Gruppe „Linkswende“ und Geschlechterverhältnis – Teil II der Kritik

veröffentlicht am 17. Juni 2022

Kürzlich wurde eine Kritik an den geschlechter-politischen Positionen der deutschen Gruppe Marx21 veröffentlicht. Marx21 gehört zur International Socialist Tendency (IST). In diesem Kontext wurde in Teil I des hiesigen Textes der Artikel der österreichi­schen Gruppe Linkswende, die ebenfalls der IST affiliiert ist, Identitätspolitik und Klassenpolitik vom 17. Juni 2019 kritisch diskutiert. Hier nun die Fortsetzung zu zwei weiteren Linkswende-Artikeln.


Gliederung:

Marxismus und Feminismus: Eine „unglückliche“ Beziehung?

  • Der junge Marx und der utopische Sozialist Fourier: Frauen als bloßes Symbol für die „allgemeinen Emanzipation“
  • Die linkswenderische Karikatur von Feminismus
  • Gruppe Linkswende: ‚Frauen sollen an der Seite von Männern kämpfen‘

Frauenbefreiung: Die sozialistische Strategie

  • Was sind „soziale Kämpfe“? Und sind feministische Kämpfe keine „sozialen Kämpfe“?
  • Die Gruppe Linkswende vertritt eine subjektiv-intentionalistische Gesellschaftsanalyse
  • Die frühe Sowjetunion
  • Schimäre „Mittelstandsfeminismus“
  • Gruppe Linkswende entdeckt: Männer haben keine Vorteile durch das patriarchale Geschlechterverhältnis
  • Die Einführung des Frauenwahlrechts war kein Geschenk der „Arbeiter_innen“ an die Frauen
  • Eine sozialistische Übergangsgesellschaft ist weder Garantie noch Vorbedingung für eine Überwindung des patriarchalen Geschlechterverhältnisses

Marxismus und Feminismus: Eine „unglückliche“ Beziehung?

Der 2015 auf der Linkswende-Webseite erschienene Artikel Marxismus und Feminismus: Eine „unglückliche“ Beziehung? enthält seinen LeserInnen vor, daß der Titel des Artikels auf den Titel eines anderen Aufsatzes, der bereits bereits 1979 erschienen war, anspielt – dieser ältere Artikel

• stammt von der us-amerikanischen feministischen Ökonomin Heidi Hartmann,

• trug den Titel The Unhappy Marriage of Marxism and Feminism: Towards a more Progressive Union,

• erschien 1979 zuerst in Heft 3/79 der Zeitschrift Capital & Class (https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/030981687900800102),

• wurde dann 1981 in dem von Lydia Sargent herausgegebenen Band Women and revolution: a discussion of the unhappy marriage of Marxism and Femin­ism (South End Press: Boston, Ms., 1981) nachgedruckt

und

• 1983 auch in deutscher Übersetzung veröffentlicht (Frauen und Revolution, Verlag Freunde der Erde: [West]berlin) (OBV, dt. Bibilioteksverbünde).

Der SDS Leipzig erstellte 2011 ein dreiteiliges Digitalisat der deutschen Übersetzung: Teil I (S. 29 - 43), Teil II (S. 44 - 63) und Teil III (S. 64 - 78). [1]

Indem die Gruppe Linkswende den Aufsatz Heidi Hartmanns verschweigt, erspart sie sich, sich mit den dort vorgebrachten Argumenten (s. den kommenden Teil III der hie­sigen Artikel-Serie) auseinanderzusetzen.

Der junge Marx und der utopische Sozialist Fourier: Frauen als bloßes Symbol für die „allgemeinen Emanzipation“

Der Linkswende-Artikel von 2015 bezieht sich zunächst auf den jungen Marx, der sich in der Heiligen Familie (zusammen mit Friedrichs Engels) der These Charles Fouriers anschloß, dass „der Grad der weiblichen Emanzipation“ das „natürliche Maß der allgemeinen Emanzipation“ sei (MEW 2 [2], 2 - 223 [208]). Die Gruppe Linkswende schlußfolgert: „Gemessen an diesem Maßstab wird klar, wie weit uns die Unterdrückung der Frauen im modernen Kapitalismus von dieser ‚allgemeinen Befreiung‘ trennt.“

Diese These Fouriers war freilich weder materialistisch noch feministisch:

„Frauen kommen in diesem Ansatz – trotz aller ‚utopisch-moralischen Ermahnungen‘ nur als ‚Symbol‘, als eine ‚Andeutung oder Ableitung von etwas anderem‘ (Mitchell 1966-71 [3], 73 f.; ähnlich auch: Balibar/Labica 1984 [4], 373) – nämlich als Symbol des menschlichen Fortschritts insgesamt (‚Maß der allgemeinen Emanzipation‘) – vor: […]. Diese philosophische Spekulation war weder einer analytischen Konkretisierung zugänglich, noch ließ sich aus ihr eine Strategie ableiten (vgl. Mitchell 1966-71, 96 f.); vielmehr reproduzierte sie das Klischee von weiblicher Schwäche und männlicher Stärke und rief zu gönnerhafter Großzügigkeit/Gnade der starken Männer den schwa­chen Frauen gegenüber auf (‚Sieg der Menschlichkeit über die Brutalität’).“ [5]

Die linkswenderische Karikatur von Feminismus

Die Gruppe Linkswende stellte die im Feminismus „dominierende Vorstellung“ wie folgt dar: „sozialistische oder marxistische Politik“ genüge nicht, „um Unterdrückung zu erklären oder zu untersuchen. Viele sozialistische Feministinnen vertreten statt­dessen die Ansicht, dass es auf der einen Seite Ausbeutung gäbe, und dass auf der anderen etwas anderes, für gewöhnlich das Patriarchat, die Unterdrückung erzeugt.“

Tatsächlich lautet die feministische Auffassung:

• Das patriarchale Geschlechterverhältnis sei nicht nur psychische oder kulturel­le „Unterdrückung“ [6], vielmehr sei es – v.a. in Form von geschlechts-hierarchi­scher Arbeitsteilung, sexueller/sexualisierter Gewalt und Frauenlohndiskrimi­nierung – nicht weniger materiell [7] als die Klassenverhältnisse. [8]

• Ausbeutung finde nicht nur in den Klassenverhältnissen, sondern auch zwi­schen Männern und Frauen statt. Weibliche Hausarbeit wird nicht vom Kapital, sondern von Männern konsumiert: [9]

Frigga Haug [10]: Die „Männer [sind] auch Nutznießer der Frauenunterdrückung […] (in einem männlichen Lebensplan kommt z.B. die Aufgabe der Kindererziehung als Lebenszeit in der Regel auch dann nicht vor, wenn ein Mann Kinder haben will)“.

Karen Offen [11]: „the concept of feminism […] can be said to encompass both a sys­tem of ideas and a movement for sociopolitical change based on a refusal of male privilege and women’s subordination within any given society.“ / „Das Konzept ‚Fe­minismus’ umfaßt sowohl ein System von Ideen als auch eine Bewegung für sozio­politischen Wandel, die auf der Zurückweisung männlicher Privilegien und der Un­terordnung von Frauen beruht.

Christine Delphy [12]: „It is not because capitalism buys and exploits the labor power of the husband that, at the same stroke, it exploits the wife. That’s absolutely wrong. Obviously, she is exploited by her relations of production, not by those of her hus­band.“ /

„Der Umstand, daß der Kapitalismus [besser: das Kapital] die Arbeitskraft des Man­nes kauft und ausbeutet, bedeutet nicht zugleich, daß der Kapitalismus [besser: das Kapital] zugleich auch die Ehefrau ausbeutet. Das ist total falsch. Offensichtlich wird die Ehefrau durch ihre Produktionsverhältnisse, nicht durch die ihres Mannes aus­gebeutet [besser: Die Art der Ausbeutung der Ehefrau, wird nicht durch die Produkti­onsverhältnisse, in denen ihr Ehemann arbeitet, sondern durch die Produktionsver­hältnisse, in denen sie selbst arbeitet, definiert.].“

Gruppe Linkswende: ‚Frauen sollen an der Seite von Männern kämpfen‘

Die Gruppe Linkswende bietet Frauen folgende Perspektive an:

„Hier, an der Seite der Männer, können Frauen wirksam aktiv werden; sind sie nicht nur Opfer[,] sondern Klassenkämpferinnen.“

„Sie [Unsere <d.h.: die sozialistische> Tradition] hat aber auch eine Vision einer sehr anderen Gesellschaft, einer sozialistischen Gesellschaft, in der die Emanzipation der Frau ein Teil der Emanzipation der gesamten Menschheit ist.“

Die Gruppe sagt zwar auch:

„Letztendlich brauchen wir, um Frauenunterdrückung zu beseitigen, revolutionären Wandel.“

Aber die Gruppe Linkswende verkennt, daß es für einer Überwindung der patriarcha­len Geschlechterverhältnisses einer feministischen Revolution bedarf; sie verkennt, daß eine sozialistische Revolution nicht notwendigerweise feministisch ist [13]:

„[...] genau wie am Ende einer sozialistischen Revolution nicht nur die Abschaffung der ökonomischen Klassenprivilegien, sondern die Aufhebung der Klassenunterschie­de selbst steht, so muß die feministische Revolution, im Gegensatz zur ersten femi­nistischen Bewegung [am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts], nicht ein­fach auf die Beseitigung der männlichen Privilegien, sondern der Geschlechtsunter­schiede selbst zielen: genitale Unterschiede zwischen den Geschlechtern hätten dann keine gesellschaftliche Bedeutung mehr. (Das bedeutet die Rückkehr zu einer ungehinderten Pansexualität […], und würde dann wahrscheinlich Hetero-Homo-Bise­xualität ersetzen.)“ [14]

Vor allem verkennt die Gruppe Linkswende, daß das patriarchale Geschlechterver­hältnis nicht beseitigt werden wird,

• wenn Frauen darauf verpflichtet werden, sich an die „Seite der Männer“ zu stel­len; wenn Frauen nur dann als Kämpferinnen (statt Opfer) gesehen werden, wenn sie Klassenkämpferinnen sind – und nicht auch dann, wenn sie für femi­nistische Interessen und gegen männliche Beharrungsinteressen [15] kämpfen
und
• „die Emanzipation der Frau“ zu einem Nebeneffekt der Errichtung einer „sozia­listischen Gesellschaft“ erklärt wird. Da die kapitalistische Produktionsweise nicht die Ursache des patriarchalen Geschlechterverhältnisses ist,
◦ setzt eine Überwindung des patriarchalen Geschlechterverhältnisses keine Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise voraus
und
◦ ist eine Überwindung des patriarchalen Geschlechterverhältnisses auch nicht logisch-begrifflich in eine Überwindung der kapitalistischen Produkti­onsweise eingeschlossen.
Dies hatte Heidi Hartmann schon 1979 dargelegt: „da das Kapital und das Privateigentum nicht die Ursache der Unterdrückung [16] der Frauen als Frau­en sind, wird ihr Ende auch nicht das Ende von Frauenunterdrückung brin­gen.“ [17]
Der Linkswende-Artikel erwidert darauf nicht, obwohl er – wie bereits ge­sagt – auf den Titel des Hartmann-Aufsatzes von 1979 anspielt… Wie soll dies anders als intellektuell unredlich genannt werden?!

Frauenbefreiung: Die sozialistische Strategie

Was sind „soziale Kämpfe“? Und sind feministische Kämpfe keine „sozialen Kämpfe“?

Der dritte Artikel, der besprochen werden soll, beginnt mit der These, „dass die ernst­hafte Bekämpfung von Sexismus mit sozialen Kämpfen verbunden sein muss“.

„Sozial“ kann in dieser These zweierlei bedeuten: Zum einen „gesellschaftlich“ und zum anderen so etwas ähnliches wie „sozialpolitisch“ (dann hieße „soziale Kämpfe“: Kämpfe um ‚soziale Gerechtigkeit‘).

In beiden Lesarten ist die Formulierung, die „Bekämpfung von Sexismus“ müsse „mit sozialen Kämpfen verbunden sein“, schief bzw. geht ins Leere:

• Feministische Kämpfe sind gesellschaftliche Kämpfe; sie müssen nicht erst mit gesellschaftlichen Kämpfen verbunden werden.

• Im übrigen waren auch „soziale“ Anliegen im zweiten Sinne, wie Frauenlohn­diskriminierung und geschlechtshierarchische Arbeitsteilung, Themen der zwei­ten Welle der Frauenbewegung und sind Themen aktueller Intersektionalitäts­debatte [18]. Der Streitpunkt zwischen Feministinnen (einige ‚QueerfeministInnen‘ vielleicht ausgenommen) und MarxistInnen betrifft nicht die Relevanz solcher Themen, sondern die Frage, worin die Ursachen von Frauenlohndiskriminie­rung und geschlechtshierarchische Arbeitsteilung liegen und was daher geeig­nete Strategien zu deren Überwindung sind.

Die Gruppe Linkswende vertritt eine subjektiv-intentionalistische Gesellschaftsanalyse

Zwar wird die biologistische These,

„Der Mann – als ‚triebgesteuertes Wesen‘ – könne da ja gar nicht anders [als das se­xuelle Selbstbestimmungsrecht von Frauen verletzten].“

von der Gruppe Linkswende zurückwiesen und dieser die Anti-These entgegenge­setzt,

„Genauso wie andere Arten der Unterdrückung – wie etwa Rassismus – gibt es Se­xismus aber nicht, ‚weil die Menschen nun mal so denken und immer so denken wer­den‘, sondern er wird von den gesellschaftlichen Verhältnissen erzeugt und reprodu­ziert, […].“

So weit, so korrekt. – Es folgt dann allerdings noch folgender Halbsatz:

„um damit die Ausgrenzung bestimmter Gruppen zu rechtfertigen und so die Arbeiter_innenklasse zu spalten“.

Damit sind wir nun also ganz deutlich nicht nur bei einer funktionalistisch Erklärung des patriarchalen Geschlechterverhältnisses, sondern die Gefahr einer „conspirat­orial“ Erklärung von gesellschaftlicher Verhältnisse, vor der Michèle Barrett [19] im Zu­sammenhang mit funktionalistischen Erklärungsansätzen warnte (siehe dazu bereits Teil I meiner Kritik an den geschlechterpolitischen Positionen der Gruppe Linkswen­de), hat sich realisiert.

Das ist eine nicht nur klassenreduktionistische, sondern auch subjektivistisch-intentio­nalistische („erzeugt […], […] um zu spalten“ [meine Hv.]) Erklärung historisch-gesell­schaftlicher Prozesse und Verhältnisse. Welcher Generalstab des Kapitals soll sich wann und wo den Sexismus ausgedacht und in die Gesellschaft eingepflanzt haben? Und welche Mittel soll er angewandt haben, um die Einpflanzung durchzuführen?

Der Linkswende-Artikel zitiert dann den Marx-Satz, „Die herrschenden Ideen einer Zeit sind stets die Ideen der Herrschenden“, aber ignoriert, daß die Herrschenden im Geschlechterverhältnis nicht die KapitalistInnen (Männer wie Frauen), sondern die (Cis-)Männer sind.

Allerdings war es auch auch keine männliche Verschwörung, die das Patriarchat ‚ein­geführt‘ hat, sondern gesellschaftliche Verhältnisse bilden sich in historischen Prozes­sen heraus.

In dem Linkswende-Artikel geht es dagegen wie folgt weiter:

„Die Herrschenden sind daran interessiert, den Status quo beizubehalten. Und dazu gehört auch das Aufrechterhalten der ‚traditionellen‘ Geschlechterrollen, was umge­kehrt wieder die herrschende Ordnung stabilisiert.“

Die Bedeutung der Absicht (des Interesses) wird wiederum überschätzt – und die Wandelbarkeit der Geschlechter‚rollen‘ – bei fortbestehendem patriarchalem Ge­schlechterverhältnis unterschätzt.

Unmittelbar im Anschluß an die gerade zitierte Passage findet dann aber ein Sprung vom Interesse (also dem Subjektiven bzw. dem Bewußtsein), zum Sein statt:

„Marx schreibt: ‚Nicht das Bewusstsein bestimmt das Leben, sondern das Leben be­stimmt das Bewusstsein.‘ Die materiellen Verhältnisse, in denen wir leben, beeinflus­sen also unser Denken.“

Die materiellen Verhältnisse werden dann aber an dieser Stelle nicht einmal auf die kapitalistischen Klassenverhältnisse, sondern sogar bloß auf den Neoliberalismus re­duziert:

„Deshalb kommt es, wenn wir Frauenunterdrückung von der Wurzel weg bekämpfen wollen, darauf an, die materiellen Bedingungen grundlegend zu ändern. Wesentlich sind hier die sozialen Voraussetzungen; ob 12-Stunden-Tag, Kürzung der Familien­beihilfe oder Anheben des Pensionsalters: all die neoliberalen Maßnahmen des Sozia­labbaus betreffen vor allem Frauen.“

Anschließend werden einige Symptome des patriarchalen Geschlechterverhältnisses aufgezählt (z.B.: „Frauen werden immer noch als die Verantwortlichen für Haushalt und Kinderbetreuung gesehen.“). Aber es wird wiederum nicht erklärt, warum und in­wiefern dafür der Kapitalismus im allgemeinen oder der Neoliberalismus im speziellen verantwortlich sein soll.
Das Kapital ist nur darauf angewiesen, daß die Arbeitskraft überhaupt reprodu­ziert wird, aber nicht darauf, daß dies gerade durch Frauen passiert. – Das Kapi­tal ist nicht einmal darauf angewiesen, daß dies durch unentlohnte Arbeit erfolgt, viel­mehr ist die Tendenz im Neoliberalismus ja gerade eine stärkere Kommerzialisierung (Lieferservices; Haushaltshilfen [20]).

Sodann gibt es in dem Text einen Abschnitt mit der Überschrift „Doppelte Unterdrü­ckung“ – aber Männer als ‚Unterdrücker‘ (Herrschende im Geschlechterverhältnis) kommen wiederum nicht vor. Statt dessen wird behauptet: „Der Kampf um Frauenbe­freiung muss antikapitalistisch sein, um Sexismus endgültig zu beseitigen, […]. Frau­enunterdrückung betrifft die gesamte Bevölkerung, kein vernünftiger Mann wird sich darüber freuen, dass seine Frau weniger verdient.“ [21]

Dies unterstellt den Männer-Lohn als Standard-Lohn; das ist aber Quatsch: Denn das, was die Lohnabhängigen in einer bestimmten historischen Situation / bei einem bestimmten Kräfteverhältnis durchsetzen können, ist – wie schon im ersten Teil dieser Kritik an den Linkswende-Positionen gesagt – die jeweilige Lohnsumme aller Be­schäftigten. Damit ist aber noch nichts über die Verteilung dieser Lohnsumme auf Männer und Frauen gesagt; auch wenn es den Lohnabhängigen gelingt, eine höhere Lohnsumme durchzusetzen, ist alles andere als garantiert, daß der Zuwachs genutzt wird, um den Unterschied zwischen Frauen und Männern auszugleichen. Vielmehr ist die übliche gewerkschaftliche Praxis, – wie ebenfalls bereits im ersten Teil gesagt – prozentuale Lohnerhöhungen durchzusetzen. Das heißt: Auch bei einer höheren Lohnsumme bleibt der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen erhalten. – Die Schuld dafür kann nicht dem Kapital in die Schuhe geschoben werden, sondern die Ursache dafür liegt im patriarchalen Geschlechterverhältnis unter den Lohnabhän­gigen / am Sexismus der Gewerkschaften [22].

Im vorletzten Abschnitt spricht der Artikel dann das Thema „Reproduktionsarbeit“ an:

„Die Produktion im Kapitalismus basiert auf der Ausbeutung von Arbeiter_innen. Dazu gehört auch die Reproduktion, also die ständige Erneuerung und Erhaltung der Ware Arbeitskraft durch Geburten, Erziehung, Pflege und Versorgung. Diese Arbeit in die Familie zu verlagern, ist für die Herrschenden einerseits billig, andererseits erhält es auch die traditionelle Rollenverteilung aufrecht, da die Frau ‚an den Herd‘ gebunden ist.“

Auch dies ist aber Quatsch – wie bereits im ersten Teil dieser Kritik an den Linkswende-Positionen gesagt –: Es ist weder von der Gruppe Linkswende dargetan noch ansonsten ersichtlich, warum es für das Kapital „billig“ sein soll, überwiegend Frauen die Haus- und insbesondere Erziehungsarbeit aufzuhalsen und – damit Frau­en dafür freigestellt werden können – Männern im Gegenzug ‚Familienlöhne‘ zu zah­len, von denen ein Teil in den Unterhalt von Frauen fließt.

Die frühe Sowjetunion

Sodann heißt es in dem Linkswende-Artikel:

„Eine soziale Revolution kann die überholten Strukturen der Kleinfamilie aufbrechen und somit auch die doppelte Ausbeutung der Frau beenden. So geschah es in der Russischen Revolution, in der Frauen eine führende Rolle spielten. Der russische Re­volutionär Leo Trotzki schrieb: ‚Die Revolution machte einen heroischen Versuch, den sogenannten ‚Familienherd‘ zu zerstören, das heißt jene archaische, muffige und starre Einrichtung, in der die Frau der werktätigen Klassen von der Kindheit bis zum Tode wahre Zwangsarbeit leisten muss.‘“

In Wirklichkeit zeigen die Oktoberrevolution bzw. die frühe Sowjetunion (von der Sta­lin-Zeit gar nicht erst zu reden), daß eine bloße ‚Vergesellschaftung‘ der Hausarbeit nicht ausreichend ist, um die sog. „doppelte Ausbeutung“ von Frauen zu beenden [23]. Denn nach der Konzeption sowohl von Trotzki als auch Kollontai als auch Lenin sollte es bei der Zuständigkeit von Frauen für die vormals privaten und nunmehr (teilweise) vergesellschaften Arbeiten bleiben [24]:

Trotzki war der Auffassung,

„selbst die kühnste Revolution könnte ebensowenig wie das ‚allmächtige’ britische Parlament die Frau in einen Mann umwandeln oder, besser gesagt, die Last der Schwangerschaft, des Gebärens, des Stillens und der Kindererziehung zu gleichen Teilen zwischen beiden aufteilen.“ [25]

Nun kann Trotzki kaum vorgeworfen werden, daß er Mitte der 1930er noch nicht den heutigen Erkenntnis- und Meinungsstand bzgl. Trans- und Intersexualität hatte – aber der Schluß von der „Schwangerschaft, d[a]s Gebären [und] d[a]s Stillen“ auf die Kin­dererziehung, war schon damals ein Fehlschluß; ein Fehlschluß der als biologistisch hätte erkannt werden können. (Das von mir angeführte Trotzki-Zitat befindet sich im übrigen unmittelbar vor dem in dem Linkswende-Artikel angeführten Trotzki-Satz… Aber der Gruppe Linkswende ist Trotzkis Fehlschluß nicht aufgefallen, oder sie hält ihn nicht für erwähnenswert…)

Lenin seinerseits schrieb:

„Eine solche Miliz [die von ihm vorgeschlagene „Volksmiliz“] würde jene Funktionen entwickeln, die – um es gelehrt auszudrücken – in das Gebiet der ‚Wohlfahrtspolizei‘, der sanitären Kontrolle usw. gehören, und würde alle erwachsenen Frauen zu sol­chen Funktionen heranziehen.“ (LW 23 [26], 309 - 347 [343] – Briefe aus der Ferne [27]; meine Hv.)

1919 in einer Rede (bei der Konferenz der parteilosen Arbeiterinnen der Stadt Mos­kau) mit dem bezeichnenden Titel Über die Aufgaben der proletarischen Frauenbewegung in der Sowjetrepublik (ein Cis-Mann definiert die Aufgaben einer „Frauenbewegung“…) sagte Lenin:

„Wir schaffen mustergültige Einrichtungen, Speisehäuser, Kinderkrippen, die die Frau von der Hauswirtschaft befreien sollen. Und die Schaffung dieser Einrichtungen ist eine Arbeit, die hauptsächlich von den Frauen zu leisten ist.“ (LW 30 [28], 23 - 29 [27])

Etwas später in der gleichen Rede sagte Lenin:

„Die Frauen müssen sich an alledem aktiv beteiligen, damit die Rote Armee sieht, daß man sich um sie kümmert, daß man für sie sorgt. Die Frauen können sich ferner auf dem Gebiet der Versorgung betätigen, bei der Verteilung der Lebensmittel, bei der Verbesserung der Massenspeisung, beim Ausbau von Speisehäusern, wie sie jetzt in Petrograd in großer Zahl eingerichtet worden sind.“ (LW 30 [29], 28; meine Hv.)

Und selbst Alexandra Kollontai [30] schrieb:

„Unsere eigenen Erfahrungen seit der Oktoberrevolution beweisen, daß diese Ar­beitsteilung zwischen den Geschlechtern, wie sie aufgrund der Erfahrungen des ge­samten Proletariats und des gesunden Menschenverstandes zustande gekommen sind, richtig war. Denn gerade, weil die Frauen auf den Gebieten mitarbeiteten, mit deren Problemen sie besonders vertraut waren – die öffentlichen Volkskantinen, die staatlichen Mütter- und Säuglingseinrichtungen – konnten sie ihre Arbeitskraft bei der Lösung der dringendsten Wiederaufbauarbeiten erfolgreich einbringen und haben so der gesamten Sowjetrepublik geholfen. […] Eine vernünftige Planung in Sowjetruß­land muß gerade im Gegenteil die seelischen und körperlichen Eigenschaften der Frauen berücksichtigen und die unterschiedlichen Arbeitsaufgaben zwischen den Ge­schlechtern so aufteilen, daß die Planung den gemeinsamen Zielen des Kollektivs am besten dient. Denn unsere Arbeiterinnen und Bäuerinnen können in der Periode der Diktatur des Proletariats nicht für die Gleichberechtigung als solche kämpfen, son­dern müssen dafür eintreten, daß die weibliche Arbeitskraft zweckmäßig eingesetzt wird und daß der Mutterschutz garantiert wird.

Eine Seite zuvor naturalisierte Kollontai diese Art der Arbeitsteilung:

„Es entstand eine natürliche Arbeitsteilung. Die werktätigen Frauen arbeiteten vorwie­gend in den gesellschaftlichen Sektoren, die ihnen traditionell nahestanden und mit deren Problemstellungen sie vertraut waren: So z.B. dem Problem der Mutterschaft oder dem allgemeinen Hausarbeiten“. [31]

Zwei Seiten weiter schrieb Kollontai dann:

„die Frauen arbeiten Seite an Seite mit den Männern und schenken der Gesellschaft darüberhinaus noch neue Mitbürger und Arbeitskräfte.“ [32]

Dagegen ist einzuwenden:
Entweder sind „neue Mitbürger und Arbeitskräfte“ etwas zum Vorteil „der Ge­sellschaft“; dann ist es falsch, die ‚Zusatzleistung‘ [33] Schwangerschaft und Ge­bären als ‚Geschenk‘ von Frauen an ‚die Gesellschaft‘ zu konzeptionieren, son­dern dann sollte dem eine gesellschaftliche Gegenleistung gegenüberstehen.
oder es ist falsch „neue Mitbürger und Arbeitskräfte“ überhaupt unter dem Ge­sichtspunkt ihrer Nützlichkeit für ‚die Gesellschaft‘ / bevölkerungspolitischer Ziele zu bewerten und so die generative Reproduktion „der Gesellschaft“ ge­genüber dem Willen oder Nicht-Willen von Frauen zur generativen Reprodukti­on zu hypotasieren (zu verselbständigen).

Eine solche Hypostasierung – dort nicht „der Gesellschaft“, sondern des Proletariats – zeigt sich bereits am Anfang des Kollontai-Kapitals [34], aus dem bereits die vorherge­henden Zitate stammen:

„Da das Proletariat bei der Durchführung der Revolution auf seine eigene Kraft ange­wiesen ist, stellt sich für uns die Frage, auf welchen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ebenen die Frauenarbeit besonders produktiv sein kann.“ [35]

Nun gehören zweifelsohne auch Frauen zum Proletariat, aber allein dies garantiert noch keine Harmonie der Interessen von bzw. des Nutzens für männliche/n und weib­liche/n Angehörigen des Proletariats und schon gar nicht einen Übereinstimmung der Interessen von bzw. des Nutzens für Proletariat und Frauen.
Es müßte zumindest die Frage zugelassen werden, ob nicht
• der Schaden für Frauen durch die Unterscheidung zwischen „Frauenarbeit“ und „Männerarbeit“ und deren je spezifischer Einsatzes größer ist
• als der Nutzen für das Proletariat durch diese Unterscheidung und einen sol­chen spezifischen Einsatz.

Es zeigt sich auch bei Kollontai der rhetorische Mechanismus, den Heidi Hartmann am Anfang ihres eingangs genannten Aufsatzes kritisierte: „der Feminismus [wird] un­ter den ‚größeren‘ Kampf gegen das Kapital subsumier[t]“; ‚größer‘ ist der Kampf ge­gen das Kapital in marxistischer Sicht, weil nur eine Teilmenge der Lohnabhängigen weiblich ist; und aus „größer“ wird implizit geschlußfolgert ‚wichtiger‘ – mit der expliziten praktischen Konsequenz: Die Einheit der Lohnabhängigen wird über den Wider­spruch zwischen Geschlechtern gestellt:
• Die Frauen sollen „an der Seite der Männer […] aktiv werden“ [36]
• „Anstatt uns in unterschiedliche Identitäten wie Geschlecht, Hautfarbe oder se­xuelle Orientierung aufteilen zu lassen, braucht es ein kollektives Identitätsbe­wusstsein als Klasse.“ [37]

‚Übersehen‘ wird von MarxistInnen, daß auch nur eine Teilmenge der Frauen lohnab­hängig ist, aber (trotzdem) alle Frauen vom Patriarchat negativ betroffen sind.

Es war dieser rhetorische ‚Trick‘, einen Teil (den Klassenkampf) mit dem Ganzen gleichzusetzen, und dann diesem – unzutreffend [38] bestimmten – Ganzen den Frauen­kampf (als Teilmenge) unterzuordnen, der Heidi Hartmann 1979 zu ihrer Ehe-Meta­pher inspirierte. Denn der britische Jurist William Blackstone (1723 - 1780), der in sei­nen Commentaries das bis zu seiner Zeit entstandene englische Recht zusammen­fassend darstellte, schrieb über die Ehe:

„By marriage, the husband and wife are one person in law: that is, the very being or legal existence of the woman is suspended during the marriage, or at least is incor­porated and consolidated into that of the husband“. [39] /

„Durch die Ehe werden Mann und Frau juristisch zu einer Person – das heißt: Das bloße [40] Sein oder das juristische Sein der Frau ist während der Ehe suspendiert oder in das des Mannes inkorporiert und mit diesem vereint [41].“ [42]

Schimäre „Mittelstandsfeminismus“

Im vorletzten Absatz wird dann erneut bloß behauptet:

„Anders als viele feministische Bewegungen, dürfen wir nicht glauben, Frauenbefrei­ung wäre nur eine Sache der Frauen gegen die Männer. Die Ansätze eines ‚weißen Mittelstandsfeminismus‘ können Sexismus nicht erfolgreich beenden, denn nicht das Geschlecht ist bestimmend, sondern die Klasse.“

All drei analysierten Linkswende-Artikel und auch andere marxistische Texte bleiben jedes Argument für die Behauptung schuldig, daß „die Klasse“ bestimmend sei für das, was die Gruppe Linkswende „Frauenunterdrückung“ nennt und was Feministin­nen „patriarchales Geschlechterverhältnis“ nennen. (Der Ausdruck „die Klasse“ ist im übrigen auch merkwürdig [denn es gibt ja bekanntlich mehrere Klassen!]: Ist speziell die kapitalistische Klasse gemeint? Oder sind die Klassenverhältnisse im allgemeinen gemeint?)
Auch was mit „Mittelstandsfeminismus“ genau gemeint ist, wird von der Gruppe Linkswende ebenso wenig gesagt, wie was sie unter „Mittelstand“ versteht (Sind etwa alle Feministinnen Kleinunternehmerinnen?). (Es hat den Eindruck, der Feminismus schlechthin wird in „Mittelstandsfeminismus“ umgetauft, um dann die alt-bekannte marxistische „Frauenfrage“ als „Feminismus“ ausgeben zu können.)

Gruppe Linkswende entdeckt: Männer haben keine Vorteile durch das patriarchale Geschlechterverhältnis

Die Gruppe Linkswende behauptet:

„Die Unterdrückung von Frauen bringt für niemanden Vorteile – außer für die herr­schende Klasse.“

Sehr wohl bringt es Männern Vorteile,

• wenn der ‚Familienlohn‘ durch ihre Taschen fließt;
• wenn sie die besseren Jobs bekommen;
• wenn ihnen Frauen den Dreck hinterherputzen;
• wenn sie ihren Willen zu Sex gegen den Willen von Frauen durchsetzen kön­nen.

Die Einführung des Frauenwahlrechts war kein Geschenk der „Arbeiter_innen“ an die Frauen

Die Gruppe Linkswende behauptet des weiteren:

„das Frauenwahlrecht, wurden von Arbeiter_innen erkämpft. Wir müssen diese Frei­heiten verteidigen, dürfen hier aber nicht stehen bleiben.“

In Wirklichkeit haben auch bürgerliche Frauen aus der ersten Frauenbewegung für das Frauenwahlrecht gekämpft [43] und war die Einführung des allgemeine (Männer- und Frauen-)Wahlrechts – oftmals während oder kurz nach dem I. bzw. II. Weltkrieg – häufig genauso stark ‚von oben‘ (als Mittel der nationalen Integration [44]) zugestanden wie von unten erkämpft. In Belgien kam es dagegen nur zu einem sehr eingeschränk­ten Frauenwahlrecht, während ein allgemeines Männer-Wahlrecht eingeführt wurde:

„Responsibility for the very restricted female franchise lies mainly with the Liberals and Social Democrats, who feared that women voters would tend to support the Cath­olics.“ [45]

Damit soll nicht bestritten werden, daß auch die ArbeiterInnenbewegung Anteil an der Einführung des Frauenwahlrechts hatte – aber wie das belgische Beispiel zeigt, war die Position der Arbeiterbewegung nicht einheitlich; und die tatsächliche Einführung erfolgte durch bürgerliche Staaten.

Eine sozialistische Übergangsgesellschaft ist weder Garantie noch Vorbedingung für eine Überwindung des patriarchalen Geschlechterverhältnisses

Schließlich beruft sich die Gruppe Linkswende auf Alexandra Kollontai

„‚Ohne Sozialismus keine Befreiung der Frau – ohne Befreiung der Frau kein Sozia­lismus!‘“

Da – wie oben schon gesagt – die kapitalistische Produktionsweise nicht die Ursache des patriarchalen Geschlechterverhältnisses ist und folglich
• eine Überwindung des patriarchalen Geschlechterverhältnisses keine Überwin­dung der kapitalistischen Produktionsweise voraussetzt
und (ebenso folglich)
• eine Überwindung des patriarchalen Geschlechterverhältnisses auch nicht lo­gisch-begrifflich in eine Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise eingeschlossen ist,
erweist sich die Parole, „ohne Befreiung der Frau kein Sozialismus!“, in der politi­schen Praxis als Versuch der Unterordnung des Feminismus unter den Antikapitalis­mus.

Es folgt noch ein dritter Teil mit Zitaten aus dem eingangs erwähnten Aufsatz von Heidi Hartmann.


[1Alle drei Teile sind auch bei archive.org gespeichert.

[3Juliet Mitchell, Frauenbewegung – Frauenbefreiung, Ullstein: Frankfurt am Main / [West]berlin / Wien, 1981.

[4Francoise Balibar / Nadya Labica, Stichwort „Frauen“ (1984), in: KWM 2, 373 - 377; http://inkrit.de/neuinkrit/mediadaten/archivkwm/KWM02.pdf.

[6So spricht Karen Offen ausdrücklich von „subordination“ (und nicht „oppression“) und begründet dies wie folgt: „Note that I deliberately use the word ‚subordination’, not the word ‚oppression’; subordination can be identified by examining laws, institutions, customs, and practices, whereas oppression connotes a highly subjective psy­chological response. One can point to many instances of women who do not feel oppressed but who are unques­tionable subordinated in laws, institutions, and customs of their cultures.“ (Karen Offen, European Feminisms, 1700–1950. A Political History. Stanford University Press: Standford/Ca., 2000, 20 f.) / „Zu beachten ist, daß ich bewußt das Wort ‚Unterordnung’ (und nicht ‚Unterdrückung’) verwende; ‚Unterordnung’ kann durch Untersuchung von Gesetzen, Institutionen, Bräuchen und Praktiken festgestellt werden, während ‚Unterdrückung’ eine hochgradig subjektive Stel­lungnahme konnotiert. Es gibt eine Vielzahl von Frauen, die sich nicht unterdrückt fühlen, aber unzweifelhaft in den Gesetzen, Institutionen und Bräuchen ihrer jeweiligen Kulturen untergeordnet sind.“

[7„Was Luxuskonsum, Freizeit und personifizierte Dienstleitungen anbelangt, so haben Männer einen höheren Lebens­standard. Eine materialistische Analyse sollte diesen wichtigen Punkt nicht übersehen.“ (http://sdsleipzig.blogsport.de/images/Hartmann1981_MarxismusundFeminismusTeil1.pdf, S. 38 [gedruckte Paginierung])

[8Vgl. (allerdings unter Verwendung des Ausdrucks „Frauenunterdrückung“; aber Arbeitsteilung ist nicht psychisch oder ideologisch, sondern materiell – und darauf kommt es hier an): „die Sozialstruktur dieser Gesellschaft [basiert] auf der Frauenunterdrückung […]; unter Sozialstruktur verstehe ich das System der gesamtgesellschaftlichen Arbeitsteilung, die geschlechtsspezifische Zuweisung von Aufgaben der Reproduktion der Art [gemeint: Gattung/Menschheit] (Famili­enaufgaben) und das System kultureller Werte und Normen“ (Frigga Haug, Männergeschichte, Frauenbefreiung, Sozia­lismus. Zum Verhältnis von Frauenbewegung und Arbeiterbewegung, in: Das Argument H. 129, Sept./Okt. 1981, 649 - 664 [656]; http://inkrit.de/mediadaten/archivargument/DA129/DA129.pdf – Hv. hinzugefügt).

[9„der Schwerpunkt [der Analyse die Mariarosa Dalla Costa vornimmt] liegt nicht auf dem Feminismus. Wenn dem so wäre, würde Dalla Costa zum Beispiel schreiben, daß die Bedeutung der Hausarbeit als gesellschaftliches Verhältnis darin liegt, daß sie wesentlich zur Fortsetzung der männlichen Vorherrschaft beitragt. Daß Frauen Hausarbeit machen und Arbeit für Männer ausführen, ist wesentlich für die Aufrechterhaltung des Patriarchats. […]. Wer profitiert von der Frauenarbeit? Sicherlich die Kapitalisten, aber auch ebenso sicher die Männer, die als Ehemänner und Väter zu Hause personifizierte Dienstleistungen entgegenehmen.“ (http://sdsleipzig.blogsport.de/images/Hartmann1981_MarxismusundFeminismusTeil1.pdf, S. 38 [gedruckte Paginierung]) – Zu ergänzen ist noch, daß die KapitalistInnen bloß indirekt von der weiblichen Hausarbeit profitieren; daß sie aber nur darauf angewiesen sind, daß die Arbeitskraft überhaupt reproduziert wird – aber nicht darauf, daß dies im patriarchalen Dreieck von unentlohnter Hausarbeit, etwaigen Unterhaltungsansprüchen und Liebe erfolgt.

[10a.a.O. (FN 7), 661.

[11a.a.O (FN 5); Hv. hinzugefügt.

[12dies. / Danièle Léger, Debate on Capital, Patriarchy, and the Women’s Struggle, in: Feminist Issues 1980, 41 - 50 (47); https://link.springer.com/article/10.1007/BF02685558.

[13„Eine Gesellschaft kann z.B. vom Kapitalismus zum Sozialismus übergehen und trotzdem patriarchalisch bleiben.“ (http://sdsleipzig.blogsport.de/images/Hartmann1981_MarxismusundFeminismusTeil2.pdf, S. 50 [gedruckte Paginierung]) (Dies gilt auch dann, wenn dem weitgehend untergegangen ‚real existierenden Sozialismus‘ abgesprochen wird, Sozialismus gewesen zu sein.)

[14Shulamith Firestone, Frauenbefreiung und sexuelle Revolution, Ullstein: Frankfurt am Main, 1975, 17.

[15Jedenfalls „auf kurze Sicht bedeutet das [Patriarchat] Kontrolle über die Arbeitskraft anderer Menschen, die Männer nicht freiwillig aufgeben wollen“ (http://sdsleipzig.blogsport.de/images/Hartmann1981_MarxismusundFeminismusTeil1.pdf, S. 39 [gedruckte Paginierung]).

[16Auch Hartmann verwendet an dieser Stelle (vllt. nur in Anpassung an die kritisierte Auffassung) den fragwürdi­gen Ausdruck „Unterdrückung“ (siehe dazu bereits Teil I meiner Linkswende-Kritik: „Es ist falsch, das Verhältnis von Patriarchat und Rassismus einerseits und Klassenherrschaft [andererseits] als Verhältnis ‚Unterdrückung‘ und ‚Ausbeutung‘ zu denken. Vielmehr sind alles drei Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnisse, die nicht nur, aber auch auf „Unterdrückung“ beruhen – sie beruhen auch auf Integration, Subjektivierungen und Angeboten.“ und das dort nachfolgende Zitat)
Auf S. 43 spricht Hartmann dagegen von „Unterordnung der Frauen“ (vgl. zum Unterschied bereits FN 6) und u.a. auf S. 31 und 38 von „männliche[r] Vorherrschaft“. Auf S. 35 fragt Hartmann zunächst, „warum arbeiten die Frauen dort [in der Privatsphäre] und die Männer in der Lohnarbeit?“, und gibt sie dann folgende Antwort: „Das kann doch wohl nicht ohne Bezug auf das Patriarchat, die systematische Herrschaft von Männern über Frauen, erklärt werden.“

[17http://sdsleipzig.blogsport.de/images/Hartmann1981_MarxismusundFeminismusTeil1.pdf, S. 33; Hv. teilweise von mir hinzugefügt (i.O. sind nur die Buchstaben „-auen“ kursiv gesetzt).

[18Siehe die dortigen: https://de.indymedia.org/node/189369#sdfootnote21sym Nachweise in FN 21.

[19Women’s oppression today. Problems in Marxist Feminist Analysis, Verso: London, 19855, 23; https://archive.org/details/womensoppression00mich/page/22/mode/2up.

[20Frigga Haug (a.a.O. [FN 7], 658) hatte bereits in den 1980er beobachtet: „die nordischen Länder [sind] auf dem besten Wege, große Teile des Reproduktionsbereichs zu vergesellschaften (auch bei uns nimmt Fertigkost, Kantinenessen, usw. als weitere Quelle des Profits stetig zu), ohne daß sie damit aufhören, kapitalistisch zu sein.“

[21Vgl. gegen die naiv-idealistische These im zuletzt zitierten Satz: „daß sie den gleichen Lohn für Frauen nicht durchsetzen, weil sie selbst die Hauptverdiener sind, liegt nahe“ (Haug, a.a.O. [FN 7], 660).

[22Vgl. zur Gewerkschaftspolitik auch:

• „z.B. auch in Gewerkschaftskreisen verbreiteten Gedanken, Frauenarbeit sei in strengen Zeiten ein Lu­xus, das Erste, worauf wir verzichten könnten, Hauptsache, die Männer haben wenigstens Arbeitsplät­ze. Diese Einstellungen schlagen sich nieder im Forderungskatalog der Gewerkschaften“ (Haug, a.a.O. [FN 7], 659).

• „Die Männer versuchten die Berufe mit hoher Entlohnung für sich zu behalten und im allgemeinen die Löhne für Männer zu erhöhen. Sie kämpften für ausreichende Entlohnung ihrer Arbeit, um damit allein ihre Familien zu unterhalten. Dieses ‚Familienlohnsystem‘ wurde allmählich die Norm für stabile Arbei­terfamilien Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts. Zum Teil wurde die nicht in Lohnarbeit stehende Frau als Teil des Lebensstandards des männlichen Arbeiters angesehen. Statt, daß sie für gleiche Löhne für Männer und Frauen kämpften, erstreben die männlichen Arbeiter den Fa­milien, weil sie die Dienstleistung ihrer Frauen zu Hause behalten wollten“ (http://sdsleipzig.blogsport.de/images/Hartmann1981_MarxismusundFeminismusTeil2.pdf, S. 55)

Daran knüpfte zwar auch Hartmann eine ‚spaltungs-theoretische‘ Überlegung an: „Ohne Patriarchat hät­te eine vereinte Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus kämpfen können“. Aber

zum einen beging Hartmann nicht den Fehlschluß, vom eventuellen Nutzen für das Kapital auf eine Verursachung durch das Kapital zu schließen. Es waren vielmehr „patriarchalische Interesse“, die mit dem ‚Familienlohn‘ durchgesetzt wurden (ebd.).

Zum anderen ist fraglich, ob die Kampfkraft der Lohnabhängigen ohne ‚Familienlohn‘ tatsächlich hö­her und deren Forderungen radikaler gewesen wären.

[23„The liberation of women would require, first, a redivision of labour and responsibilities of childcare. Whether privatized or collectivized, it would be mandatory that this be shared between men and women.“ (Barrett, a.a.O. [FN 18], 254; https://archive.org/details/womensoppression00mich/page/254/mode/2up).

[24Vgl. zum Folgenden die dortigen: http://www.trend.infopartisan.net/trd0318/dgs_emanzetheorie.pdf auf S. 36 - 38.

[25Leo Trotzki, Verratene Revolution. Was ist die UdSSR und wohin treibt sie [1935/36], in: ders., Schriften. Band 1.2: Sowjetgesellschaft und stalinistische Diktatur, Rasch und Röhring: Hamburg, 1988, 687 - 1011 (837). – Die Stelle befindet such im Unterabschnitt „Thermidor in der Familie“ (S. 846 - 851) von Abschnitt „VII. Familie Jugend, Kultur“ (S. 836 - 881).

[27Brief 3: Über die proletarische Miliz (S. 334 - 347).

[30Die Situation in der gesellschaftlichen Entwicklung. Vierzehn Vorlesungen vor Arbeiterinnen und Bäuerinnen an der Sverdlov Universität 1921, Verlag Neue Kritik: Frankfurt [am Main], 1975, 239; Hv. i.O.

[31ebd., 238.

[32ebd., 240; Hv. hinzugefügt.

[33„arbeiten Seite an Seite […] und schenken“ außerdem („darüberhinaus“) noch „der Gesellschaft […] neue Mit­bürger und Arbeitskräfte“.

[3414. Vorlesung: Die Frauenarbeit heute und morgen (S. 229 - 241).

[35ebd., 229.

[38In Wirklichkeit sind Klassen- und Geschlechterverhältnisse bloße Teilmengen des Ganzen, aber beide nicht das Ganze. Siehe dazu:
„das System, in dem wir leben“. Oder: Warum die kapitalistische Produktionsweise nicht das Ganze ist, in: Zur Kritik des patriarchalen Geschlechterverhältnisses und des linken Nebenwiderspruchs-Denkens, in: indymedia vom 31.05.2022; https://de.indymedia.org/node/193903 (ältere Version als .pdf-Datei: http://www.trend.infopartisan.net/trd0817/tap-rso.pdf).

[39Commentaries on the Laws of England. Book The First, Clarendon Press: Oxford, 1765; https://archive.org/details/lawsofenglandc01blacuoft/page/430/mode/2up, S. 430.

[40Vgl.: die bloße Tatsache seiner Anwesenheit = the very fact of his presence (https://de.langenscheidt.com/englisch-deutsch/very) / the very thought = der bloße Gedanke (https://dict.leo.org/englisch-deutsch/very).

[42In der deutschen Übersetzung des Hartmann-Aufsatzes heißt es anhand einer englischen Ausgabe von 1965 leicht abweichend: „Mann und Frau sind durch die Ehe vor dem Gesetz eine Person: das heißt die Existenz oder die legale Existenz der Frau wird während der Ehe aufgehoben, oder zumindest mit dem [recte: der] des Man­nes verbunden oder konsolidiert.“

[43„Die Suffragettenbewegung wurde überwiegend von Frauen aus dem Bürgertum getragen.“ / „Im Jahr 1903 gründete Emmeline Pankhurst“ [nicht zu verwechseln mit ihrer Tochter Sylvia Pankurst] „in Großbritannien die Women’s Social and Political Union, eine bürgerliche Frauenbewegung, die in den folgenden Jahren durch öf­fentliche Proteste, politische Demonstrationen und Hungerstreiks auf sich aufmerksam machte.“ (https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Suffragetten&oldid=222427908)
„In Manchester, the Women’s Suffrage Committee had been formed in 1867 to work with the Independent Labour Party (ILP) to secure votes for women, but, although the local ILP were very supportive, nationally the party were more interested in securing the franchise for working-class men and refused to make women’s suf­frage a priority.“ (https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Suffragette&oldid=1090374930#Formation_of_the_WSPU)

[44Vgl. dazu: Göran Therborn, The Rule of Capital and the Rise of Democracy, in: New Left Review Iss. 103 May/June 1977, 3 - 41 (20 f.) und in: Eva Etzioni-Halevy (Hg.), Classes and Elites in Democracy and Democratization, Garland: New York / London, 1997; https://www.researchgate.net/profile/Goran-Therborn/publication/340323194_The_Rule_of_Capital_and_the_Rise_of_Democracy/links/5f9551b1458515b7cf9c9c9b/The-Rule-of-Capital-and-the-Rise-of-Democracy, S. 31 f.: „National mobilization has been related to the development of democracy in two basic ways. On the one hand, measures of democratization have been introduced as a means towards the end of national mobilization; on the other, they have been produced as effects of the process of integration (military, economic and ideological) ex­pressed in popular mobilization for the national effort. The two clearest examples of the former are Giolitti’s fran­chise reform in Italy and the Canadian War Times Elections Act of 1917 – both part of political preparations for war. The second relationship is illustrated by the establishment of male democracy in Belgium, the Dutch reforms of 1917-19, the Danish Right’s acceptance of democracy in 1915, the British Reform Act of 1918, and the intro­duction of female suffrage in the United States in 1919 (perhaps also in France and Belgium after the Second World War). In all these cases, a process of democratization already under way was speeded up and facilitated by a wartime union sacrée.“ (Hv. i.O.)

[45ebd., 12 bzw. 12 unter Hinweis auf: Dolf Sternberger / Bernhard Vogel (Hg.) sowie Dieter Nohlen (Red.), Die Wahl der Parlamente. Bd. 1: Europa. Halbbd. 1, de Gruyter: Berlin, 1969, 93.

Anmerkung der Moderation

Wir fordern alle Autor*innen dazu auf, ihre Beiträge in möglichst sensibler Sprache zu verfassen. Kommunikation, Konflikt und Auseinandersetzung sind spannend und wichtig. Sprache schafft einen Rahmen dafür, und bestimmt wer sich an der Auseinandersetzung beteiligen kann und will. Deswegen plädieren wir für simple Grundsätze, ua. keine Personen von Diskursen auszugrenzen, koloniale oder paternalistische Denkmuster zu sehen und sich den eigenen Mustern stellen.

Weil Wörter und Begriffe sich laufend ändern, für das Ziel eine deutliche und möglichst diskriminierungsfreie Sprache zu schreiben und zu sprechen - solidarisch mit den Schreibenden und Lesenden!

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