Grußworte an die Schreibwerkstatt in Innsbruck

veröffentlicht am 9. März 2020

Seid rund zwei Jahren wir im Café DeCentral in Innsbruck regelmäßig die „Schreibwerkstatt für Gefangene“ organisiert. Manchmal wurde die Schreibwerkstatt auch mit Vorträgen oder Diskussionen verbunden. Zur Zeit findet sie monatlich statt und es gibt immer Küfa.
Hier ein paar Grußworte des Gefangenen Thomas Meyer-Falk, welcher sich in seinem Text mit der Trennung von „politischen“ und „sozialen“ Gefangenen auseinandersetzt. Auch wir, als die Organisator*innen der Schreibwerkstatt, lehnen die Gefängnisgesellschaft als Ganzes ab und sehen die Anti-Knast-Arbeit als wichtige Perspektive im Aushandlungsprozess um eine befreite Gesellschaft.

Herzliche Grüße nach Innsbruck,
hier aus einem Zuchthaus in Süddeutschland (aus Freiburg, um genau zu sein). Für Menschen in Gefangenschaft sind die Verbindungen in die Welt vor den Mauern überlebensnwichtig, denn was das Leben im Kern ausmacht, das ist doch das „in-Beziehung“ zu sein. Idealerweise „bei-Freund/innen-sein“.
Auch gemeinsame Ideale, Überzeugungen und Kämpfe können Menschen verbinden, über alle Grenzen hinweg, seien sie aus Stein, aus Stacheldraht oder aus sonstwas erbaut.
Deshalb ist so eine Schreibwerkstatt wie in Innsbruck wie ein Leuchtfeuer – und zwar für jede/n InsassIn. Für jene die Post bekommen, aber auch jene die nur davon hören. Dabei erscheint mir der egalitäre Ansatz besonders wichtig. Die in der linken Szene gerne praktizierte Hervorhebung politischer Gefangener hat ihre nicht unberechtigte Geschichte, aber eine Bewegung die für eine Überwindung des bestehenden Systems kämpft, sollte sich überlegen, ob eine solche Binnendifferenzierung zwischen verschiedenen Gefangenensubgruppen auf lange Sicht vertretbar ist. Nicht nur, weil es die notwendige Solidarität spaltet und eine gespaltene Bewegung wird immer unterlegen sein. Sondern auch vom politischen Anspruch aus gesehen: eine Praxis der Freiheit muss am Ende die Befreiung aller Menschen anstreben. Dafür zu streiten ist unangenehm und wird nicht leicht; ich kann das aus eigenem Erleben berichten. Wer in der Sicherungsverwahrung lebt (in Österreich würde das der Anstalt für seelisch abnorme Rechtsbrecher entsprechen), so wie ich seit 2013, hat es leider überwiegend mit Sexualtätern zu tun. Wohl der Gefangenengruppe die mit am meisten Abscheu hervorruft, vielleicht nur noch vergleichbar den (neo)faschistischen Insass/innen. Es gibt hier genügend Männer die ich weder heute, noch morgen frohen Herzens auf der Strasse wissen möchte. Darum geht es aber auch nicht. Die Befreiung der Gesellschaft ist ein Langzeitthema, das aber auch einschließt sich damit zu beschäftigen, warum Menschen solche Taten begehen. Im übrigen ist ihr Anteil an der Gesamtpopulation gering; die absolute Mehrzahl in den üblichen Anstalten sitzt wegen ganz anderer und kleinerer Delikte.
Ich wünsche jedem und jeder den Mut und die Bereitschaft sich diesen Diskussionen zu öffnen und auch den Kontakt zu gefangenen Menschen aufzunehmen.

Mit herzlichen und kämpferischen Grüßen
Euer
Tomas Meyer-Falk

freedomforthomas.wordpress.com
z.Zt. JVA (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D – 79104 Freiburg (Deutschland)

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