Winterpaket schliesst teilweise im August

veröffentlicht am 31. Juli 2020

Nun scheint es fix zu sein: Nachdem uns das Ende des Winterpaketes mit 4. August verkündet wurde, hat sich die Stadt Wien nun doch umentschieden, zumindest einige Notquartiere weiterzuführen.

Wir können nicht mit Sicherheit sagen, wie viele Plätze damit erhalten bleiben, aber es stellt nur einen Bruchteil von dem dar, was gebraucht werden würde. Wir wollen hier an die Aussage des Sozialstadtrates Peter Hacker vom 24.3.2020 in einem Interview mit dem Falter erinnern:

„Außerdem haben wir nicht diese große Gruppe von versteckt lebenden Schwarzarbeitern, die das Virus lange Zeit verbreiten konnten, ohne dass es die Gesundheitsbehörden merkten. Dasselbe ist in Spanien oder in Frankreich zu beobachten. Daran sieht man übrigens, wie unglaublich wichtig es ist, dass es niemanden gibt, der außerhalb des Sozial- und Gesundheitssystems lebt. Große Gruppen von Menschen, die vom Gesundheitssystem ausgeschlossen werden, sind schlecht für eine Gesellschaft.“

Offensichtlich scheint diese Erkenntnis jetzt nicht mehr zu gelten. Warum würde sonst die Stadt Wien jetzt die Winter-/COVID-Quartiere schließen, und damit hunderte wohnungslose Menschen auf die Straße zu setzen? Eine Ausbreitung des Virus würde dort erst spät bemerkt werden. Das würde Menschen ohne Wohnung, von denen viele einer (Hoch)Risikogruppe angehören, sehr hart treffen. Aber auch gesamtgesellschaftlich gesehen widerspricht diese Vorgehensweise jeglicher Logik einer Reduktion der Ansteckungsgefahr. Noch vor kurzem wurde ein Quartier des Winterpakets unter Quarantäne gestellt. Zwei Monate nachdem diese aufgehoben wurde, sollen alle Notquartiere geschlossen werden? Nach welcher Logik wird hier vorgegangen?

Wir können das nicht verstehen. Einmal mehr wird von oben herab ohne die geringste Berücksichtigung der Betroffenen entschieden. Droht ein Imageschaden durch Kältetote in einer der reichsten Städte oder ein Gesundheitsrisiko für die Mehrheitsbevölkerung in der Coronazeit, werden kurzfristig Betten für die an den Rand der Gesellschaft Gedrängten geschaffen. Verschiebt sich der Diskurs wieder und sind sie nur ein Kostenfaktor, siegt der Glaube an die Effizienz, und die Quartiere werden wieder geschlossen.

Von diesen kurzfristigen Planspielen der Stadt Wien, ohne längerfristige Strategie, sind auch wir Basismitarbeiter*innen, die diese Quartiere am Laufen halten, betroffen. In der Krisenzeit bekommen wir Applaus, wenn wir aber gleichzeitig eine Verbesserung unserer Arbeitsbedingungen verlangen, werden wir ignoriert und die Gewerkschaften beteiligen sich am Verrat.

Ganz generell stehen wir mit dem Rücken zur Wand. Wir sehen tagtäglich in unserer Arbeit die Nachteile der Massenquartiere, wir sehen die schlecht funktionierenden Krisenpläne, die Probleme bei der Quarantäne, die Unterversorgung. Nicht umsonst fordern wir eine ganzjährige, qualitätsvolle Unterbringung für alle! Und doch sind wir einmal mehr gezwungen, dieses schlechte System zu verteidigen, da die Alternative noch schlechter ist: Die simple Nichtversorgung der Betroffenen.

Wir sehen auch die sozialen Verwerfungen, die die Coronakrise mit sich bringt. Wir befürchten, dass in Zukunft viel mehr Menschen auf solche Sozialeinrichtungen angewiesen sein werden. Erste Anzeichen dafür sehen wir bereits: Es kommen mehr Menschen, die noch nie in einem Notquartier geschlafen haben. Mehr Menschen kommen hungrig zu uns. Was ist die Antwort der Stadt Wien, die sich selbst gerne als soziales Gegengewicht zum Bund inszeniert, darauf? Das Ausdünnen des Sozialsystems, das Schließen der Notquartiere? Das kann es doch nicht sein!

Wir fordern die Stadt Wien dazu auf, alle Notschlafstellen geöffnet zu halten und die betroffenen Nutzer*innen der Angebote nicht auf die Straße zu setzen!

Wir fordern einmal mehr die dringend überfällige Schaffung von qualitätsvollen, niederschwelligen Unterkünften für alle wohnungslose Menschen!
Und wir fordern eine Wohnpolitik, die Wohnen auch für armutsbetroffene Menschen möglich macht!

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