auf eine Aktion der Gruppe Unterland 1913. Eine Aktion die viel über diese Gruppe aussagt. Eine Gruppe die zudem auch schon in dubiosen, rechten, verschwörungsideologischen Kreisen gesichtet wurde.

Schließen wollen wir mit einer Message an unsere cis-männlichen¹ Gefährten/Genossen.
Unsere Reaktion wurde unabgesprochener Weise von einem cis-Mann gestartet und fuehrte zu Verwirrungen der Reaktion.
Und so wurde ihr Beginn vereinnahmt, deshalb sei erwähnt:
Lasst uns unsere (Rache-)Aktionen!Vereinnahmt sie nicht!
Ihr habt schon so viel Platz!Ist es wirklich nötig uns auch hier die erste Reihe zu nehmen?!
Ja,es ist toll wenn ihr euch mit uns solidarisieren und kämpfen wollt. Wenn ihr aber die verschiedenen Kämpfe gegen Unterdrückung und Ausbeutung verknüpfen, oder euch mit ihnen solidarisieren wollt, bedeutet das nicht automatisch dass ihr all diese Kämpfe in der ersten Reihe führt! Es bedeutet, euren Platz in den verschiedenen Kämpfen zu finden und die direkt Betroffenen in diesem Fall uns FLINTA*s-voran gehen zu lassen.

Wir wollen auch andere Gruppen, ermutigen mit feministischen Grafitti weiter zu machen, wir wissen aber auch aus vielen Staedten, dass es nicht einfach ist, diese zu erhalten.

Feminismus geht nicht ohne Antirassismus und Antifaschismus.
Antifaschismus und Antirassismus gehen nicht ohne Feminismus.

¹Als cis-männlich bzw. cis-weiblich bezeichnen sich Menschen die sich mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren können.

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