Wasted in Täterschutz - Wir glauben Betroffenen und bleiben laut - gegen das Feine Sahne Fischfilet-Festival „Wasted in Jarmen“

veröffentlicht am 5. September 2023

Am 8. und 9. September 2023 veranstaltet die Band Feine Sahne Fischfilet (FSF) in Jarmen ihr Festival und gibt sich damit zum ersten Mal selbst wieder eine große Bühne in Mecklenburg-Vorpommern. Das Wasted in Jarmen findet statt, obwohl seit Mai 2022 Betroffene Jan Gorkow/"Monchi" öffentlich mit Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt konfrontiert haben. Es findet auch statt, nachdem anonyme kritische Stimmen mit Repression eingeschüchtert und zum Schweigen gebracht wurden. Allen Betroffenen von sexualisierter Gewalt und ihren Support-Strukturen gilt unsere volle Solidarität.

*Keine selbst hingestellte oder sonst wie verschaffte Bühne für Täter*
Das Wasted in Jarmen Festival ist ein weiterer Ausdruck davon, dass die Band z.B. mit dem Erscheinen ihres neuen Albums 2023 schnell wieder zum "business as usual" übergegangen ist. Als wäre nie etwas passiert, stellen FSF auch mit dem Festival nun Musikkonsum über eine (angekündigte) ernsthafte Aufarbeitung der Vorwürfe. Abseits der Veranstaltung versucht sich die Band fleißig daran, Protest zu ihrem Umgang mit den Vorwürfen zum Schweigen zu bringen. Kritische Beiträge in sozialen Medien werden gelöscht und kritische Profile blockiert. Der Eindruck wird erweckt, es gäbe keine Kritik (mehr).
Die Band inszeniert sich in Interviews ausgerechnet selbst immer wieder als Betroffene. Das ist nicht nur angesichts offensichtlicher Machtgefälle widerlich. Für diese Selbstinszenierung hat sie reichlich helfende Hände. So wurden FSF von allgemeinen Medien bis Punkmagazinen hofiert, zu TV-Shows eingeladen oder in einem NDR-Beitrag kürzlich auch ernsthaft noch mal als Stimme der Linken ausgegeben.
Ihre Strategie veröffentlichte Vorwürfe unsichtbar zu machen, darf nicht gelingen und Diskussionen zum Umgang mit übergriffigem Verhalten müssen geführt werden.

*"Ich hab mich noch nie so scheiße benommen..." - Täter-Betroffenen Umkehr, Repression und silencing*
FSF stilisieren sich überzeugend und perfide als Opfer (wir sagen nur "Abgekaute Fingernagel-Rhetorik"). Sie haben es somit geschafft, die Betroffenen und ihre Vorwürfe schnell wieder unsichtbar zu machen. Sie übergehen diese und verletzen sie somit teilweise erneut. Sie stellen außerdem feministische Interventionen als angeblich politisch feindliche Kampagne dar. Dabei setzen sie die Veröffentlichung der Vorwürfe sexueller Gewalt gar mit Methoden von Neonazis gleich - "Wir werden ja nicht das erste Mal angefeindet. Wir sind den Hass gewohnt" oder "Für mich ist was gegen Nazis zu machen nicht, mal im Internet einen Kommentar zu schreiben. Ich weiß, was Hass ist. Und dadurch ist man bis zu einem gewissen Grad gestählt" (OX Interview 2023).
Die Mitleid erheischenden und populistischen Aussagen von Monchi - "Für viele Leute ist es gerade so, als ob wir Lepra hätten" (aus dem gleichen Interview) - deckt sich dabei nicht mit der Realität vieler wohlwollender Berichte, Einladungen und bookings für Feine Sahne Fischfilet, in denen sie diese Aussagen verbreiten konnten und können. Überwiegend männliche Bands reichen FSF die Hand, treten mit ihnen auf und versagen damit Unterstützung den Betroffenen. Fans besuchen weiter unkritisch Konzerte. Medien klammern abgehaltene feministische Proteste in Berlin, Dresden und Hamburg aus. (Nicht nur) Männer aus ihrem Umfeld feiern FSF weiter ab, arbeiten mit ihnen zusammen, halten zu ihnen.
Wir nennen das Täterschutz. Und wir finden euer bequemes bis profitables Ausblenden sexueller Gewalt beschissen.
Dass die Band sich nicht mal für Feminismus-Neonazi-Vergleiche zu schade ist, ist lächerlich, aber auch gefährlich. Sie tut damit so, als hätten Stimmen von Betroffenen sexueller Gewalt keine Berechtigung laut zu sein, als wären sie moralisch verwerflich und mit Tätern faschistischer Gewalt vergleichbar. Das ist eine unfassbare Umkehr der offensichtlichen, tatsächlich bestehenden und ausgenutzten Machtgefälle, welche die Betroffenen treffen, wie der Bekanntheitsstatus der Band, patriarchaler Rückhalt von Fans und Umfeld und vor allem auch Druck durch Geldressourcen. Es ist ein komplett beklopptes shaming - antifeministisch, geschichtsrevisionistisch und wasted in Täter(selbst)schutz. Es macht feministische Gruppen (noch mehr) zum Ziel maskulinistischer Anfeindung und das rechte Feindbild der „Feminazis“ auch in der (Pseudo-)Linken anschlussfähig.

*"Und dann wurde das offline genommen" - wie die Band kritische Stimmen zum Schweigen gebracht hat und so tut, als wäre sie es nicht gewesen.*
Es ist bekannt und zum Glück auch öffentlich kritisch begleitet worden, wie nach den Vorwürfen gegen Monchi Gruppen unter Androhung einer hohen zu zahlenden Geldsumme zum Schweigen gebracht wurden. Diese konnten so öffentlich keine Kritik am Umgang der Band bezüglich der Vorwürfe mehr äußern oder Kosequenzen und Aufklärung einfordern. Kurios ist die Schuldabwehr der Band zu den gelöschten Kanälen von Niemand Muss Täter Sein. Man habe nach fünf Monaten durchaus die Löschung von "Posts" bei "Meta beantragt" (OX), aber selbst keine rechtlichen Schritte wegen Verleumdung auf den Weg gebracht. Die entsprechenden Formulierungen in Interviews sind auffällig im Passiv formuiert. So heißt es "Und dann wurde das offline genommen", "ein Gericht hat...". Die Band übernimmt keine Verantwortung dafür, dass sie selbst die juristisch erzwungene Sperrung forciert hat. FSF tun so, als gäbe es irgendwelche Geister, die auf einen Knopf gedrückt hätten. Oder vielleicht war es ja auch nur der putzige Wasted In Jarmen-Biber?
Diese Wege der Einschüchterung haben System und sind nicht das erste Mal ausgeschöpft worden. Ein Luke Mockridge kann sie ebenso anwenden wie ein Till Lindemann oder ein Monchi. Nicht bei allen ist das öffentliche Interesse an Aufklärung so groß, dass alle Druckmittel sichtbar werden.

*Wie Täter sexualisierter Gewalt von Gesetz und männlich geprägten Gerichten profitieren*
Feine Sahne Fischfilet konnten sich aufs Gericht verlassen. Mittlerweile halfen ihnen auch noch Cops und Fans, die zusammen bei einem Konzert ein kritisches Banner abgenommen haben. Was Gerichte und sexualisierte Gewalt angeht, ist vielen bewusst, dass sich gerade Betroffene von sexualisierter Gewalt auf keine gerechte Rechtsprechung verlassen können. Das Beweisen von erlittenen Übergriffen bleibt, auch nach der Reform des Sexualstrafrechts in Deutschland und nicht nur hier, schwer. Der Gang durch die maskulinistische Beweisaufnahme-Institution Polizei ist oft erniedrigend und retraumatisierend. Das Strafrecht an sich ist aus einer linken Perspektive ein denkbar schlechter Gradmesser für problematische, diskussionswürdige und übergriffige Handlungen. Die Berufung auf den Rechtsstaat, auch durch Fans, als Gradmesser für den Wahrheitsgehalt der erhobenen Vorwürfe liegt fern ab jeglicher linker Praxis.
Auch weil Betroffene sexualisierter Gewalt weit bis in linke Solidarstrukturen nicht ausreichend unterstützt wurden, hat sich im letzten Jahr die Lila Hilfe gegründet. Patriarchale Machtgefälle hatten auch hier eine gerechte Verteilung finanzieller Mittel beim Umgang mit Übergriffen (für Anwält*innen, Therapie usw.) lange verhindert.

*Folgen von Repression für Betroffene und wie wir sie durchbrechen*
Das Silencing von Feine Sahne Fischfilet gegen Betroffene sexualisierter Gewalt und ihre Support-Strukturen unter dem Einsatz von "Ordnungshütern" ist in Teilen schon aufgegangen. Lösch/Blockier-Aktionen, Unterlassungsaufforderungen und Verleumdungsvorwürfe mit massivem Gelddruck, aber auch viele Täter-Opfer-Umkehr-Aussagen in Interviews zeigen ihre Wirkung. All diese Mittel der Einschüchterung und des aktiven Wegdrängens von Kritik aus der Öffentlichkeit haben auch die öffentliche Diskussion bereits beeinflusst.
Kritische Diskussionen unterbinden, Vorwürfe unsichtbar machen oder sogar ihre Berechtigung in Frage stellen - dieser Umgang ist auch immer Signal an Betroffene, sich zwei Mal zu überlegen, ob sie über Erlebtes öffentlich sprechen. Es macht Angst statt zu empowern.

Darum lassen wir FSF damit nicht durchkommen. Nicht mit dem Druck, den sie auf Betroffene und kritische Stimmen ausüben, nicht mit ihrem (gar nicht mal so geschickt) verpackten Antifeminismus, nicht mit ihrem Weiter-wie-immer.

Wir bleiben solidarisch, laut und feministisch. Wir stellen uns hinter und neben alle Betroffenen.

Wir verstehen ihr Bedürfnis, anonym zu bleiben und kreiden ihnen dies nicht an. Im Antifaschismus erkennen wir Anonymsein als politisches Grundprinzip und notwendigen Schutz an. Wir wählen dieses Prinzip für uns selbst, weil wir nach den vielen und andauernden Repressionen von FSF keinen Bock haben, in ihr Visier zu geraten. Wir finden entsetzlich, was das bevorstehende "Wasted in Jarmen" für Betroffene ausstrahlt.

Musikkonsum ist nicht wichtiger als die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt.

egen Täterschutz und unsolidarische Auftritts- und Besuchspolitik!

Den Betroffenen alle Räume, sich Gehör zu verschaffen.

Wir stehen an eurer Seite.

Fight Sexualised Violence!

Nachtrag: Betroffene finden Support bei den Aktivist*innen vom Feministsoli https://femsolihro.wordpress.com

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