Schubhaft tötet - NO JUSTICE NO PEACE Demonstration Innsbruck

veröffentlicht am 11. November 2020

Eine geflüchtete Person aus Tschetschenien verstirbt in Wien in Schubhaft bevor sie nach Russland abgeschoben werden sollte - die Bullen leugnen es und versuchen zu vertuschen // Sugar ist weiterhin im Knast - 12.11. Charterabschiebung nach Nigeria // 15.12 Sammelabschiebung nach Afghanistan // fortwährendes racial profiling und Polizeigewalt gegen migrantisierte und illegalisierte Personen in Österreich // Horror-Szenarien vor den Grenzen Europas und in den griechischen Lagern // keine sicheren Fluchtwege und Unterbindung/Illegalisierung der Seenotrettung
Darum sind wir am 7.11 wütend, laut und bestimmt auf die Strasse gegangen. Anbei Aufruftext und Flugblatt des Bündnis Free Sugar gegen Abschiebungen sowie die Fotos.
FÜR EIN LEBEN IN WÜRDE UND FREIHEIT FÜR ALLE!

Am Samstag den 7.11 gingen in Innsbruck ca 80 Menschen unter dem Motto NO JUSTICE NO PEACE - Schubhaft tötet auf die Strasse, um gegen die mörderischen Strukturen und Auswirkungen des österreichischen und europäischen Grenzregimes zu protestieren. Es wurden mehrere Redebeiträge gehalten - vom Bündnis Free Sugar gegen Abschiebungen sowie der Initiative Bürglkopf schliessen gab es je eine Rede, zwei Menschen vom Kulturverein Ichkeria Wien haben etwas zu den Deportationen nach Russland und der tschetschenischen Community gesagt, es gab eine Rede zu den Novemberprogromen, einen Beitrag zu Tod in Schubhaft sowie einen der Migrantifa Wien zu Polizeigewalt und Herr Belauer von Flucht.Punkt hat über das Asylregime Österreichs gesprochen. Die Demo war laut, wütend und auf die Thematik fokussiert. EUROPE, FRONTEX AND POLICE - STOP KILLING REFUGEES hallte durch die leider etwas menschenleeren Strassen.
Danke an alle die trotz Lockdown gekommen sind und mit Abstand und Maske zu diesen fuchtbaren Tatsachen nicht stillgeschwiegen haben.
Für ein Leben in Würde und Freiheit für alle!
NO JUSTICE NO PEACE
NO PRISON NO POLICE

Mobitext:

Die Polizei hat einen weiteren Menschen auf dem Gewissen: Ein Mann, der aus Tschetschenien geflüchtet war, ist in der Justizanstalt Josefstadt am 27.10. in der Früh verstorben, nachdem er die ganze Nacht lang starke Schmerzen hatte, aber nicht angemessen medizinisch versorgt oder ins Spital eingeliefert wurde.
Seiner Familie steht unter Schock steht, die Polizei schweigt, die Medien schauen weg. Der verstorbene Mann war anfangs in Strafhaft und sollte nach Russland abgeschoben werden. Viele Menschen sind in der vom Kreml quasi autonomen Region Tschetschenien starker Repression ausgesetzt, zahlreiche Minderheiten werden verfolgt. Der Autokrat Ramsan Kadyrow regiert die Region, er hat unzählige Menschenrechtswidrigkeiten begangen und die Zahl der Verschwunden ist hoch! Zudem währt der Terror durch den Islamischen Staat fort. Es ist untragbar an einen solchen Ort abzuschieben!

Flugblatt vom Bündnis Free Sugar gegen Abschiebungen:

Der Tod in Schubhaft ist kein Einzelfall! In den vergangenen 10 Jahren sind in Österreich sicher 7 geflüchtete Menschen, aber vermutliche viele mehr, in Polizeigewahrsam oder Gefängnissen verstorben. Es gibt weiterhin keine unabhängige Untersuchungsorgane in Österreich dazu.
Suizide und versuchte Selbsttötungen sind ebenfalls Alltag in Strafanstalten, Zentren und Lagern. Wer das Leben von Menschen verwaltet, verwaltet auch ihr Leid und ist für dieses konkret verantwortlich! Die Polizei und die Behörden tragen ganz klar Schuld an dem Tod und den Verletzungen dieser Menschen.
In Österreich wird seit mehr als einem Jahrzent ein perfides System auf- und ausgebaut, das geflüchtete Menschen isoliert, prekarisiert und fremdbestimmt. Die unzureichenden Lebensumstände, die dieses System hervorbringt, haben sich während der Corona-Pandemie nochmals drastisch verschärft:
Während die Regierung die Bevölkerung dazu anhält Abstand zu halten und Zuhause zu bleiben, leben die Menschen in den Asyl- und Rückkehrzentren noch immer unter unwürdigen Bedingungen und auf engstem Raum. Zudem befinden sich viele geflüchtete Menschen in Schubhaft. Aktuell gelten Besuchsverbote, Restriktionen im Aus- und Hofgang, der Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung ist zusätzlich erschwert und bei unterschiedlichsten Symptomen werden Menschen gemeinsam - ohne getestet zu werden - isoliert.
Vielerorts herrschen also im Asylwesen während der Pandemie Bedingungen, die klar gegen die Covid19-Massnahmen Österreichs und jeden sinnvollen Umgang mit dem Virus verstossen. Damit gefährden die Verantwortlichen nicht nur die geflüchteten Menschen, sondern nehmen auch in Kauf, dass sich das Virus weiterverbreitet.

Rückkehrzentrum Bürglkopf
Folgende Vorgangsweisen der Behörden beziehungsweise der zuständigen Verwaltungsorgane im Umgang mit dem Coronavirus sind bestätigt:
Ende Oktober gab es am Bürglkopf positive Fälle unter jenen Internierten, welche zwecks anstehender Verlegung in ein anderes Zentrum oder in die Schubhaft - das ist unklar, klar ist, dass sie weggebracht werden sollten - routinemässig getestet wurden. Daraufhin wurde das obere Haus zum Quarantänehaus erklärt. Dort wurden allerdings nicht nur positiv getestete Menschen untergebracht, sondern auch solche, die einfach nur verdächtige Symptome hatten. Diese Menschen wurden vermischt, also nichtbestätigte und bestätigte Fälle teilen sich dort Zimmer (3-5 Menschen pro Raum), benützen dieselben sanitären Anlagen und Rauchen am gleichen Balkon. Weiterhin wurden nicht alle Menschen am Bürglkopf getestet, sondern nur die, die eventuell erkrankt sind oder solche, die das Zentrum verlassen mussten. Mittlerweile sind ca 17 Menschen in dieser Scheinquarantäne, den Leuten wird gesagt sie sollen Abstand halten, was defacto aber nicht möglich ist. Wir wissen, dass die Behörden kaum Überblick über mögliche Vorerkrankungen der geflüchteten Menschen am Bürglkopf haben und der Ort voll abgelegen ist - was für mögliche medizinische Notfälle ein hohes Risiko darstellt.

Dieser Umgang ist zu verurteilen, er ist nicht nur gesetzeswidrig, sondern auch unmenschlich und fahrlässig. Das Rückkehrzentrum Bürglkopf - und natürlich auch alle anderen Asyllager - sind ungeeignet für eine sinnvolle Handhabung pandemischer Zustände! Sie müssen geschlossen werden und die geflüchteten Menschen so untergebracht werden, dass sie vor dem Virus geschützt und ans Gesundheitssystem angeschlossen leben können. Wir fordern Wohnungen statt Lager, Bunker und Baracken! Es gibt genügend Leerstand, geschlossene Hotels ebenso.

Während in Zeiten der Krise in vielen Bereichen Lösungen gefunden werden, soll das Asylregime um jeden Preis aufrechterhalten werden. Eher missachten die politischen Entscheidungsträger staatlich verordnete Schutzmaßnahmen, als das repressive System auch nur geringfügig zu lockern.
Es werden weiter Deportationen durchgeführt, in Kriegsgebiete, in Diktaturen und in Länder, die keine ausreichende Grund- bzw. Gesundheitsversorgung gewährleisten können. Am 12.11 soll Sugar – ein geflüchteter Mensch, der Innsbruck verhaftet wurde und seit Monaten in Schubhaft sitzt – vermutlich per Charter nach Nigeria deportiert werden, am 15.12 soll es eine Sammelabschiebung nach Afghanistan geben!
Diese menschenverachtende Politik haben wir satt! Wir fordern eindringlich: Die Geflüchteten brauchen mehr Raum, sowohl für ihre Privatsphäre als auch um dem Aufruf zu "social distancing" nachkommen zu können. Bewegungsfreiheit und Zugang zu gesundheitlicher Versorgung sind Bedingungen für ein Leben in Würde und Freiheit.

Wir möchten daran erinnern, dass viele Staaten auf die Krisensituationen der Corona Pandemie mit dem Ausbau von autoritären Strukturen reagiert haben: Die Polizei hat durch die Notstandgesetze freie Hand, racial und social profiling nehmen zu, geschlossene Anstalten wie Gefängnisse, Lager oder Massenunterkünfte werden noch mehr isoliert! Die Macht verdichtet sich, die Unterdrückung wird fester, die Disziplinierung wird härter. Europa ist eine Festung.
Dagegen müssen wir ankämpfen!

Es sind weltweit Millionen Menschen gezwungen ihre Heimat zu verlassen und die Wege, die sie gehen müssen, sind unsicher - sie sind Gewalt, Übergriffen, Unterversorgung und dem Tod ausgesetzt. Nur ganz wenige Menschen kommen überhaupt an einem Ort an, der für sie Zuflucht bieten könnte. Doch am Beispiel Europa sehen wir, was dort mit diesen Menschen passiert: Obwohl alle Mittel vorhanden wären, bekommen diese Menschen keine Sicherheit, sondern sehen sich weiterhin Ausgrenzung, rassistischen Übergriffen und mangelnder Versorgung ausgesetzt, müssen eingesperrt und in ständiger Angst leben, abgeschoben zu werden.
An den EU-Außengrenzen ist die Situation untragbar! Die Lager müssen endlich evakuiert und die Fluchtwege sicher werden. Doch das Gegenteil passiert: Frontex verschärft die Kontrollen, zieht speziell ausgebildetes Personal aus den Polizeikorps ganz Europas hinzu - wir müssen nicht darüber sprechen, was das für Menschen sind, die sich freiwillig zu Grenzsicherung melden, Moria 2.0 wird eingerichtet, Seenotrettung und Flüchtlingshilfe wird aktiv unterbunden und kriminalisiert, eine unendlich langer Liste von Schandtaten könnte hier folgen.

Wir hier, wir haben generationenlang vom Wohlstand des globalen Nordens profitiert, es liegt in unserer Verantwortung und in unserer Hand die Umstände zu ändern. Auch wenn wir immer wieder unbewusst selbst zur Helfer:innen dieses Systems werden, unsere Sozialisierung uns eng in es hineindrängt und Repression uns immer als Disziplinierung droht, ist das keine Entschuldigung nicht Verantwortung zu übernehmen. Widerstand ist unsere Pflicht!
Die Menschen, die die Entscheidungen zu all dem Unrecht, dem Schmerz und dem Tod treffen, sind die Regierenden! Es handelt sich nämlich nicht um Dinge die "passieren" sondern um politische Entscheidungen, welche Politiker:innen zb hier in Österreich und Abgeordnete in Brüssel aktiv treffen! Es reicht nicht aus, einfach wählen zu gehen und uns darauf zu verlassen, dass Politiker_innen irgendetwas für uns lösen. Wie es scheint, sind sie dazu weder fähig noch gewillt! Im Gegenteil, sie produzieren dieses Elend und die vorhin erwähnten Zustände durch ihre Politik!
Die Geschichte der sozialen Kämpfe hat gezeigt, Parlamenten dürfen wir nie vertrauen - Widerstand müssen wir von unten bauen.
Es ist jetzt an der Zeit selbst aktiv zu werden:

*Bauen wir weiter Strukturen auf, die eine ernst gemeinte Unterstützung für Menschen auf der Flucht und solche, die hier schutzsuchend angekommen sind, ermöglichen. Spenden reicht nicht aus! Trotzdem ist Geld sehr wichtig für die Arbeit vor Ort. Spenden wir nur an solche Projekte, wo das Geld direkt der Basisarbeit zugutekommt! Schließen wir uns solidarischen Organisationen an und fahren wir hin, es wird überall Unterstützung gebraucht! Öffnen wir hier Wohnraum für geflüchtete Menschen, organisieren wir rechtliche Unterstützung, verschaffen wir Stimmen Gehör, beziehen wir einander in unsere Leben und unseren Alltag hier ein. Leisten wir zivilen Ungehorsam und blocken wir Deportationen und Rückführungen!
* Bilden wir Banden und Gruppen! Werden wir antifaschistisch aktiv! Rechte, Burschis, religiöse Fundamentalisten und Neonazis dürfen ihre Propaganda nicht betreiben, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen! Greifen wir bei rassistischen Übergriffen ein! Reflektieren wir unsere eigenen Vorurteile und lernen wir antirassistisches und antikoloniales Denken und Handeln.
* Lesen und bilden wir uns gegenseitig! Schreiben wir zu dieser Thematik, betreiben wir Öffentlichkeitsarbeit! Sprechen wir die Zustände in den Unterkünften und Lagern sowie auf den Fluchtwegen an, kritisieren wir die Menschen, die dafür verantwortlich sind. Wir dürfen nicht schweigen!
* Organisieren wir eine politische Bewegung, gemeinsam! Lassen wir uns nicht spalten, knüpfen wir Freund:innenschaften und kämpfen wir kollektiv. Werden wir laut, nehmen wir uns die Straße und andere öffentliche Räume!
*Lassen wir uns durch den Staat und die Polizei nicht brechen. Bauen wir Antirepressionstrukturen auf, halten wir zusammen.

Kämpfen wir gemeinsam für konkrete Ziele:

SOFORTIGER ABSCHIEBESTOPP
AUFLÖSUNG DER SCHUBHAFT
SCHLIESSUNG ALLER RÜCKKEHRZENTREN
NEUORGANISATION DER WOHNSITUATION FÜR GEFLÜCHTETE
GESUNDHEITSVERSORGUNG UND GEWÄHRLEISTUNG EINES SOLIDARISCHEN UND KOLLEKTIVEN SCHUTZES VOR DER PANDEMIE FÜR ALLE
BEWEGUNGSFREIHEIT UND BLEIBERECHT FÜR ALLE
SICHERE FLUCHTWEGE
EVAKUIERUNG DER CAMPS
ÖFFNUNG DER GRENZEN

Bündnis free Sugar gegen Abschiebungen
SEENOTRETTUNG UND FLUCHTHILFE ENTKRIMINALISIEREN
FLUCHTURSACHEN BEKÄMPFEN: KAPITALISMUS ABSCHAFFEN

Weiterlesen

zum Thema Migration & NoBorder: