Zur Frage "wie tun" - in Zeiten wie diesen..

veröffentlicht am 26. März 2020

Letzten Herbst begannen wir (einige linksradikale mit verschiedenen Hintergründen – geeint und zusammengeführt hat uns die Solidarität mit der revolutionären Bewegung in Rojava) uns mit Texten zum Demokratischen Konföderalismus auseinanderzusetzen.
Wir haben noch immer viele Fragen dazu wie dieser demokratische Konföderalismus denn eigentlich funktioniert aber ein paar Anhaltspunkte dazu haben wir schon.

Wo wir stehen

Was rückblickend aberwitzig erscheint war damals ganz real: wir schätzten unser Interesse an der Geschichte, der Praxis und der theoretischen und ideologischen Grundlagen dieser Art Gesellschaft zu organisieren als nicht unbedingt wichtig für unseren momentanen (politischen) Alltag ein.
Klar, wir hofften zu verstehen und zu lernen, Anhaltspunkte zu finden was wir an unserer Praxis ändern können, wie wir zu gesellschaftlicher Relevanz kommen können.

Mit den aktuellen Entwicklungen ist alles anders. Seit über einer Woche gelten massive „Ausgangsbeschränkungen“, es werden Versammlungen und Zusammentreffen von Gruppen jeder Art untersagt.
Im wesentlichen dürfen die Leute noch zur Arbeit (wobei etliche Firmen schließen mussten), einkaufen und mit dem Hund raus. - Glücklich wer einen Hund hat!

Wir stehen einerseits vor praktischen Herausforderungen: was passiert, wenn ich krank werden, wenn ich als sog. „Verdachtsfall“ unter Quarantäne gestellt werde – was passiert mit meinen Freund*innen, Genoss*innen und Nachbar*innen? Wer geht für sie einkaufen…?
Was passiert, wenn ich keine Aufträge mehr bekomme oder gekündigt werde? Wie soll ich meine Einkäufe, meine Miete bezahlen?

Andererseits stehen wir vor immensen politischen Herausforderungen: es ist sinnvoll als Maßnahme die sozialen Kontakte möglichst einzuschränken, zusätzliche Krankenbetten zu schaffen…
Trotzdem, ein Staat der dies autoritär durchsetzt ist der Alptraum aller progressiven Kräfte.
Die Miliz wird einberufen und wird im Inneren auch für „Sicherheitsaufgaben“ herangezogen werden, Zivildiener werden wieder einberufen – sie müssen Zwangsdienste leisten.
Wer wird die Krise bewältigen? - Die Logistikarbeiter*innen, die Angestellten in den Supermärkten, Wasser- und Elekrizitätswerken, die Müllabfuhr und ganz massiv alle im Gesundheitsbereich arbeitenden Ärzt*innen, Pfleger*innen und Reinigungskräfte.
Wer wird davon profitieren? Das liegt an uns. Entweder diejenigen die sie verursacht haben durch ihre verantwortungslose Politik und Form des Wirtschaftens die nur den kurzfristigen Profit kennt und dazu (jetzt wissen wir es aber wir haben es schon immer wissen können) über Leichen geht.
Oder wir. Wir die wir den Reichtum den Wohlstand schaffen der mehr als genug für die Bedürfnisse aller wäre aber nicht für die Gier der Wenigen…

Da stehen wir nun und fragen uns: wie organisieren wir uns? Wie organisieren wir unseren Alltag und unser Leben? Die Welt scheint sich innerhalb von wenigen Tagen radikal gewandelt zu haben. Das was wir hier erleben ist noch nicht ansatzweise das was für einen großen Teil der Menschheit Realität ist und worauf unser Wohlstand und der unverschämte Reichtum der Eliten aufbaut.

Wie jetzt organisieren…?

Das wissen wir auch nicht. Aber: wir haben uns Inspiration geholt in langen Stunden des gemeinsamen Lesens und diskutieren.
Wichtige Lektionen sind:

Es gibt kein fixes Konzept. Keinen Bastelplan wie bei dieser Möbelhaus Kette die die Möbel zum selber zusammenschrauben liefert. Es gibt Ideen und die Personen die diese Ideen umsetzen hauchen ihnen Leben ein indem sie diese interpretieren, diskutieren, anpassen für ihre Situation und ihre Bedürfnisse.

Es bedarf einer Organisierung von unten nach oben. Erst müssen die kleinen Einheiten zusammengefunden haben, dann können sich diese zusammenschließen und größere Einheiten bilden. Nicht umgekehrt.

Alle Gruppen müssen die Möglichkeit haben sich auch separat zu organisieren und angemessen repräsentiert zu werden – am Beispiel Rojava sind das zB Frauen und „die Jugend“.

Die Bedürfnisse der Menschen müssen gestillt werden – aber nicht auf Kosten unserer aller Lebensgrundlage: des uns umgebenden Ökosystems von dem wir Teil sind!

Entscheidungen müssen demokratisch gefällt werden. Das bedeutet nicht diese schlechte Simulation von Demokratie die die Oligarchen an der Macht hält sondern eine direkte Demokratie bei der Delegierte ein imperatives Mandat haben und Rechenschaft schuldig sind. Wichtige Entscheidungen sind dann noch einmal von der Basis bestätigen zu lassen.

Wir müssen uns verteidigen können. Noch erscheint es weit hergeholt, aber wenn wir daran denken, wie sich die Nazis auf derartige Krisen, wie wir eine erleben, vorbereitet haben: Todeslisten mit politischen Gegner*innen erstellen, Waffen bunkern, Safe Houses errichten und wie der Staat auf jede fortschrittliche Bewegung reagiert hat, muss klar sein, dass wir uns verteidigen können müssen. Verteidigung ist dabei keinesweg nur in einer militärischen Logik gemeint (wenn wir so zu denken beginnen haben wir bereits verloren). Es umfasst viel mehr: etwa auch eine ideologische Selbstverteidigung, gegenseitige Unterstützung und Hilfe bei und nach Angriffen etc.

Zwei Beispiele aus der Praxis die vielleicht das Potential haben sich mit anderen entstehenden oder bereist bestehenden Strukturen zu vernetzen wobei noch vollkommen unklar ist ob diese Strukturen Bestand haben, weiter wachsen, sich bewähren werden…

1. Oftmals machen Berichte die Runde, dass Personen/WGs/.. in ihrem Wohnhaus Zettel aufhängen mit denen sie ihren Nachbar*innen Hilfe anbieten – auch ihnen vollkommen unbekannten Nachbar*innen. Manche Gruppen wie Fridays For Future, Kulturinitiativen, .. bieten dazu Anregungen oder teilweise auch fertige Vorlagen zum ausdrucken oder abschreiben an wie diese Zettel formuliert sein können.
In verschiedenen Gruppenchats wurden diese Ideen aufgenommen und spontan Übersetzung in verschiedene Sprachen organisiert.

2. Es entstehen digitale Vernetzungen (zB Gruppenchats etc) von Nachbar*innen die sich bis jetzt nur flüchtig gekannt haben oder sich zwar kennen aber aufgrund der räumlichen Nähe zu Gruppen zusammen schließen. Die einzelnen Mitglieder der Gruppe laden wiederum Menschen zu der Gruppe ein die sie kennen. Dadurch werden Menschen die zwar nahe wohnen und sich nicht direkt kennen miteinander vernetzt und kommen in Verbindung.
Auch hier steht der Austausch bzgl. gegenseitiger Hilfe und Infos im Vordergrund – soziale Aktivitäten die mit persönlichen Treffen einhergehen werden von solidarischen und verantwortungsvollen Menschen im Moment ja vermieden.

Auch wenn dies nicht viel erscheint – es ist der Versuch von Menschen sich spontan, selbstbestimmt und vor allem unabhängig vom Staat und seinen Institutionen zu organisieren.
Dies resultiert aus der Einsicht, dass gegenseitige Hilfe und Solidarität die Basis von Gesellschaft sind und wir alle davon abhängig sind. Vielleicht nicht alle zur gleichen Zeit und im gleichen Maße aber die aktuelle Krise hat sehr deutlich gemacht, dass wir nur als Gemeinschaft eine Überlebenschance haben.

Weiterlesen

zum Thema Soziale Kämpfe: