Ein Jahr nach Hungerstreik am Bürglkopf *** Update über das Rückkehrzentrum in der Gemeinde Fieberbrunn

veröffentlicht am 7. September 2020

Nicht nur wir die Initative „Rückkehrzentren schliessen“, sondern auch die Tiroler Strassenzeitung „20er“ hat in ihrer aktuellen Ausgabe (Juli/ August 2020) die Lage am Bürglkopf recherchiert.

Gemeinsam haben wir uns die Frage gestellt: „Hat sich die Lage der aktuell 90 Bewohner*innen im Rückkehrberatungszentrum Bürglkopf verbessert?“

Ein Bewohner dessen Name zu seiner Sicherheit anonym bleibt, schildert die Lebenssituation im Ausreisezentrum sehr trist und hoffnungslos.
Auch nach über einem Jahr nach Veröffentlichung der skandalösen Zustände, dem Hungerstreik und den vielfältigen Protesten hat sich nur wenig geändert!
Essen, schlafen, Medikamente gegen depressive Stimmungen und warten, dass die Zeit vergeht. Dabei nur ganz wenig Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Eintönigkeit, keine Privatssphäre, keine Selbstbestimmung, Knastähnliche Verhältnisse…
Nicht einmal eigenständiges kochen ist erlaubt. Es gibt nur fixe Essenszeiten an denen Speisen ausgegeben werden. Außerhalb dieser Zeiten haben die Bewohner*innen keinen Zugang zu Grundnahrungsmitteln oder eigenen Kochmöglichkeiten.
Ein Bus der unter der Woche unregelmässig vom 1250m liegenden Bürglkopf nach Fieberbrunn fährt.
Und selbst das ist ein seltener Lichtblick. Am Wochenende fährt der Bus ohnehin nicht. Außerdem fasst er nur maximal 10 Personen und fährt nur 2mal am Tag. Was bei über 80 internierten Menschen im Rückkehrzentrum viel zu wenig ist.

Vor einem Jahr, seit Sommer 2019 begann sich durch den Hungerstreik, die Aufmerksamkeit der Zivilgesellschaft auf Rückkehrzentren (Bürglkopf und Schwechat) zu fokussieren.
Zahlreiche Institutionen, religiöse Gemeinschaften, Politiker*innen, Privatpersonen und diverse Communities befanden die Rückkehrberatungszentren generell als menschenunwürdig und unterstützten den Protest der Menschen am Bürglkopf und der Initative Bürglkopfschliessen (mehr dazu unter # Bürglkopfschliessen) .

Die damalige Petition zur Schliessung dieser Zentren erreichte
tausende Unterschriften.

Ein Jahr später hat sich durch den Hungerstreik und dem damit verbundenen medialen Aufschrei, zuerst schien es so, als würde sich durch den Medienwirbel und einen Besuch der UNCHR gemeinsam mit dem damaligen Innenminister ein langsamer Abbau des Asylzentrum am Bürglkopf stattfinden. Schlußendlich in Covid-19 Zeiten hat sich dann doch strukturell nur weniges verändert.

Was hat sich de Facto wirklich verändert?:

  • Es wurde ein neues, eigenes Rückkehrberatungsberatungszentrum für Familien und schulpflichtige Kinder in Bad Kreuzen eingerichtet. Alle Familien mit Kindern die in der Schulpflicht sind und ansonsten in anderen Rückkehrberatungszentren interniert wurden, werden dorthin gebracht.
  • Es wurde ein psychologischer Dienst – bestehend aus einer Fachkraft angestellt um das Zentrum am Bürglkopf zu besuchen. 3 bis 4mal in der Woche gibt es diesen Besuchstermin. 1 Fachkraft auf durchschnittlich 70 bis 90 Personen die die Menschen psychologisch betreuen soll. Eine unmöglich zu schaffende Aufgabe bei diesen geringen Ressourcen.
  • Die Bewohner*innen des Zentrums können, wenn sie Jobs im Haus oder in den umliegenden Gemeinden finden diese für 1,60 Euro pro Stunde durchführen.
  • Selbst wenn die Arbeitgeber freiwillig mehr zahlen würden, ist dies gesetzlich nicht möglich. Zustände, die weder für die Bewohner*innen noch für Arbeitgeber*innen nachvollziehbar sind. Sowie menschlich entwürdigend für die Bewohner*innen.
  • Es werden privat initativ und durch eine NGO unabhängige Rechtsberatungen angeboten. Alleine motoviert aus Gründen den der Solidarität und menschlichem Zusammenhalt. Dies ist unbedingt notwendig da stattliche Rechtsberatungen den Menschen in vielen Fällen nicht weiter helfen wollen oder durch die Verstaatlichung von Asylrechtsberatungen nicht können.
  • Mehr dazu unter: https://www.fairlassen.at/
  • Das Rückkehrberatungsberatungszentrum, nahe Flughafen Schwechat wurde in der Covid-19-Hochphase aufgelöst und die ehemaligen Bewohner*innen nach Traiskirchen gebracht. Die Initative gegen Rückkehrzentren berichtete im Frühjahr dieses Jahres, von humanitären Verstößen im Lager Traiskirchen, diese Ungerechtigkeiten konnten aber gerichtlich erfolgreich geklagt werden.

Betrieben wird das Beratungszentrum, im Auftrag des BMI, von einer Schweizer Unternehmensgruppe.

Gegen ORS liegt in Kanton Zürich momentan eine Klage vor, dass ORS
seine Schutz-und Handlungspflicht zur Eindämmung der Corona-Pandemie in
Asylunterkünften in der Schweiz, nicht oder nur ungenügend befolgt.
Die Strafanzeige beträgt über 70 Seiten und umfasst umfangreiche Misstände die minutiös belegt werden können. Unter anderem geht es um Nötigung, Körperverletzung oder vorsätzlicher Widersetzung gegen die Covid-19-Verordnung.

Obwohl die Firma auf ihrer Website angibt professionelle Asylbetreuung und
Integrationsarbeit zu leisten und von sich behauptet ein politisch neutrales Unternehmen zu sein, hat ihre gewinnorientierte Unternehmensführung in unterschiedlichen Ländern zu starken Prekarisierung von Asylwerber*innen geführt.
Ein Fakt ist ebenfalls, dass ORS und Securitas miserable Arbeitsbedingungen für Arbeiter*innen schaffen. Schlechte Arbeitsbedingungen sind jedoch niemals eine Ausrede oder Begründung für die oben genannten Gewalttaten!

Das BMI ist mit Auskünften ebenfalls sehr sparsam. Auch auf die Frage
warum, das Zentrum an diesem Ort überhaupt noch in Betrieb ist!? Neben aller menschenrechtlicher Bedenken und dem Isolationscharakter wurde 2006 das Heim aufgrund seiner Lage zusätzlich noch vom Tiroler Rechnungshof als unwirtschaftlich eingestuft. Sein weiter bestehen entbehrt auch jeder wirtschaftlichen Grundlage!

Trotz der Isolation, dem staatlichen Druck zu freiwilligen Rückkehr,
können die Menschen am Bürglkopf und in den anderen österreichischen Lagern, Hoffnung und Freude empfinden.
Besonders wenn Leute sie besuchen kommen, ihre Geschichten in die
Öffentlichkeit bringen und sie nicht in ihrer erzwungenen Abgeschiedenheit am Berg oder in anderen Asylcamps vergessen werden.

Falls ihr Zeit und Kraft habt besucht die Menschen!
Lassen wir sie nicht alleine!

Helft mit
Rückkehrzentren zu schliessen! Alle Lager schliessen! Überall!

Dieses Jahr feiert der March of Hope Europe 5 Jahre Geburtstag!
https://www.welcome-united.org/en/4168-2/

Feiern wir mit! No border, no nation, stop deportation,#leavenoonebehind.
Machen wir diese rassischtischen Grenzregime sichtbar!

rueckkehrzentrenschliessen.org

Wiener Vernetzung gegen Abschiebung

#buerglkopfschliessen

crossbordersolivienna

Findet ihr einige spannende Veranstaltungen dazu.

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