Fight Fortress Europe! Die Empörung über eine einzelne Aussage eines rassistischen Poltikers reicht nicht aus...

veröffentlicht am 13. Februar 2023

In den letzten Tagen ging ein Raunen durch Österreichs Zivilgesellschaft, alle waren empört. Der niederösterreichische Landesrat Gottfried Waldhäusl hatte öffentlich vor laufender Kamera mehrere Schüler*innen rassistisch beleidigt. Sinngemäß hatte der FPÖ-Politiker, der in NÖ für die Themen Asyl und Migration zuständig ist, den Schüler*innen gegenüber ausgedrückt, dass Wien ohne sie noch das „richtige“ Wien sei. Zurecht gingen die Wogen hoch, war der „Waldhäusl-Sager“ doch menschenverachtend und ekelhaft sondergleichen. Entwickelt hat sich daraus eine breite zivilgesellschaftliche Bewegung, die für „Wien bleibt Wien“ und „Wien sind wir alle“ auf die Straße geht. Am Montagabend waren es mehrere hundert Personen, die sich am Reumannplatz in Favoriten versammelten und kollektiv eine Absage gegenüber Waldhäusls erneutem Einzug in den niederösterreichischen Landtag verlangten und forderten.

Dieses Momentum von einem scheinbar kollektiven Aufstehen gegenüber rassistischen Äußerungen und politischen Inhalten in Zeiten von akuten Vorfällen ist nicht neu. Ähnliches konnten wir beispielsweise nach dem islamistischen Terroranschlag in Wien im November 2020 vernehmen. So sehr wir uns über das plötzliche Engagement freuen, müssen wir dennoch darauf hinweisen, dass dieses Aufbäumen, welches wir gerade beobachten können, weder nachhaltig noch besonders tiefgehend ist. Es ist ein leichtes, Waldhäusl für seine Aussagen zu kritisieren – liegt es doch auf der Hand, was für ein rassistisches und gschissenes Oarschloch er ist. Die Reaktionen darauf – nämlich beispielsweise die angegriffenen Schüler*innen ins Parlament einzuladen, wie das die Grünen getan haben – sind allerdings bei weitem nicht so antirassistisch wie man* glauben möchte. Schließlich werden doch im Parlament -auch unter Duldung und Zustimmung der Grünen und der SPÖ- sämtliche Entscheidungen einer rassistischen und tödlichen Grenzpolitik getroffen. Und wenn selbst die Volkspartei sich einem überparteilichen Bündnis gegen Rassismus anschließt, bleibt uns leider nichts übrig als müde zu lächeln. Wir kennen die Haltung der ÖVP gegenüber Migrant*innen in Wien und Österreich – seit den letzten Jahren schlägt sie die FPÖ regelmäßig um Wellenlängen wenn es um die Hetze gegen rassifizierte und marginalisierte Personengruppen geht.

Die Schockiertheit, mit der die Zivilgesellschaft Österreichs gerade auf die Aussagen Waldhäusls reagiert, kommt bei weitem zu spät und die Befürchtung, dass die Geschehnisse in einigen Tagen bereits wieder in Vergessenheit geraten sein werden, ist naheliegend. Waldhäusl fiel bereits vor einigen Jahren auf, als er seinen Kurs gegen Geflüchtete in Niederösterreich drastisch verschärfte und in Zusammenhang damit auch der Begriff der „konzentrierten Haltung“ von Geflüchteten fiel.(1) Dies hatte ihn jedoch nicht an einer weiteren politischen Karriere gehindert.
In Wien leben zur Zeit mehrere migrantische Personen unter prekärsten Bedingungen in mehreren Häusern der Immobilienfirma Pecado. Erst vor wenigen Wochen wurde Menschen in einem Haus am Gaudenzdorfer Gürtel der Strom abgedreht, sodass sie bei eisigen Temperaturen in nicht heizbaren Wohnungen hausen müssen.
Asylwerber*innen dürfen seit Anfang Jänner 2023 jetzt zwar offiziell lohnarbeiten,jedoch muss der potentielle Arbeitgeber beim AMS um eine Arbeitsgenehmigung ansuchen und das Gesetz sieht vor, dass Personen mit österreichischer Staatsbürger*innenschaft den Vortritt bekommen, was dazu führt, dass Asylwerber*innen immer wieder abgelehnt werden – selbst für Jobs, die seit Monaten unbesetzt sind. Schlussendlich bleiben Menschen damit – wenn überhaupt – einzig und allein für den kapitalistischen Arbeitsmarkt verwertbar. In so vielen Bereichen aber bleiben Personen, die migrantisch gelesen werden, benachteiligt: Sei es die Wohnungssuche, Arbeitssuche, Ausbildungsplätze, Möglichkeiten zur politischen Partizipation, etc.
Menschen werden aufgrund phänotypischer Merkmale in der Öffentlichkeit genauso wie in privaten Räumlichkeiten angefeindet. Und auch das ist Rassismus und muss als eben dieser benannt werden.

Die österreichische Gesellschaft ist rassistisch. In der EU und anderen Organisationen tut sich besonders Österreich immerzu hervor menschenfeindliche Politik weiter und weiter zu verstärken. Die Aussagen wie jene von Waldhäusl sind ebenfalls nicht neu. Und dennoch ächzt die bürgerliche Mitte unter der moralischen Last mit diesem Image der rassistischen Politiker leben zu müssen. Der Gedanke den eigenen Rassismus zu reflektieren, ist dabei jedoch noch meilenweit entfernt.
Wir freuen uns, dass so viele Menschen sich gerade um Konsequenzen für Waldhäusls Aussgaen bemühen. Aber wir wollen nicht unbenannt lassen, dass es mehr braucht. Es bedarf tiefergehender Veränderungen in der österreichischen Politik und Gesellschaft.

Auch Rechtsextreme rund um die „Identitäre Bewegung“ nützen die derzeitige Diskussion und versuchen ihre Positionen, die jenen der FPÖ entsprechen, in die Öffentlichkeit zu tragen. Mit ihren rassistischen Aktionen bei der Schule des Gymnaiums Laaerstraße und dem Amalienbad wollen sie Öffentlichkeit für ihre rassistischrn Positionen generieren. Die empörte Zivilgesellschaft und Medien tun ihnen oft noch einen Gefallen: sie veröffentlichen und teilen ihre rassistischen Aktion. Wir sagen: Hört auf bloß empört zu sein, geht dort hin wo diese Aktionen geplant und organisiert werden. Es ist lange bekannt -durch die Recherche von Antifaschist*innen und durch Sichtbarmachung durch antifaschistische Demonstrationen-, dass die Faschist*innen der „Identitären Bewegung“ eben solche Aktionen in ihrem Keller in der Ramperstorffergasse 31, 1050 Wien planen und organisieren. Dort dürfen sie keine Ruhe haben! Ihre rassitischen Taten erfordern handfeste antifaschistische Intervention!

Faschist*innen dürfen keine Ruhe haben! Die Festung Europa muss fallen! Noch immer sterben Menschen an den Außengrenzen Europas, tagtäglich finden Pushbacks statt, noch immer harren Menschen in völlig unwürdigen Verhältnissen in Zelten aus. Die Empörung über eine einzelne Aussage eines rassistischen Poltikers eben reicht nicht aus…

(1) https://www.sueddeutsche.de/politik/fpoe-oesterreich-waldhaeusl-1.4235420

Weiterlesen

zum Thema Anti-Rassismus:

zum Thema Anti-Faschismus: