Wuppertal: Bericht über die Demonstration & den Waldspaziergang am 2. Januar

veröffentlicht am 10. Januar 2022

Gut fünfhundert Menschen versammelten sich am Sonntag, dem 2. Januar um 14 Uhr zu einer Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz in Wuppertal Vohwinkel. Anschließend führte die Demonstrationsroute direkt in das besetzte Osterholz, wo sich ein Waldspaziergang anschloss.

Unter den Teilnehmenden befanden sich auch Aktivist*innen verschiedener Proteste, die sich an anderer Stelle für den Erhalt von Wäldern und Dörfern engagieren, wie im Hambacher Wald, bei Kassel oder in Lützerath im Rheinischen Braunkohlerevier.

Auch die Wuppertaler Klimagerechtigkeits- Gruppe DAR JÎN (kurdisch für „Lebensbaum“), organisiert bei Ende Gelände, zeigte Präsenz mit einem eigenen Transparent. Mit dabei war auch eine Ortsgruppe der Basisgewerkschaft FAU, die in letzten Zeit auch Fahnen in den Farben lila-schwarz (anarcha-feministisch) und dieses Mal, zum Anlass passend, die grün-schwarze Variante (öko-anarchistisch) mit sich führte.

Parteiwerbung fiel dagegen nicht auf. Auf einigen Transparenten, Pappschildern oder auf phantasievoll gestalteten grünen Regenschirmen wurde verkündet, dass alle Wälder und insbesondere das Osterholz bleiben sollen und dabei, wirklich „Jeder Baum zählt“. Auf Englisch war zu lesen: It´s not economy. It´s ecology, sowie die Forderung: Planet over profit.

Auch viele Bürger*innen unterschiedlicher Altersstufen aus Wuppertal und der näheren Umgebung, beteiligten sich am Protest.

Die Auftaktkundgebung wurde von vier Musiker*innen der bereits 1977 gegründeten Wuppertaler Politsatire-Combo Fortschrott musikalisch begleitet. Zwei Bandmitglieder sind beim Protest regelmäßig dabei und sie haben auch die Osterholz bleibt – Hymne (frei nach dem Rauchhaussong von Ton Steine Scherben) beigesteuert. Die seit 1986 bestehende, offene Musik- und Aktionsgruppe „Lebenslaute“ gab ein kurzes Konzert im Bahnhofsgebäude und trat später auch im Wald auf.

Die Vertreterin der Bürgerinitiative „Osterholz bleibt“ rechnete in ihrer Rede erneut mit politischen Parteien und Naturschutzverbände ab, die sich kaum für den Erhalt des Waldstückes eingesetzt haben. Die Grünen, die in Wuppertal den Oberbürgermeister stellen, der bei der letzten Wahl auch der Kanidat der CDU gewesen ist, wollen sich als ökologische Partei verstanden wissen. Um sich ein Bild von einer Partei, wie die Grünen zu machen, musste nicht einmal darauf eingegangen werden, dass sie selbst im Jahre 2019 im Ausschuss Stadtentwicklung, Wirtschaft und Bauen, bis auf eine Enthaltung, für die Rodungen im Osterholz gestimmt haben. Nach geheimer Absprache mit dem Unternehmen Oetelshoven sehe der grüne Oberbürgermeister die Rodungen als alternativlos an. In ihrer Stellungnahme behaupte die Partei, dass Waldschutz für sie erste Priorität besitzen würde. Sie verstecke sich hinter gesetzliche Bestimmungen, die aktuell eine Rettung des Waldes nicht hergeben würden.

Die Rede verdeutlichte auch, dass bestehende Vorschriften für Klimaschutz durch vollkommen gegensätzliche, wirtschaftliche Interessen sichernde Gesetze ausgehebelt werden. Ein kleiner Wald verfügt halt über keine Lobby und ökologische Interessen sind ökonomischen Interessen untergeordnet. Wenn jetzt das Oberverwaltungsgericht in Münster feststelle, dass fünf Hektar Mischwald keine Relevanz für den Klimaschutz besitzen würden, werde der Gesamtzusammenhang vollkommen verkannt. Selbst auf Wuppertaler Stadtgebiet begrenzt, sind in naher Zukunft mehrere Gebiete gefährdet, gerodet zu werden.

Auch wurde darauf hingewiesen, dass die Stadt Haan 2019 eine Rodung auf ihrem Stadtgebiet abgelehnt hätte, weshalb dort keine Bäume gefällt werden. Durch diese Aussage angeregt, fiel der Beifall für die Stadtverantwortlichen auf der Kundgebung dennoch zu euphorisch aus. Im Jahre 2013 hat die Stadt Haan noch selbst auf einen Einspruch gegen eine Rodung von 3,5 ha des Osterholzes verzichtet.

Eingegangen wurde in der Rede der Bürgerinitiative erneut auf die Farce des Runden Tisches. Er wurde mit der Absicht eingerichtet, um gemeinsam Alternativen zu entwickeln, die den Wald retten würden. Nachdem Politik und Unternehmen, in geheimer Absprache, sich für die Rodung entschieden haben, ist dieses Treffen obsolet geworden. Die Firma Oetelshoven selbst hat ihre Teilnahme folgerichtig längst aufgekündigt. Dass politische Kreise, wie der grüne Oberbürgermeister, diese Gespräche mit engagierten Anwohner*innen des Osterholzes und der Bürger*inneninitiative dennoch fortsetzen wollen, ist nicht nur reine PR. Es ist wohl auch der plumpe Versuch, auf den Protest Einfluss zu nehmen und ihn damit erfolgreich zu spalten.

Doch diese Spaltung wird nicht gelingen! Das sollte den für Räumung und Rodung Verantwortlichen längst klar sein und wurde am 2. Januar noch einmal deutlich belegt. Nachdem die CDU vom bürgerlichen Teil des Protests forderte, sich von den radikalen Waldbesetzer*innen zu distanzieren, erneuerte die Rednerin der Bürgerinitiative ihre Solidarität. Es wurde betont, dass ohne die Besetzung schon im Herbst 2019 gerodet worden wäre. Deshalb scheine es die einzige Aktionsform zu sein, um diesen Wald zu erhalten.

Außerdem wurden die Zuhörenden darüber informiert, dass Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht wird. Von der Firma Oetelshoven und den politischen verantwortlichen Stellen werde erwartet, dass wenigstens diese Entscheidung vor Aufnahme der Rodungsarbeiten noch abgewartet wird.

Während der Auftaktkundgebung wurde auch Geld für Aktivist*innen des Osterholzes gesammelt, die von Repression betroffen sind. Hintergrund ist, dass im Rahmen der Osterholz-Bleibt Demo am 12. Juni in der Innenstadt von Wuppertal mehrere Demonstrierende polizeilich kontrolliert wurden, die der Waldbesetzung zugerechnet wurden. Drei Personen sind damals sogar zeitweise in Gewahrsam genommen worden, mit dem Vorwürfen, gegen Corona-Auflagen verstoßen zu haben, aber auch, dass sie sich vermummt hätten.

Anschließend zog der Demonstrationszug ins 3 km entfernte Osterholz. Der Waldspaziergang endete in der Nähe der Besetzung und wurde mit zwei grünen Rauchfackeln willkommen geheißen. In ihrer Rede ging die Ortsgruppe Fridays for Future Wuppertal auf das von der Stadt Wuppertal im Auftrag gegebene Klimagutachten des Deutschen Wetterdienstes ein. Der Temperaturanstieg beträgt demnach seit 1961 bereits 1.4 Grad. Die Auswirkungen seien nicht abstrakter Natur. Schon jetzt weiche das heutige Erleben der jüngeren Generation erheblich von Erzählungen der Eltern ab, für die extreme Hitzetage noch Ausnahmeerscheinung waren. Was die menschengemachte Klimakatastrophe global bedeutet, ist längst wissenschaftlich untermauert.

Die Ortsgruppe Wuppertal von Scientist for Future ging ergänzend auf die Bedeutung kleiner Waldflächen für das Klima einer Stadt wie Wuppertal hervor, die kühlend wirkem. Währenddessen die bestehenden Gruben und Halden Hitzeinseln sind. (siehe auch ihre aktuelle Veröffentlichung dazu.

Ein Mitglied der Armin T. Wegner Gesellschaft, stellte nicht nur fest, dass der 1886 in Elberfeld geborene, pazifistische Schriftsteller und Mitbegründer des „Bundes der Kriegsdienstgegner" (Organisation von radikalen Kriegsdienstverweiger*innen) bereits zu seiner Zeit die schlimmen Auswirkungen des Raubbaus an der Natur vorausgesehen hat und konnte das mit einigen Textzeilen belegen. In der Rede wurde auch betont, dass der Protest inzwischen international angekommen ist, weil sich z.B. auch die us-amerikanische Schwestergesellschaft dafür interessiere. Dass der Kampf um das Osterholz längst überregionale Bedeutung hat, lässt sich auch anhand zahlreicher Informationstexte über den Kampf um den Erhalt des Osterholzes auf verschiedenen anarchistischen und libertären Internetseiten wie A las barricadas, Contra Madriz, Squat.net, Indymedia Netherlands, Indymedia Athens, Anarchist News, Crime Think oder auch It´s going down belegen. Wie auch die anarchistischen Besetzer*innen selbst immer regelmäßig ihre Solidarität mit ähnlichen globalen direkten Aktionsfomen ausdrücken.

Erwähnt werden sollte auch, dass die Gruppe Lebenslaute im Wald auch ein selbst getextes Lied für „Ella“ vorgetragen hat, die sich seit dem 26.11.2020 in Haft befindet. Sie hatte mit vielen anderen gegen die Rodung des Dannenröder Waldes protestiert, der einer Autobahn weichen sollte. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass eine Räumung immer auch neue Fälle von Repression bedeutet, die Soldiaritätsarbeit erforderlich macht. Das Video zum Beitrag wurde auf kolektiva.media hochgeladen.

Der Waldpädagoge, der im Hambacher Wald und den gefährdeten Dörfern die Waldspaziergänge organisiert, wies gegen Ende noch einmal auf die Hoffnung hin, dass es in der letzten Zeit auch immer Grund zum Feiern von Erfolgen gegeben hätte. Die Möglichkeit, dass das schöne Osterholz, für das sich inzwischen so erfreulich viele einsetzen, erhalten bleibt, bestehe immer noch.

Ein Teil des Waldspaziergangs stattete der Waldbesetzung noch einen Besuch ab. Dabei unterstützen sie auch aktiv die laufende Vorbereitungsarbeiten auf die zu befürchtende Räumung der Strukturen und der Rodungen im Anschluss.

Bei Interesse kann sich auf folgenden Seiten über die aktuelle Entwicklung informiert werden:

https://jederbaumzaehlt.noblogs.org/
https://osterholzbleibt.org/
https://enough-is-enough14.org/

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