Solidarität mit Süditalienischen Landarbeiter*innenkämpfen- Solidarity with Peasant struggle in Italy

veröffentlicht am 18. November 2020

Die Lage der migrantischen (Land)Arbeiter*innen in Italien und andern Ländern Europas ist desaströs.
Seit Jahren werden ihnen die grundlegendsten Rechte wie Zugang zu Wasser, angemessene Unterbringung oder Arbeitsverträge verwehrt. Die Olivenernte 2020 ist in vollem Gang, spätestens jetzt ist es Zeit, genauer hinzusehen.

„Ich bin seit 15 Jahren hier und immer noch kommt ihr hier her, um uns zu erzählen was ihr alles für uns macht. Auch ihr Mitglieder*innen der Vereine und Aktivist*innen, die ihr euch unsere Freund*innen nennt, solltet euch schämen. Hin und wieder schaut ihr bei uns vorbei und glaubt damit die Welt zu verändern, aber am Abend kehrt ihr nach Hause zurück, um auf eurem weichen Kissen einzuschlafen. Ich hingegen habe Ousmane sterben sehen und kenne viele andere, die hier vom diensthabenden Vorgesetzten ausgebeutet werden.“

Das sind die mahnenden Worte von Diakité. Er ist mit seinen 57 Jahren einer der Veteranen im Geisterghetto zwischen Campobello di Mazara und Castelvetrano. Rund 900 Migrant*innen leben hier versteckt vor taktlosen Blicken. In Campobello di Mazara, Sizilien, hat die Olivenernte 2020 begonnen .

„Durch das Coronavirus fühlen wir uns noch mehr umzingelt, auch wegen der Ärzt*innen in den weißen Schutzanzügen, die uns als Corona-positiv markieren wollen. Zuvor hatte sich 15 Jahre lang niemand darum gekümmert uns ein würdevolles Leben zu ermöglichen. Und jetzt, inmitten der Pandemie, ist niemand gekommen, um die jungen Männer über die Gefahr aufzuklären, in der sie sich befinden. Kein Arbeitgeber hat an unsere Gesundheit gedacht, keiner. Wir sind eben nur Arbeitskräfte. Auch dieses Jahr leben wir wieder ohne fließendes Wasser und inmitten der Abfälle, die niemand abholt, und dann wird gesagt, dass wir diejenigen sind, die sich nicht waschen und schmutzig sind. Versucht selbst einmal mit 900 Männern, die den ganzen Tag schuften und sich dann nicht Waschen können, zusammen zu leben. Versucht selbst mal auf dem Boden zu schlafen, inmitten von Schlamm, Mäusen und Kakerlaken, die auf euch herumkrabbeln, während ihr versucht einzuschlafen, und das alles ohne Toilette und Licht. Kein Wunder, dass es unter diesen Umständen Corona-positive geben wird. Nur während wir arbeiten, während wir Kisten mit Oliven füllen, macht ihr euch keine Sorgen darum, ob wir Corona-positiv sind.“

Die Orte, wo die migrantischen Erntehelfer*innen so leben müssen sind zahlreich. Und so war es auch in Rosarno, Kalabrien. Bis sich die migrantischen Arbeiter*innen zusammengeschlossen und dagegen gekämpft haben. Mit den lokalen Kleinbäuer*innen haben sie vor nun 10 Jahren SOS Rosarno gegründet. Hier ein Auszug aus ihrem Selbstverständnis:

„„Hier sind wir, um die Freund*innen zu begrüssen, die sich in den zwei Jahren SOS Rosarno zu uns gesellt haben, um die zu begrüssen, die neu dazu gestossen sind und um andere zur Teilnahme am Fest einzuladen.“

Es mag seltsam erscheinen, aber das ist der Geist, in dem wir Tag für Tag arbeiten. Inmitten der heftigsten Widersprüche in einer schwierigen Region (im ärmsten Teil Italiens) neben und zusammen mit den Ärmsten der Armen, die hierher kommen, um Arbeit zu suchen. Und Ausbeutung finden. Unsere Methode? Auf das Leiden zu reagieren, indem wir Hoffnung und Möglichkeiten schaffen. Das Leiden eines unterentwickelten und degradierten Gebietes, der Ebene von Gioia Tauro im Speziellen und ganz Kalabrien und Süditalien im Allgemeinen. Hier wächst die Arbeitslosigkeit mit der Krise im Vergleich zu Norditalien doppelt so schnell und die Auswanderung wieder das Niveaus nach dem Zweiten Weltkrieg erreicht… Das Leiden von Tausenden von Menschen, die aus Afrika und Osteuropa hierher kommen, weil in der Vorhölle hier Zuflucht gefunden werden kann, wenn die Krise die Schwächsten vertreibt. Hier finden migrantische Arbeiter*innen aus den am weitesten entwickelten Produktionskreisläufen oder diejenigen, die illegal genannt werden, nur weil sie keine Papiere haben, dank der illegalen Arbeit eine Überlebenschance.

Und genau an diesem Punkt setzen wir an, indem wir die Schwachen mit den Schwachen zusammenbringen, damit sie entdecken, wie stark sie werden können, wenn sie einmal vereint sind.
In diesem Jahr ist unsere Aktivität gewachsen und hat auf organische Weise Reisegefährt*innen einbezogen, die bereits Teil unseres Netzwerks waren und sich nun SOS Rosarno angeschlossen haben. Von all den Dingen, die wir hier anbieten, soll nämlich ein Teil des Preises in Projekte fliessen, welche die in unserem Gebiet anwesenden Einwanderer*innen unterstützen – und ein anderer Teil in das Projekt, das wir gemeinsam aufbauen.

Herzlich willkommen, Leute! Das Fest, das wieder beginnt, ist das, welches in den Zitrus- und Olivenhainen der Ebene von Gioia Tauro stattfindet, wo hartnäckige Bauer*innen und hoffnungsvolle Migrant*innen gemeinsam eine neue Zukunft für unser Land kultivieren… ein Fest, das in unseren Regionen und in den verschiedenen Teilen Italiens gefeiert wird, wo auch in diesem Jahr die Kalafrikaner*innen umhergehen werden, um zu diskutieren und zu argumentieren, um zu erzählen, wie in Rosarno und seiner Umgebung eine neue Welt entsteht, und um diese gemeinsam zu feiern.
Eine „neue bäuerliche Zivilisation“ nannten wir dieses Projekt manchmal, und wir meinten dies einschliesslich aller Bereiche der Gesellschaft. Mit Ausnahme der dominanten (also, die wirtschaftlich, sozial, politisch … menschlich dominieren), denn ohne Herrschaft ist die neue Gesellschaft, die wir aufbauen; denn eine auf dem Boden der Erde gegründete Gesellschaft bestimmt wirtschaftlich und symbolisch die Art und Weise, in der die menschliche Tätigkeit in allen anderen Bereichen gedacht und ausgeführt wird: ob es sich um Dienstleistungen oder Technologien handelt, ob es sich um Freizeit oder um die kulturelle Aktivität selbst handelt, in der die Werte, die das Verhalten bestimmen, zum Ausdruck kommen… alles ist auf den Respekt vor der Erde und das harmonische Zusammenleben derer, die auf ihr leben, ausgerichtet.

Hier ist unser Projekt. Das ist unsere Aufgabe. Das ist unser Vorschlag.

SOS ROSARNO – PRODUKTE, bei denen sich QUALITÄT auf SOLIDARITÄT reimt.

Alle Produzent*innen sind Kleinbäuerinnen und -bauern, Einzelpersonen oder Mitglieder von Genossenschaften. Sie stellen die bei der Ernte beschäftigten Arbeiter*innen dauerhaft ein, von denen mehr als 50% Immigrant*innen sind. Und sie sind Teil des circuito della solidarietà con gli africani di Rosarno (Solidaritätskreis mit den Afrikaner*innen von Rosarno), wegen der komplett versagenden staatlichen Einwanderungspolitik nur dank der Unterstützung durch zivilgesellschaftliche Organisationen die grundlegendsten Bedürfnisse befriedigen können.

Deshalb wird ein Teil des Preises aller Produkte zur Finanzierung von Projekten verwendet, die für die Rechte der Landarbeiter*innen einstehen und für alternative Projekte in Italien und im Ausland, welche die Ernährungssouveränität und Selbstbestimmung lokaler Gemeinschaften fördern.“
Antonella Selva hat mit drei Geschichten von Landarbeiter*innen eine Graphic Novel gezeichnet. Wer Italienisch versteht kann sich das Buch in der kämpferischen Bibliothek "Lotte" in Luzern ausleihen. Dieses Buch wurde auf der anarchistischen Buchmesse 2019 in Bern von einem Mitglied von SOS Rosarno vorgestellt. So war der erste Kontakt gemacht.

Als im März 2020 Covid-19 Italien lahmlegte, erreichte Menschen aus Bern eine Nachricht aus Süditalien. SOS Rosarno sei in einer verzweifelten Lage: Tonnen von Orangen seien geerntet, welche am nächsten Tag verschickt werden sollen – und sie wüssten nicht, ob dies klappen werde, da eine Ausgangssperre für die ganze Gegend um Rosarno drohe. Gabriele, ihr Käser, werfe jeden Tag den ganzen Ricotta weg, den er nicht verkaufen könne, da die Restaurants geschlossen seien. Er habe den Keller voller Hartkäse, so dass er nicht mehr wisse wohin damit. Den Schafen könne er ja nicht sagen, dass sie keine Milch mehr geben sollen. Die Milch gäben sie auch während einer Pandemie.
Deswegen haben einige Menschen aus Bern, Zürich, Luzern und Basel/Jura die Initiative ergriffen, um die Produkte von SOS Rosarno in die Schweiz zu importieren.

In Österrreich könnte dies auch möglich sein: falls Interesse meldet euch bei solila@riseup.net
oder ladet sich das Bestellformular runter und kontaktiert Schweizer Besteller*innen.

Mittlerweile ist der Verein Solrosa entstanden. SolRosa steht für Solidarietà con/per SOS Rosarno, also Solidarität mit und für Rosarno. Derzeit (bis zum 22.11.2020) läuft die dritte Bestellrunde, in der Lebensmittel aus Rosarno bezogen werden können. Wer das Projekt unterstützen möchte kann gerne hier das Bestellformular herunterladen.

https://www.borderlinesicilia.it/de/monitoring/diakites-lektion/
https://www.sosrosarno.org/chi-siamo.html
https://solirosarno.wordpress.com/2020/03/27/sos-rosarno/
https://solirosarno.wordpress.com/2020/03/27/sos-rosarno/
https://solirosarno.wordpress.com/2020/11/07/neue-bestellrunde/
https://solirosarno.wordpress.com/2020/11/07/neue-bestellrunde/

http://www.ilgirovago.com/selva-cronache-impero/

english:

The situation of migrant (farm) workers in Italy and other European countries is disastrous.
For years they have been denied the most basic rights, such as access to water, adequate housing and employment contracts. The olive harvest of 2020 is in full swing, now at the latest it is time to take a closer look.

"I have been here for 15 years and still you come here to tell us what you do for us. You, too, members of the associations and activists who call yourselves our friends, should be ashamed of yourselves. Every now and then you drop by and think you are changing the world, but in the evening you return home to fall asleep on your soft pillow. I, on the other hand, have seen Ousmane die and know many others who are exploited here by the supervisor on duty.

These are the admonishing words of Diakité. At 57 years of age, he is one of the veterans in the ghost ghetto between Campobello di Mazara and Castelvetrano. Around 900 migrants* live here hidden from tactless glances. In Campobello di Mazara, Sicily, the olive harvest has started in 2020.

"We feel even more surrounded by the corona virus, also because of the doctors* in the white protective suits who want to mark us as corona positive. Before that, for 15 years, no one had cared about giving us a dignified life. And now, in the middle of the pandemic, no one has come to educate the young men about the danger they are in. No employer has thought about our health, no one. We are just workers. Once again this year we are living without running water and amidst waste that no one collects, and then it is said that we are the ones who don’t wash and are dirty. Try to live together with 900 men who work all day long and cannot wash themselves. Try sleeping on the floor yourself, amidst the mud, mice and cockroaches that crawl on you as you try to fall asleep, and all without a toilet and light. No wonder that under these circumstances there will be Corona-positives. Only while we’re working, while we’re filling boxes with olives, you don’t worry about whether we’re Corona positive.

The places where the migrant harvesters* have to live like this are numerous. And it was the same in Rosarno, Calabria. Until the migrant workers joined together and fought against it. With the local small farmers they founded SOS Rosarno 10 years ago. Here is an excerpt from their self-image:

"Here we are to greet the friends who have joined us during the two years of SOS Rosarno, to welcome those who have joined us and to invite others to participate in the festival.

It may seem strange, but this is the spirit in which we work day after day. In the midst of the fiercest contradictions in a difficult region (in the poorest part of Italy) next to and together with the poorest of the poor who come here to look for work. And to find exploitation. Our method? To respond to suffering by creating hope and opportunities. The suffering of an underdeveloped and degraded area, the plain of Gioia Tauro in particular and the whole of Calabria and southern Italy in general. Here unemployment is growing twice as fast with the crisis as in northern Italy, and emigration is returning to post-World War II levels. ... The suffering of thousands of people who come here from Africa and Eastern Europe, because in limbo it is possible to find refuge when the crisis drives out the weakest. Here migrant workers from the most developed production cycles or those who are called illegal because they have no papers, find a chance of survival thanks to illegal work.

And this is where we start, bringing the weak together with the weak so that they can discover how strong they can become once they are united.
This year, our activity has grown and has organically included travel companions* who were already part of our network and have now joined SOS Rosarno. Of all the things we offer here, part of the prize will go to projects that support the immigrants present in our area, and another part to the project that we are building together.

A warm welcome, folks! The festival that begins again is the one that takes place in the citrus and olive groves of the Gioia Tauro plain, where persistent farmers and hopeful migrants* cultivate together a new future for our land... a festival, which is celebrated in our regions and in the different parts of Italy, where, this year too, the Kalafrikaner*innen will go around to discuss and argue, to tell how a new world is being created in Rosarno and its surroundings, and to celebrate it together.
A "new peasant civilization" is what we sometimes called this project, and we meant this including all sectors of society. With the exception of the dominant ones (i.e. those that dominate economically, socially, politically ... humanly), because without domination is the new society we are building; because a society founded on the soil of the earth determines economically and symbolically the way in which human activity is thought and carried out in all other areas: whether it is services or technologies, whether it is leisure time or the cultural activity itself, in which the values,

you can choose for Oranges to contact: solila@riseup.net or see monitoring

https://www.borderlinesicilia.it/de/monitoring/diakites-lektion/
https://www.sosrosarno.org/chi-siamo.html
https://solirosarno.wordpress.com/2020/03/27/sos-rosarno/
https://solirosarno.wordpress.com/2020/03/27/sos-rosarno/
https://solirosarno.wordpress.com/2020/11/07/neue-bestellrunde/
https://solirosarno.wordpress.com/2020/11/07/neue-bestellrunde/

http://www.ilgirovago.com/selva-cronache-impero/

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