Über linke Ohnmacht und rechten Freudentaumel. Nachbereitungstext zum 31. Jänner 2021

veröffentlicht am 12. Februar 2021

Wie bereits zwei Wochen zuvor, rief auch vergangenes Wochenende wieder eine Melange des Grauens, angeführt von rechtsextremen und antisemitischen Organisator:innen, zu einer Großdemonstration in Wien auf.

Diesem Aufruf folgten wie üblich mehrere 1 000 Coronaverharmloser:innen, rechtsextreme Organisationen und Einzelpersonen sowie Hooligans der Fußballszene. Auch Gottfried Küssel ließ sich einen Auftritt samt VAPO-Kadern nicht nehmen. Weiters mobilisierte die FPÖ für dieses Event - Herbert Kickl hätte bei der ursprünglich geplanten Kundgebung sogar eine Rede gehalten. Das "Who is Who" der rechtsextremen Szene Wiens war demnach bestens vertreten. In welcher Euphorie sich die extreme Rechte nach den Protesten befindet, und ob ihr Freudentaumel eine Berechtigung hat, dem geht Bernhard Weidinger vom DÖW in diesem Text nach: https://www.derstandard.at/…/corona-demo-in-wien-rechte-zwi…

Verbote und unterschiedliche Standards

Wenige Tage vor dem Start der geplanten Demonstration kam es jedoch zu einer behördlichen Untersagung sämtlicher für den 31.Jänner angemeldete Kundgebungen. Kurzerhand wurde aus der politischen Veranstaltung eine kirchliche Messe samt geplanter Prozession. Das Bild, das sich dann am 31.Jänner ab 13 Uhr bot, war an Skurrilität nicht zu überbieten. Doch bereits nach kurzer Zeit wurde aus diesem komischen Szenario eine gefährlich explosive Mischung. Trotz hohem Polizeiaufgebot schafften es die eigentlich gekesselten Personen, auf den Ring und auf den Museumsplatz zu strömen. Sie setzten sich zuerst Richtung Mariahilfer Straße in Bewegung, bogen dann jedoch ab und begannen einen mehrere Stunden dauernden "Spaziergang", wie sie selbst ihre Demonstrationen betiteln, quer durch die Stadt. Dabei gelang es dem Mob an Verschwörungsideolog:innen, Coronaverharmloser:innen und Faschist:innen, die Innenstadt für mehrere Stunden lahm zu legen. Es gab zahlreiche Angriffe gegenüber Journalist:innen und Fotograf:innen, sowie auf einzelne Antifaschist:innen. Die Exekutive sah dabei natürlich - wie auch nicht anders erwartet - meist tatenlos zu und war sich nicht zu blöd, auch noch vereinzelten linken Gegenprotest zu schikanieren. Die Polizei begleitete den Demozug fast ohne einzuschreiten, wurde dabei von den Teilnehmer:innen bejubelt und nahm - wie auf einem Video ersichtlich - offenbar auch Befehle des Organisators Rutter entgegen, wie sie sich gegenüber den Demonstrierenden zu verhalten und wo sie lang zu gehen hätten. Wie bereits des öfteren erwähnt, ist hier wieder einmal klar ersichtlich, auf wessen Seite die Polizei steht - denn, dass die Kiwarei mit großen, unüberschaubaren Menschenmengen umgehen und nach Belieben hart durchgreifen kann, wissen Linke schon lange. Weiters ist gerade jetzt der Vergleich zu den Protesten in Innsbruck besonders ersichtlich, wo bei einer Demonstration unter dem Motto "Grenzen Töten!" Antifaschist:innen von Polizist:innen mit Pfefferspray angegriffen und zahlreiche Festnahmen getätigt wurden - alles ebenfalls mit der Begründung, die Mindestabstände seien nicht eingehalten worden. Doch dieses Liebäugeln der Exekutive mit Rechtsextremen und Faschist:innen und die anderen Standards, die für Linke an den Tag gelegt werden, sind uns ja seit vielen Jahrzehnten bekannt.

Linke Perspektiven

Abseits dieser beunruhigenden Entwicklungen stellt sich seit geraumer Zeit die Frage, was diese große Anzahl von Menschen gemeinsam mit einschlägigen Rechtsextremen auf die Straße treibt und sie affin für diverse Verschwörungsmythen macht. So muss beispielsweise annerkannt und wahrgenommen werden, dass ein wichtiger Faktor dafür die katastrophale Regierungpolitik ist, die dazu führt, dass frustrierte Menschen jeglicher Gesellschaftsschichten ihren Unmut artikulieren wollen. Was sie fast alle eint, ist eine zutiefst neoliberale Erzählung. Getrieben von Egoismus und Individualismus, flankiert von Verschwörungsmythen und (strukturellem) Antisemitismus, wollen die Teilnehmer*innen dem Rest der Gesellschaft Rücksichtnahme und Solidarität entziehen. Die Verteidigung der eigenen falschen Interessen ist der einzige Maßstab und anstatt eine Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums von oben nach unten zu fordern, werden Ressentiments geschürt, die sich gegen die vermeintlich "allmächtigen Eliten" richten, die nicht ordentlich regieren würden, als auch gegen die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft.

Leider hat sich die gesellschaftliche Linke zum wiederholten Male kaum gezeigt. Beeindruckt von dem Verbot einer angemeldeten linken Demonstration gab es keine spontane Zusammenkunft, kein Angebot an jene Menschen, die berechtigterweise sauer sind auf dieses beschissene Krisenmanagment der derzeitigen Regierung. Umso wichtiger ist es, dass wir als Antifaschist:innen den aktuellen Protesten, so wie sie derzeit sind, immer wieder den Spiegel vorhalten und ihre rassistische und neoliberale Ausprägung sichtbar machen. Als gesellschaftliche Linke wäre es jedoch an der Zeit, endlich Fuß zu fassen und sichtbar die fatale Regierungspolitik zu kritisieren und solidarisch zu jenen Menschen zu stehen, auf deren Schultern diese Misere gerade ausgetragen wird.

Antifaschistische Proteste

Vereinzelt gab es am Sonntag auch linken Gegenprotest. Auf Höhe Stadtpark versuchten Antifaschist:innen drei Mal den Ring zu blockieren. Es ist beeindruckend, dass sich immer wieder Antifaschist:innen diesen Massen in den Weg stellen, ihre Gesundheit riskieren und gleichzeitig ein hohes Mass an Repression in Kauf nehmen. Leider müssen wir uns jedoch eingestehen, dass diese Blockaden einerseits nicht erfolgreich waren, da die Schwurbler:innen einfach abbogen und an der Blockade vorbei liefen, und andererseits auch ein enormes Risiko für die beteiligten Antifaschist:innen darstellten, da der Demozug zu diesem Zeitpunkt von gewaltbereiten Hooligans angeführt wurde und die Kiwarei sich, wie gewohnt, auf Repression gegenüber den Antifaschist:innen konzentrierte. Das Blockadekonzept, welches abermals angewendet wurde, muss kritisch diskutiert und überarbeitet werden! Denn in dieser Form wird es diese Proteste nicht beeindrucken.

Daher gilt es auch einzuräumen, dass der klar antifaschistische Gegenprotest am Sonntag zu wenig sichtbar war. Wir ließen uns von der Dynamik der Schwurbler:innen einnehmen und schafften es nicht, geschlossen zu bleiben und auch dementsprechend aufzutreten. Wir konnten eigene Akzente nur in geringem Maße setzen und überließen den Reaktionären somit weitgehend das Feld.

Perspektivisch gilt es, sich den Umständen entsprechend auf die kommenden Demonstrationen vorzubereiten. Bisher gut funktionierende Konzepte müssen womöglich angepasst, unsere Reaktionsfähigkeit erhöht und eventuell neue Aktionsformen überlegt werden. Zusätzlich dazu sollte mehr Kraft in längerfristige und breitere Proteste investiert werden, um so vielfältigere Proteste gegen die derzeitigen coronaverharmlosenden und von rechtsextremen organisierten Demonstrationen auf die Straße zu bringen und dadurch auch vielfältigere und breitere Methoden des Protests gegen die Regierung und ihre Politik etablieren.

Denn nach wie vor gilt:
Kein Fußbreit dem Faschismus!
Corona ist das Virus, Kapitalismus die Krise!
Gegen Verschwörungideologien und die Reaktion!
Alerta Antifascista!

Antifa Wien

Weiterlesen

zum Thema Anti-Faschismus: