Fake-Flyer in Reinickendorf: Auch das Bürgermeister-Dementi ist gefälscht

veröffentlicht am 8. Mai 2020

Reinickendorfs Bezirksbürgermeister Frank Balzer (CDU) muss sich gerade mit gefälschten Schreiben einer Kommunikationsguerilla rumärgern. Diese verkünden in seinem Namen, dass Frank sich angesichts der tödlichen Auswirkungen Corona-Krise zum Menschenfreund entwickelt habe. Angeblich erteilt er neoliberaler Gesundheitspolitik und Kooperationen mit der Bundeswehr eine Absage. Obwohl laut Social Media der Kurswechsel durchaus gut ankam, dementierte das Bezirksamt Reinickendorf umgehend und erstattete Anzeige. Bloß: Das heute Nacht als Postwurfsendung verteilte Dementi ist auch gefälscht.

Die Stimme der Bürgermeister*in ausgeliehen
In den letzten Tagen hat das „Kommunikationsguerilla-Subversions-Kommando West-Berlin (KSK West-Berlin)“ zweimal in Alt-Tegel Flugblätter verteilt, die auf den ersten Blick den Eindruck erwecken, von Bezirksbürgermeister Frank Balzer zu stammen. „Damit die Leute uns auch zuhören, haben wir uns kurz mal den Namen der Bürgermeister*in ausgeliehen“ sagt Franka-Andrea Balz-Henne, selbsternannte Vierzig-Sterne-Generälin und gewählte Oberkommandierende des KSK-West-Berlin.

Sagt der Bürgermeister den Tag der Bundeswehr ab?
Im ersten in der Nacht vom 23.4. auf den 24.4. verteilten Schreiben erweckt die Kommunikationsguerilla-Truppe den Eindruck, Frank „The TanK“ Balzer würde sich zur Corona-bedingten Absage der von ihm mit veranstalteten „Tag der Bundeswehr 2020“ und des zeitgleichen „Tag des Ehrenamtes“ äußern. Dabei legt das KSK West-Berlin Frank in den Mund, das er nachgedacht hätte („wie absurd, spätestens hier hätte die Fälschung auffallen müssen“ kichert Franka-Andrea). Er sei zu dem Schluss gekommen, dass die Verbindung von ehrenamtlichen Tätigkeiten, die Menschen helfen, mit einem Militär, dass dafür ausgebildet und bezahlt wird, um Menschen zu töten, und ständig mit sexistischer Gewalt und Nazi-Skandalen auffällt, die echten Ehrenamtlichen herabwürdigt.

Sachen kaufen, die Menschen helfen, statt töten?
Deshalb wolle er keinen weiteren Tag der Bundeswehr veranstalten und sich stattdessen dafür einsetzen, dass mit den Milliarden aus dem Wehretat „Sachen gekauft werden, die Menschen helfen, statt sie zu töten“. Deshalb fordert Frank „The TanK“ den Ausbau des zivilen Katastrophenschutz. „Und damit das da dann mit dem Sexismus nicht genauso weiter geht wie bei Militär, Polizei, Feuerwehr und THW bekommen die regelmäßig Workshops zu kritischer Männlichkeit“ ergänzt Franka-Andrea. Mehr Infos:
https://emrawi.org/?Gefalschtes-Burgermeister-Schreiben-in-Berlin-Reinickendorf-sagt-Tag-der-841

Der Kurswechsel kommt gut an
Laut einem Blick in die Sozialen Medien kam der Kurswechsel bei der Bevölkerung gut an: „Mich trennt vieles von Frank Balzer (#CDU), Bezirksbürgermeister Reinickendorf. Aber vor soviel lessons learnt, Einsichten und Demut habe ich allergrößten Respekt. Chapeau, junger Mann!“ schrieb ein*e Bürger*in auf Twitter.
https://twitter.com/cartagena_/status/1253665495699599361

Bezirksamt erstattet Anzeige
Das Bezirksamt Reinickendorf dementierte umgehend: „Anti-Bundeswehr-Flugblatt ist eine Fälschung.“ Mit dem Flugblatt werde die Bundeswehr diskreditiert. Es erwecke den Eindruck, es stamme vom Bezirksbürgermeister: „Die wahren Autoren waren zu feige, sich zu erkennen zu geben.“ Und Leute, die ihrem Bürgermeister zutrauen, sich selbst zu reflektieren, und eine menschenfreundlichen Politik zu machen, werden als doof dargestellt: „Die meisten Reinickendorferinnen und Reinickendorfer dürften das in Tegel verteilte Machwerk angesichts seines abstrusen Inhalts und der eher laienhaften technischen Umsetzung wohl schnell als Fälschung erkannt haben“. Und auch sonst versteht man wenig Spaß: „Das Bezirksamt hat umgehend darauf reagiert und bei der Polizei Strafanzeige wegen Urkundenfälschung erstattet.“ Außerdem würdigt Bezirksbürgermeister Frank Balzer „die jahrelangen, partnerschaftlichen guten Beziehungen zur Bundewehr (sic!)“ und dem in der Julius-Leber-Kaserne stationierten Wachbataillon (der Volltext: www.berlin.de/ba-reinickendorf/aktuelle... ).

Auch das Dementi ist gefälscht
In der Nacht vom 27.4. auf den 28.4. wurde in Reinickendorf ein scheinbares Dementi als Postwurfsendung verteilt. Das Schreiben ziert sowohl ein Bild und die Unterschrift des Bürgermeisters, als auch ein leicht modifiziertes Bezirkswappen. „Frank „The TanK“ kann als guter Deutscher die gemeine Unterstellung, er sei zum pazifistischen Menschenfreund geworden, na klar nicht unwidersprochen lassen kann. Deshalb haben wir das Dementieren auch gleich für ihn erledigt“ erklärt Franka-Andrea, „und gestern Nacht mit einer zweiten Flugblatt-Aktion nachgelegt. Soll ja niemand sagen, die Kommunikationsguerilla würden ihren unfreiwilligen Mitspieler*innen keinen angemessenen Service bieten.“

Echte Aussagen neu kontextualisiert
In der zweiten Flugblatt-Aktion, überspitzt die Kommunikationsguerilla die echten Positionen Franks in einem angeblichen Dementi. „Dabei haben wir uns inhaltlich der echten Aussagen in einem echten Interview, mit dem sich der Bürgermeister und Brigade-General Andreas Henne in der Bezirksbroschüre „Stadt. Land. Fuchs. 100 Jahre Reinickendorf“ ( bc.pressmatrix.com/de/profiles/2e6a73da... ) wirklich an die Bevölkerung gewendet haben, bedient“ erklärt Franka-Andrea. „Hier möchte ich anmerken, dass der Herr General Henne nur drei Sterne hat, und ich vierzig. Aber wenn er möchte, bastle ich ihm auch noch ein paar mehr.“

Absage, um Menschen zu schützen?
In dem gefälschten Dementi lässt das KSK West-Berlin erneut Frank „The TanK“ sprechen. Zunächst informiert die vermeintliche Bürgermeister*in, das in der letzten Woche ein gefälschtes, offiziell aussehendes Schreiben verteilt worden sei. In dem gefälschten Schreiben wird behauptet, Frank hätte den „Tag der Bundeswehr 2020“ und den „Tag des Ehrenamtes“ abgesagt, um Menschenleben zu schützen. Dies sei falsch, denn das Verteidigungsministerium habe die Veranstaltung abgesagt und folge damit einer Anordnung des Berliner Senats. „Na? Drüber gestolpert?“ fragt Franka-Andrea und erklärt, dass an dieser Stelle beim Lesen sein „Moment mal!“-Effekt entstünde. Denn auf der einen Seite sei es irritierend, dass eine Bürgermeister*in so offen sage, dass es ihr* nicht um Menschenleben ginge. „Auf der anderen Seite ist es sehr glaubwürdig, weil die Funktion der Bürokratie ja u.a. die ist, dass Schreibtischtäter*innen wie Frank sich hinter ihr verstecken und von den Folgen ihres politischen Handelns isolieren können.“

Herrschaft hinterfragen
Beim Lesen würden die Leute hoffentlich bereits nachdenken, und hinterfragen, warum sie es für plausibel halten, dass eine Amtsperson im demokratischen Herrschaftsregime so etwas sage, und was dagegen spräche. „Damit hinterfragen die Leute auf einmal die Herrschaft und wie deren Repräsentation funktioniert“ freut sich Franka-Andrea. „Doch damit nicht genug: Weil die Irritation nur durchs Lesen nicht zufriedenstellend auflösbar ist, fragen die Leute anderen Leute: „Du, guck ma, ist das eigentlich echt?“ Damit entstünde die vermeintliche Normalität hinterfragende gesellschaftliche Debatte. Die Antwort sei dann in der Regel: „Nein, dass ist nicht echt, aber wahr.“ Darüber hinaus sorge dieser erste Teil hoffentlich bereits dafür, dass die Lesenden das Schreiben mit ausreichender kritischer Distanz rezipieren.

Alternativlos?
Im nächsten Absatz sagt Frank angeblich, dass er sich von der perfiden Fälschung distanziere. Darüber hinaus möchte der getrollte Frank angeblich diverse Behauptungen richtig stellen. „Das kennen die Leute“ bemerkt Franka-Andrea. „Der Erfolg von Leuten wie Donald Trump basiert u.a. darauf, dass die Mächtigen dieser Welt schon immer versucht haben, ihre Interpretation der Realität als angeblich alternativlos darzustellen.“

Was ist Gemeinwohl?
Frank behauptet angeblich, dass „linksextreme Chaoten“ in der aktuelle Corona-Krise eine erhebliche kriminelle Energie aufbrächten, um die Bevölkerung zu verunsichern. Er fordert, dass die „Chaoten“ sich statt dessen doch bitte konstruktiv in das Gemeinwohl einbringen sollten. „Auch das kennen die Leute“ kommentiert Franka-Andrea. „Autoritäre Charaktere wie Frank, denen nicht umsonst auch in den Medien der Ruf der „sozialen Kälte“ anhängt, und die kein Problem mit rassistischen Gutscheinsystemen für finanziell Benachteiligte und als Asylbewerber*innen Ausgegrenzte haben, fordern von anderen, sich in das, was sie selbst für das Gemeinwohl halten, einzubringen. Selber Schuld, wer da mitmacht…“

Original-Flyer als Vorlage
Die nächsten zwei Absätze sind besonders perfide gefälscht. Sie basieren zu weiten Teilen auf Formulierungen des echten Franks aus der Bezirksbroschüre „Stadt. Land Fuchs. 100 Jahre Reinickendorf“. Hier werben Frank und sein Kumpel, der für den Tag der Bundeswehr zuständige Brigadegeneral Andreas Henne gemeinsam für den Tag der Bundeswehr und erzählen, wie toll alles werden wird.

In der Mitte der Gesellschaft?
Der echte und der gefälschte Frank betonen, dass mit dem Tag der Bundeswehr und dem Tag des Ehrenamtes der Bezirk Reinickendorf demonstrieren wollte, dass die Bundeswehr in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei. „Was ja total lustig ist“ kichert Franka-Andrea. „In der Formulierung „angekommen“ steckt ja drinne, dass das offensichtlich nicht selbstverständlich ist, sondern, dass es etwas neues ist, dass in der Mitte der Gesellschaft staatlich bezahlte uniformierte Killerbanden mit Positivbezug zur Wehrmacht, die ständig mit Sexismus- und Nazi-Skandalen auffallen, einen Platz haben.“

Unterhaltung für alle, die Militär nicht kritisch gegenüberstehen
Weiter erklären sowohl der echte als auch der falsche Frank, dass sie „allen“ Besucherinnen und Besuchern ein tolles und anspruchsvolles Programm bieten würden, dass für alle Alters- und Interessensgruppen ansprechend sei. Der falsche Frank sagt einen Nebensatz mehr und erweitert das Wort „alle“ um „alle, die dem Militär und damit unserer Gesellschaft nicht von vornherein kritisch gegenüberstehen“. „Damit entlarvt sich, wie ausschließend die Vorstellungen des echten Franks sind, wenn er von „alle“, „wir“ und „Gemeinwohl“ schwafelt“ freut sich Franka-Andrea.

Eine tolle Dynamik?
Beide Franks sind dankbar, dass sie in Berlin mit der Bundeswehr zusammen arbeiten könnten, denn Militär und Gesellschaft sollten wieder viel enger miteinander verknüpft sein. Der falsche Frank ergänzt, dass er es deswegen sinnvoll fände, den „Tag des Ehrenamtes“ mit militärischer Präsenz zu überschatten. Beide Franks glauben, „dass wir so eine tolle Dynamik fürs Gemeinwohl entwickeln“. Der falsche Frank postuliert, dass es gerade in Zeiten wie diesem nur gut sein könne, mit militärischen Prinzipien wie Tugend, Pflichterfüllung, Gehorsam und Uniformität die deutsche Gesellschaft wieder zu stabilisieren.

Keine reine Werbeveranstaltung?
Beide Franks sagen „Der Grundgedanke, sich wie unsere Soldatinnen und Soldaten ohne persönliches Interesse für die Gemeinschaft zu engagieren, ist im Ehrenamt genauso verankert wie in der Bundeswehr.“ Der falsche Frank hat lediglich vor „die Gemeinschaft“ noch „das Volk“ eingefügt. Nur als reine Werbeveranstaltung würden beide Franks das nicht sehen. Wohl aber wollen sie beide, dass sich die Bürgerinnen und Bürger Gedanken über die Bundeswehr machen. Der falsche Frank hat lediglich den Euphemismus Bundeswehr mit dem Halbsatz über die „die Durchdringung der Gesellschaft durch das Militär“ getauscht und ergänzt: „Wir werben wie gesagt zusammen mit der Bundeswehr für eine ideologische Formierung, die in unterschiedlichen Ansätzen sehr nah dran an dem Konzept der Volksgemeinschaft ist.“ Und beide Franks sagen: „Ich sehe daran nichts verwerfliches.“

Von Volk und Gemeinschaft zur Volksgemeinschaft
„Diese zwei Absätze haben wir größtenteils aus echten Zitaten des echten Franks gebaut“ erklärt Franka-Andrea“. Allein schon durch die Zusammenstellung der ganzen Beschwörungen von „Wir“, „Alle“, „Gemeinwohl“, bei denen immer völlig klar ist, dass Frank nur Leute meint, die die Bundeswehr, und alles, wofür die Bundeswehr steht, genauso gut finden wie er, wird deutlich, was für weite Teile der Bevölkerung ausschließenden Vorstellungen Frank hat, wenn er Allgemeinwohl sagt. „Diese Propaganda überspitzen wir. Von Alle, Wir, Gemeinwohl und Gemeinschaft zu Volk und dem NS-Begriff „Volksgemeinschaft“ brauchen wir nur eine semantische Winzigkeit weiter gehen. Damit wollen wir aufzeigen, wie ideologisch nah dran selbst nette freundliche zufriedene Nationalist*innen wie Frank trotz Weltkriegen, Shoa und Aufarbeitungsweltmeisterei noch immer an völkischen Vorstellungen von Gesellschaft und Bevölkerung sind.“

Menschen helfen statt töten?
Der Aussage, er sei der Meinung, der Verteidigungsetat solle genutzt werden, um damit Sachen zu kaufen, die Menschen helfen statt sie töten, muss Frank na klar widersprechen. Auch an Sexismus in der Bundeswehr glaubt Frank natürlich nicht. Weiter ärgert sich Frank, dass in dem ersten gefälschten Schreiben behauptet wird, er sei gegen Werbung der Bundeswehr, weil dort „Volksfestatmosphäre“ mit dem Zeigen von Waffen verbunden würde und so eine positive Stimmung gegenüber den Waffen und deren Einsatz erzeugt würde. Frank betont, dass er jede Werbemaßname des Militärs weiterhin unterstütze.

Kinder fürs Militär ansprechen?
Auch das Einbinden von Kindern halte er nach wie vor für richtig. Selbstverständlich wurde eine Hüpfburg auf dem Tag der Bundeswehr geplant, um Kinder zu der Veranstaltung zu locken. „Auch das sagt der echte Frank im echten Interview wirklich“ merkt Franka-Andrea an. Die Funktion davon legt der falsche Frank im nächsten Satz offen, denn er sagt angeblich: „So bekommen auch unsere Kleinsten gleich einen spielerischen Zugang zu Militär und Waffen.“ Mit der Rekrutierung könne man gar nicht früh genug beginnen.

Weitere „Nacht-und-Nebel-Flugblatt-Aktionen“?
Da es dem falschen Frank nicht um sich selbst, sondern um die Allgemeinheit geht, möchte er die lieben Bürgerinnen und Bürger vor Verunsicherungen durch weitere „Nacht-und-Nebel-Flugblattaktionen“ bewahren. „Diese Wendung, die aus der NS-Sprache stammt, und das Verschwinden lassen politischer Gegner*innen beschreibt, wird bis heute häufig von Deutschen völlig unbefangen verwendet“ erklärt Franka-Andrea. „Wir haben sie hier eingebaut, um noch einmal die nur verdeckte nach wie vor bestehende ideologische Nähe von netten freundlichen zufriedenen Deutschen zu menschenfeindlichen Vorstellungen deutlich zu machen.“

Entsendung einer Wachkompanie?
Ziemlich nah an der Realität schwadroniert der falsche Frank, dass er Anzeige wegen Urkundenfälschung, übler Nachrede und zersetzender staats- und volksfeindlicher Hetze bei der Puzilei Berlin erstattet habe. Zudem habe er beim Nur-drei-Sterne-General Andreas Henne um die Entsendung einer Wachkompanie gebeten. Das ist sehr glaubwürdig, denn der echte Frank betont ständig, dass zwischen der 7. Kompanie des Wachregiments des Bundesministerium der Verteidigung und dem Bezirksamt Reinickendorf eine sehr enge und freundschaftliche Patenschaft bestehe.

Aufruf zur Wachsamkeit und Denunziation
Weiter bittet der falsche Frank die Bevölkerung, in der nächsten Zeit äußerst wachsam zu sein. Es gäbe leider bestätigte Hinweise, dass die linksextremen Chaoten sich bei ihren Aktionen und beim Ausspähen ihrer schändlichen Taten als Polizist*innen in Uniform oder auch in Zivil tarnen. Sollten solche zwielichtigen Gestalten auffallen, mögen sich die selbsternannten Hilfspolizist*innen bitte der 1. Polizeidirektion, Abschnitt 11 melden und bei der Ergreifung dieser selbsternannten kriminellen autonomen Banden.

Sind Polizist*innen zwielichtig?
„Auf diesen Absatz sind wir besonders stolz“ sagt Franka-Andrea. „Allein die Vorstellung, dass die Wachtmeister*in erleben muss, dass Deutsche seine Kolleg*innen für zwielichtig hält, ist bereits enorm unterhaltsam. Und wenn man sich dann noch vorstellt, wie die ganzen Denunziant*innen von der Wachtmeister*in erklärt bekommen, dass die Leute, die sie da grad zutreffend als zwielichtige Gestalten identifiziert haben, deutsche Polizist*innen sind, möchte man ja förmlich live dabei sein.“

Stahlhelm, Gewehr und Granate im Wappen
„Uns geht es nicht darum, dass niemand die irritierenden Formulierungen bemerkt, oder alle den Quatsch mit den zu verschenkenden Bodies glauben“ erklärt Franka-Andrea. „Im Gegenteil: Kommunikationsguerilla soll auffallen.“ Fake News und Betrug seien erfolgreich, wenn niemand es bemerke, und es z.B. für Falschgeld Waren und Wechselgeld gäbe. Kommunikationsguerilla hingegen solle auffallen. „Bei Fakes geht es darum, gemeinsam mit den Lesenden möglichst genau auf dem schmalen Grad zwischen aus Autoritätshörigkeit gespeister Glaubwürdigkeit und zum Zweifeln anregender inhaltlicher Überspitzung zu wandeln“ sagt Franka-Andrea. Gelänge dies, würden Menschen anfangen, zu hinterfragen, warum sie auf der einen Seite glauben, dass die Bürgermeister*in diese Dinge sagen könnte, und warum sie es anderseits bezweifeln. „Damit sind wir bei einer kritischen Reflexion von vermeintlich Normalem angelangt. Je weiter die Leute lesen, desto mehr Hinweise dürfe man ihnen geben. „Deswegen stupsen wir sie am Ende des Briefes auf das veränderte Wappen des Bezirks oben im Briefkopf. Dort haben wir die goldenen Ähren gegen Stahlhelm, Gewehr und Handgranate getauscht“.

Aufmerksamkeit ist eine knappe Ressource
Im Kapitalismus sind gesellschaftlichen Ressourcen nicht gleichberechtigt unter den Menschen verteilt. Einige wenige haben viel zu viel, die allermeisten sehr wenig. Dies gilt im Kapitalismus auch für den Zugang zu Öffentlichkeit. Völlig egal, was für dummes Zeug ein*e Bürgermeister*in redet, es findet selbstverständlich Aufmerksamkeit. Und Bürgermeister*innen können beschließen, jede Menge Kohle in Militärwerbung zu versenken, statt Menschen damit zu helfen. „Statt dessen sollten wir unsere Gesellschaft lieber so organisieren, dass alle Menschen gleichberechtigt und auf Augenhöhe horizontal miteinander agieren können“ erklärt Oberkommandierende Franka-Andrea Balz-Henne. „Um einen symbolischen ersten Schritt dahin zu machen, haben wir uns
letzte Woche schon mal die diskursive Wirkmächtigkeit der Bezirksbürgermeister*in ausgeliehen.“ Denn der Bürgermeister*in werde zugehört. Gerade, wenn sie sich hinterher als gefälscht heraus stelle.

Amtsmissbrauch?
Bei ihrer offenen Propaganda für einen modernen Militarismus inszenieren Frank und Henne ihre Meinung so, als sei es common sense, die Gesellschaft wieder mit dem Militär zu verweben. Dazu missbraucht Frank auch das Amt der Bürgermeister*in. „Nur weil er der Meinung ist, dass ganze Land sollte mit olivgrünen Tarnfleckmuster vollgepinselt werden, gibt ihm das Amt der Bürgermeister*in noch lange nicht das Recht, so zu tun, als wollten das alle und als wäre das Werben fürs Sterben gut fürs angebliche Allgemeinwohl“ sagt Franka-Andrea.

Neuer Militarismus?
„Mit der Aktion wollten wir aufzeigen, wie mit dem Abgefeiere der Bundeswehr- Soldatska die Grenzen zwischen ziviler und militärischer Welt verwischt werden. De facto wirbt Frank für eine militaristische Gesellschaft.“ erklärt Franka-Andrea weiter. „Durch die Neuzusammenstellung von Franks Äußerungen zeigt sich, wie nah die politischen Vorstellungen eine*r netten guten freundlichen Deutschen* trotz Weltkrieg, Shoa und Aufarbeitungsweltmeisterei bis heute an ideologischen Konzepten wie der Volksgemeinschaft stehen.“

Mehr Infos zum gefälschten Schreiben von letzter Woche:
https://emrawi.org/?Gefalschtes-Burgermeister-Schreiben-in-Berlin-Reinickendorf-sagt-Tag-der-841

Der Kurswechsel kommt gut an:
https://twitter.com/cartagena_/status/1253665495699599361

Das echte Interview von Frank Balzer und Nur-Drei-Sterne-General Andreas Brathenne:
https://bc.pressmatrix.com/de/profiles/2e6a73da31ae-berlin-broschuren/editions/stadt-land-fuchs-100-jahre-bezirk-reinickendorf/pages/page/6

Das echte Dementi des Bezirksamts, das am Tag vor der nächtlichen Verteilung veröffentlicht wurde:
https://www.berlin.de/ba-reinickendorf/aktuelles/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.925940.php

Die Morgenpost schreibt:
https://www.morgenpost.de/bezirke/article228996373/Angebliches-Flugblatt-von-Bezirksbuergermeister-ist-Faelschung.html

Die Reinickendorfer Zeitung schreibt:
https://www.raz-zeitung.de/2020/04/27/fake-flugblatt-in-tegel-verteilt

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