Einige Gedanken zu Covid-Tests und Safety Culture

veröffentlicht am 30. September 2020

Der folgende Text stützt sich auf Erfahrungen, die wir gemacht haben. Wir können nicht garantieren, dass das immer so funktioniert. Alle Infos sind bezogen auf die Lage in Österreich.

Wenn in eurem Umfeld jemand positiv auf Covid-19 getestet wird, empfiehlt es sich, nicht panisch zu handeln. Es ist wichtig, einen guten Umgang mit der Situation zu finden. Bedenkt auch, dass ihr euch in einem potenziell kriminalisierten Umfeld befinden könntet.

Wer mit Covid-19 in Kontakt kommt, kommt unweigerlich auch in Kontakt mit den Behörden. Dabei ist selbstverständlich Vorsicht geboten: positiv Getestete werden von den Behörden aufgefordert anzugeben, mit wem sie Kontakt hatten. Außerdem ist jeder Test, egal ob positiv oder negativ, eine DNA-Probe, von der wir nicht genau wissen, was damit passiert und wer sie vielleicht in die Hände bekommt.

Einige Grundsätze im Umgang mit Repression sind auch nützlich, wenn in eurem Umfeld jemand positiv auf Covid-19 getestet wird. Zum Beispiel: ruhig bleiben und nicht die Nerven wegschmeißen. Keine Spekulationen in persönlichen Gesprächen, über (mehr oder weniger sichere) Messenger-Dienste oder Social Media. Wer muss was wissen? Es ist für Leute wichtig zu wissen, ob sie mit einer positiv getesteten Person in Kontakt waren. Überlegt euch, wie ihr diese Information angemessen an die Betreffenden weitergebt. Ein nicht-stigmatisierender Umgang ist unerlässlich um gut reagieren zu können: wenn Leute nicht das Gefühl haben, ihnen werde die Schuld für ihre Ansteckung gegeben, werden sie keinen Grund haben, ihren positiven Test zu verschweigen.

Natürlich gibt es trotz DNA-Abgabe und Kontaktlisten gute Gründe, sich testen zu lassen.

Wer nicht als Verdachtsfall gilt, kann sich über eine_n Hausarzt_ärztin testen lassen. Das kostet allerdings ca. 150-200€.

Wie kommt ma gratis an einen Test?
Uns sind folgende Möglichkeiten bekannt:
1) Die Hotline 1450 anrufen und sagen ma hat Symptome, und diese beschreiben.
2) Die Hotline 1450 anrufen und sagen, dass ma Kontakt hatte mit einer positiv getesteten Person, und dabei
(a) deren Namen nicht nennen, entweder weil ma nicht gefragt wird, oder ausweichen
(b) deren Namen nennen. Dann kann es sein, dass das mit deren Kontaktliste abgeglichen wird.
3) Für Leute, die in der Lohnarbeit mit Risikogruppen zu tun haben (Stichwort „Sozialbereich“), hat es schon funktioniert, direkt zu einem öffentlichen Krankenhaus zu gehen und sofort einen Test zu verlangen, weil entschieden werden müsse, ob die Einrichtung geschlossen werden muss. (Mit Nennung der Einrichtung.)
4) wenn ma von einer positiv getesteten Person auf deren Kontaktliste geschrieben wird
5) Bei einem stationären Aufenthalt im Krankenhaus
6) Manche Betriebe zahlen Mitarbeiter_inne bis zu zwei Tests

Die Hotline 1450 zeichnet übrigens alle Gespräche auf. Anrufer_innen werden zu Beginn des Anrufs von einem Band informiert, dass sie dem entweder zustimmen und den Anruf fortsetzen können, andernfalls sollen sie auflegen. Auf www. 1450. at sind die Kontakdaten der Datenschutzbeauftragten für das jeweilige Bundesland zu finden, welche für die Löschung zuständig seien. Uns wurde auf Nachfrage bei einem/r solchen Beauftragten gesagt, dass zwar die Möglichkeit bestehe ein Löschungsbegehren zu stellen, die aufgezeichneten Anrufe aber trotzdem 3 Jahre bzw. bis nach Ende der Bekämpfung der Covid-Pandemie gespeichert bleiben würden.

Vorsicht mit Kontaktlisten! Absprechen, wer auf die Liste will und wer nicht
Wer muss so eine Liste ausfüllen: Leute, die positiv getestet werden und manche Leute bekommen die Liste auch vor der Testung. Für Leute, die letztlich negativ getestet wurden, hat es funktioniert, die Liste nicht auszufüllen. (Kontaktlistenformular siehe Anhang)

Wer auf der Kontaktliste einer positiv getesteten Person steht, bekommt einen Absonderungsbescheid gemäß §7 Epidemiegesetz 1950. In einem uns vorliegenden Absonderungsbescheid (siehe Anhang) steht u.a., dass die betroffene Person ihre Wohnung nicht verlassen und keinen Kontakt mit Personen haben dürfe, die nicht im selben Haushalt leben. Außerdem kann die Person in eine „Krankenanstalt“ eingewiesen werden, sofern Ärzt_innen das für nötig halten. Zusätzlich müsse ein Fiebertagebuch geführt werden; die Messergebnisse seien der Bezirksverwaltungsbehörde mitzuteilen, falls diese das verlangt.

Positiv Getestete bekamen teilweise Besuch von den Cops oder dem Ordnungsamt. Die Bezirksverwaltungsbehörde „kann im besonders gelagerten Einzelfall die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ersuchen, die verfügte Absonderungsmaßnahme erforderlichenfalls unter Anwendung von Zwangsmitteln zu überwachen.“ (Zitat Absonderungsbescheid).
Wir wissen von keinen negativ Getesteten, bei denen die Einhaltung des Absonderungsbescheides überprüft wurde.

Ein Verstoß gegen einen Absonderungsbescheid laut §7 Epidemiegesetz hat AN SICH keine strafrechtlichen Folgen, sondern zieht maximal eine Verwaltungsstrafe nach sich. (Geldstrafe bis zu 1450 €. Erfahrungsgemäß fällt die tatsächliche Strafhöhe bei Verwaltungsdelikten erheblich niedriger aus als das Höchstmaß.) Allerdings wurde in Österreich mindestens eine Person strafrechtlich wegen der „fahrlässigen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten“ (§ 179 StGB) verurteilt, weil sie trotz positiven Tests mehrmals gegen den Absonderungsbescheid verstieß.

Wer als Verdachtsfall gilt, bekommt einen Anruf von den Gesundheitsbehörden und/oder der Bezirkshauptmannschaft. Das betrifft Personen, die aufgrund ihres Anrufes bei 1450 als Verdachtsfall gelten, und jene, die auf einer Kontaktliste stehen. Was genau dann gefragt wird, hängt von der jeweiligen Sachbearbeiter_in ab. Beispiele für Fragen sind: „Waren Sie in den letzten drei Wochen im Ausland? Sind Sie zuhause? Wann haben sie die positiv getestete Person zum letzten Mal gesehen? Wohnen Sie alleine?“

Besteht bei einem Anruf der Behörden unbedingt darauf, euch alle Dokumente per E-Mail schicken zu lassen und weigert euch, deren Fragen direkt am Telefon durchzugehen. So könnt ihr nicht überrumpelt werden und habt Zeit euch abzusprechen.

Bevor ihr euch testen lasst, sprecht unbedingt ab, wer von euren Kontakten (nicht) auf eurer Liste stehen will, falls ihr positiv getestet werdet.
- Die Kontaktpersonen von positiv Getesteten bekommen einen Absonderungsbescheid. Das heißt, sie können nicht mehr selbst entscheiden, ob sie ihre Wohnung verlassen. Das gilt auch, wenn sie selbst negativ getestet werden!
- Ma kann nie wissen, welche Gründe Leute haben, ihre Bekanntschaft miteinander vor den Behörden verbergen zu wollen. Vielleicht haben zwei Leute gerade ein Strafverfahren laufen, in dem es wichtig ist, dass nicht nachgewiesen werden kann, dass sie einander kennen.

Aufruf zum Austausch
Unsere Überlegungen zum Umgang mit Covid-Tests und Safety Culture entspringen unserer eigenen Erfahrung, die naturgemäß begrenzt ist. Wir fänden es sinnvoll und rufen dazu auf, eure Erfahrungen ebenfalls zu teilen.
Eine offene Frage ist z.B. wie Personen, die nicht krankenversichert sind, an einen Test kommen.

Beispiele für Absonderungsbescheid & Kontaktlistenformular hier: https://de.indymedia.org/node/106624

Weiterlesen

zum Thema Staat & Herrschaft:

zum Thema Überwachung: