Polizei-Operation Spring: Kontinuität der Kriminalisierung Schwarzer Menschen

veröffentlicht am 29. Mai 2019

Am 27. Mai 1999 überfielen Sondereinheiten der Polizei Wohnungen und Unterkünfte in Wien, in denen vorwiegend geflüchtete Menschen und Migrant*innen aus afrikanischen Ländern lebten. Über hundert Personen wurden festgenommen und wegen Verbindungen zu einem angeblichen "nigerianischen Drogenring" angeklagt.

Die Verfolgung Schwarzer Menschen durch die Polizei, die Kriminalisierung von Personen of Color im öffentlichen Raum, rassistische Kontrollen und Festnahmen von vor allem Schwarzen Männern als Drogenverkäufer zeigen die jahrzehntelange Kontinuität rassistischer Repression und Polizeigewalt in diesem Land.

Marcus Omofuma war am 1. Mai 1999 auf seinem Abschiebeflug von drei Fremdenpolizisten so gefesselt und geknebelt worden, dass er daran erstickte. Er war nicht das erste Todesopfer rassistischer Polizeigewalt. Die afrikanische Diaspora hatte schon vor einiger Zeit begonnen, sich politisch zu organisieren und gegen rassistische Polizeigewalt zu protestieren. Auch die antirassistischen Proteste, die auf die Ermordung Omofumas folgten, waren großteils von der afrikanischen Diaspora organisiert. Die nachfolgende Operation Spring war die Antwort auf die Proteste, schreibt die Solidaritäts- und Unterstützer_innengruppe GEMMI (2005) in ihrem Buch "1000 Jahre Haft".
Sondereinheiten der Polizei überfielen Wohnungen und Unterkünfte, in denen vorwiegend geflüchtete Menschen und Migrant_innen aus afrikanischen Ländern lebten. Über hundert Personen wurden am 27. Mai 1999 festgenommen und wegen Verbindungen zu einem angeblichen "nigerianischen Drogenring" angeklagt. Der Polizeioperation war ein großer Lauschangriff, die allererste Überwachungs- und Bespitzelungsmaßnahme derartiger Dimension, vorausgegangen.

Die Strategie der Kriminalisierung funktionierte. Kurz nach Omofumas Tod standen weder Marcus Omofuma noch Polizeigewalt oder institutioneller Rassismus im Zentrum der Aufmerksamkeit. Alles drehte sich um ein Bedrohungsszenario, in dem angeblich organisierter Drogenhandel eine konstruierte „innere Sicherheit“ gefährde. Weitere Razzien fanden statt.
Teilweise dauerten die Prozesse jahrelang, einige Angeklagte wurden zu bis zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Bekannt wurden Zitate wie „eine unbekannte Menge Drogen an unbekannten Orten an unbekannte Personen“ aus dem Gerichtssaal, die zeigen, wie spekulativ die Anklagepunkte verhandelt wurden – Sätze, die heute in ähnlicher Form in Prozessen nach dem 2016 in Kraft getretenen Suchtmittelgesetz fallen, ausgesprochen von einem der auch damals zuständigen Richter. In manchen Fällen hatten die Urteile Folgen für den Aufenthaltsstatus der Angeklagten, und ihre Abschiebungen wurden vorbereitet, während ihr Prozess noch lief, beschreibt die GEMMI. Kriminalisierung trug und trägt auch heute dazu bei, Polizeigewalt gegen Schwarze Menschen unsichtbar zu machen bis gezielt einzusetzen.

... Mehr:
Emmanuel Chukwujekwu (2011): The Last Journey of Marcus Omofuma: An
Account of Prison Experience

Obiora Cl-K Ofoedu (2000): Morgengrauen.

GEMMI Verein für antirassistische Öffentlichkeitsarbeit (2005): 1000
Jahre Haft. Operation Spring und institutioneller Rassismus. Resümee
einer antirassistischen Gruppe. Wien. http://no-racism.net/article/3453/

Angelika Schuster and Tristan Sindelgruber (2005): Operation Spring.

Link:
https://wasgeht.noblogs.org/post/2019/05/27/polizei-operation-spring-kontinuitat-der-kriminalisierung-schwarzer-menschen-in-wien/

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