Ganz Wien hasst Österreich? - Demobericht zum 6.3.

veröffentlicht am 10. März 2021

Am Samstag, den 06.03 gab es in Wien wieder einmal eine österreichweite Demo von Corona-Leugner*innen. Dass die Demo verboten war und das Verbot von der Polizei aufgrund der üblichen Mischung aus Überforderung und Unwillen nicht durchgesetzt wurde, war dabei zu erwarten. Von skandalierender Kritik an der unfähigen Polizei, wie sie immerzu von Linken in sozialen Medien betrieben wird, halten wir wenig, weshalb wir unsere Analyse auf die antifaschistischen Interventionen richten wollen

Es zogen am Samstag also wieder um die 10.000+ „Corona-Gegner*innen“ durch Wien, um gegen die Corona-Maßnahmen der österreichischen Regierung zu protestieren. Zunächst möchten wir festhalten, dass wir selbst auch davon überzeugt sind, dass Protest gegen das autoritäre und auf individuelles Handeln setzende Pandemiemanagement absolut notwendig ist. Von linken, staatstragenden Programmen wie #ZeroCovid halten wir jedoch ebenso wenig wie von reaktionären „Freiheits“-Bewegungen. Auch wenn es sich bei den „Corona-Gegner*innen“ sicherlich nicht nur um Rechte oder gar Nazis handelt, sollte man die Gefährlichkeit der Bewegung nicht unterschätzen. Das liegt nicht nur an der starken Beteiligung von rechten Akteur*innen und Strukturen an der Demo, die diese organisatorisch regeln und anführen sowie optisch und mit Parolen prägen, sondern auch an der offensichtlichen Gleichgültigkeit und Verharmlosung der sonstigen Demo-Teilnehmer*innen und den ideologischen Schnittmengen zwischen den demonstrierenden Fraktionen: Man mag den Impuls nach zahllosen Einschränkungen, nach dem x-ten Lockdown - obwohl schon nach dem ersten das Ende der Pandemie versprochen wurde - nachvollziehbar und richtig finden, doch hat dieser Impuls bei den Demo-Teilnehmer*innen längst eine reaktionäre Form gefunden. Das zeigt sich daran, dass es den Teilnehmer*innen - auch denen, die nicht offensichtlich rechts sind - in erster Linie nicht um soziale Fragen geht, sondern um die Ablehnung einer angeblichen Diktatur. Österreich- oder Deutschlandfahne schwenkende Bürger*innen, die rumschreien sie seien gegen Faschismus und Diktatur - kein Kommentar. Das rot-weiße Volksfest geht folglich einher mit einem Fokus auf Masken, die man auf keinen Fall tragen möchte, sowie mit einer allgemeinen Verharmlosung der Corona-Pandemie, die durchaus die kleinbürgerliche Verdrängung und Naturalisierung sonstiger (sozialer und ökologischer) Probleme und Konflikte fortsetzt. Auch wenn wir gerne antiautoritäre und linke Beteiligung an Proteste gegen das staatliche Pandemiemanagement sehen und unterstützen würden, sind die Proteste in Wien dafür absolut nicht geeignet und alles andere als auch nur in irgendeiner Weise progressiv.

Vielmehr halten wir es gegenwärtig angesichts der starken Beteiligung rechter Strukturen und eines breiten reaktionären Milieus notwendig die Dynamik dieser Bewegung anzugreifen und unterbrechen. Schließlich hat die Erfahrung der letzten Jahre europaweit gezeigt, dass rechte Mobilisierungen auf der Straße für eine Stärkung rechter Strukturen und Parteien sorgen und die Demo-Teilnehmer*innen sich radikalisieren, was die Anwendung von Gewaltmittel angeht. Außerdem erfahren sie Legitimation durch die Größe der Bewegung, organisieren und vernetzen sich untereinander und sammeln Protesterfahrungen, die dann auch anderswo zur Anwendung kommen. Auch die sogenannten Mitläufer*innen wird man vermutlich großteils nicht durch gutes Zureden von der Teilnahme an einer solchen Demonstration abhalten, sondern vielmehr durch Abschreckung. Freilich heißt es in einer Demo-Situation, in der oft auf den ersten Blick nicht zwischen tatsächlichen Rechten, mitlaufenden Kurz-muss-weg-Schreier*innen und sonstigen Leuten, die irgendwie die Corona-Maßnahmen kritisieren wollen, unterschieden werden kann (wenn man nicht gerade die Gesichter erkennt) die Mittel geschickt und passend zu wählen.

Wir haben uns diesmal also dazu entschieden an der Antifa-Fahrrad-Demo teilzunehmen und wollen nun von unseren Erfahrungen berichten. Nachdem die letzten Male der Gegenprotest recht schwach ausfiel, war es diesmal anders. Im Votivpark sammelten sich während einer kurzen Kundgebung mehrere hundert Antifas auf Fahrrädern. Auch einige Rechte, die die Kundgebung abfilmten, befanden sich dort und konnten sich leider recht frei bewegen. In Zukunft wäre es sicher sinnvoll, diese am Filmen zu hindern bzw. zumindest abzuschirmen. Dasselbe gilt in gewisser Weise für die Fahrrad- und Motorrad-Cops, die die Demo kontinuierlich begleitet haben. Insbesondere die Fahrräder ließen sich recht einfach unbrauchbar machen, was für den Rest des Tages eine dichte Begleitung verhindern hätte können.

Auch wenn die Verfasser*innen im Vorfeld etwas skeptisch angesichts einer Fahrrad-Demo waren, muss das revidiert werden. Die Fahrrad-Demo sorgte durchaus für eine gewisse Dynamik und Schnelligkeit. Sich am Ring und sonst wo die Straße zu nehmen und sich als Mob autofrei über die Straße zu bewegen, ist nicht zu unterschätzen und bietet viel Raum für Aktionen aus der Demo heraus.

Am Schillerpark wurde im Verlauf der Demo der Weiterweg der Rechten durch eine erste Fahrradblockade versperrt, auch wenn es nicht gelang das Weiterkommen vollständig zu blockieren. Die Leugner*innen drängten sich trotz Rangeleien auf den Gehsteigen und an die Hauswand gedrückt an der Blockade vorbei. Dass dabei einige rechte Bürger*innen offensichtlich verängstigt waren, ist ein schöner Nebeneffekt. Auch einige Eier fanden ihren Weg in die Corona-Demo. Sanfte Methoden wie Eier und Farbe sind durchaus geeignete Mittel der Demo auch dort entgegenzutreten, wo es sich nicht um rechte Kader handelt. Nach dem Eintreffen der Cops setzte der Fahrrad-Mob seine Reise fort. Zum wiederholten – und nicht zum letzten Male – ging es dabei in eine Sackgasse, sodass wieder umgedreht werden musst. Da wäre etwas mehr Voraussicht der Demo nötig gewesen, zumindest an den wichtigsten Punkten wäre es möglich, diese auszukundschaften bzw. zu spotten, um solche Sackgassen zu vermeiden.

Die Dynamik der Fahrrad-Demo führte auch dazu, dass die Bullen noch überforderter waren als sonst und sich auf eine Trennung der Demos beschränkte. Auch dies gelang meist mehr schlecht als recht. An der Urania wurde die Fahrrad-Demo von einer starken Polizeikette wieder zum Umdrehen gezwungen. Daraufhin bog die Demo in die Marxergasse ein. Zu diesem Zeitpunkt bewegte sich jedoch die rechte Demo bzw. zumindest ein größerer Teil der Demo, angeführt von den paar Hools, auf die Fahrrad-Demo zu. Dabei hätte es Sinn gemacht nicht gleich weiterzufahren, sondern an dieser Stelle der Wienzeile zunächst eine Blockade zu errichten, auch weil es für die rechte Demo an der Stelle nicht viele Ausweichmöglichkeiten gegeben hätte. Es wäre zumindest ein Versuch wert gewesen, das Weiterkommen der Rechten an dieser Stelle aufzuhalten. Auch hier war die Kommunikation innerhalb der Fahrrad-Demo schwierig bis unmöglich.

Dann ging es in den Prater, wo die FPÖ eine Kundgebung abhalten wollte und wohin sich auch die rechten Demos bewegten. Dort hinderte der Fahrrad-Mob nach einer kurzen Verschnaufpause eine Gruppe von wenigen Hundert Rechten die Straßenbahngleise zu überqueren und in den Prater zu gelangen. Böller sorgten für einige angsterfüllten Gesichter, eine brennende Österreichfahne konnte das ein oder andere nationale Herz zum Bluten bringen. Mit Eintreffen der Cops gab es eine kurze Offroad-Tour über eine Wiese, um auf die Prater Hauptallee zu gelangen. Grüße gehen an dieser Stelle an den heldenhaften Fahrrad-Bullen, der meinte mitten in der Antifa-Demo alleine eine Person festhalten zu müssen und dessen Gesicht bei diesem Versuch mehrfach in direkten Kontakt mit dem Erdboden kam. Wie immer hat es sich gelohnt hier wachsam zu sein, die oder andere Festnahme lässt sich durch schnelles und entschlossenes Handeln auf einfache Weise verhindern. Ein Tag ohne Festnahmen ist fast schon ein guter Tag.

Dann kam es auf der Prater Hauptallee zu einer Blockade, die das Vorwärtskommen der rechten Demo zunächst für einige Zeit verhinderte. Allerdings war die Blockade von Anfang prekär, da der Bereich neben der Straße viel zu groß war, um blockiert zu werden. Dass die Rechten darauf auswichen, wurde zunächst durch die dort aufgestellten Bulleneinheiten verhindert. Als diese allerdings wieder einmal ihr großartiges taktisches Gespür zeigten und eine zusätzliche Kette auf einer Seite der Blockade zogen, umflossen die Rechten die Demo auf der Seite. Dabei kam es fast sofort zu Auseinandersetzungen zunächst mit übermütigen Bürger*innen und anschließend mit der rechten Hool-Fraktion. Auch wenn insbesondere linke Journalist*innen gerne nur über einen Hool-Angriff und einen Pfefferspray-Einsatz der Polizei berichteten, muss man die Situation nicht schlechter darstellen als sie war. Die Angriffe der Hools konnten teilweise erfolgreich zurückgeschlagen und einige gelungene Konter gesetzt werden. So war zumindest unser Eindruck. Die Cops beschränkten sich, wohl aufgrund der Unübersichtlichkeit der Situation, auf eine Trennung der Lager, wodurch diesmal sogar der Eindruck entstehen konnte, dass sie gegen die Rechten vorgingen, auch wenn einiges an Pfeffer auch in Richtung Antifa-Demo losging. Anschließend löste sich die Antifa-Demo auf und es gelang ihr sich ohne uns bekannte Festnahmen aus dem Prater zu entfernen.

Die Antifa-Demo war auch, angesichts der letzten rechten Demos und den damals kaum vorhandenen Gegenprotest, durchaus ein kleiner Erfolg. Zum einen freuen wir uns über das Experimentieren mit neuen Aktionsformen, zum anderen waren diese sogar halbwegs erfolgreich. Durch die Demo wurde die Straße genommen und zumindest etwas Widerspruch formuliert, auf dem Fahrrad unterwegs zu sein sorgte für eine zusätzliche Dynamik und eine Überforderung der Bullen, welchen es auch nicht gelang, die Fahrrad-Demo zu kesseln oder Leute festzunehmen. Die Blockaden, auch wenn diese nicht allzu lange hielten, sowie die Auseinandersetzungen, in denen man durchaus erfolgreich war, sowie die Angst und die Entnervung bei einigen Rechten waren durchaus erfolgreiche Nadelstreiche.

Es blieb aber bei Nadelstichen. Man muss sich schlichtweg eingestehen, dass es allein aufgrund der zahlenmäßigen massiven Unterlegenheit, keine Möglichkeit aus antifaschistischer Sicht gibt, die Demo zu blockieren oder zumindest sie ständig unter Druck zu setzen und ihre Bewegungsfreiheit einzuschränken. Sofern es so bleibt wie es ist, wird es keine Möglichkeit geben, die Kontrolle über die Straße zu erlangen. Dafür sind wir bisher einfach zu wenige. Das heißt nun nicht, dass man diese Bewegung jetzt einfach sich selbst überlassen sollte. Noch ist ihre Dynamik nicht bis zu Ende abzuschätzen, noch ist nicht ausgeschlossen, dass daraus allerlei Gefährliches entsteht. Noch sollte man versuchen, dieser Bewegung auch auf der Straße entgegenzutreten. Es macht allerdings Sinn sich andere Ziele zu setzten als eine vollständige Blockade, wir wissen, dass man eine vollständige Kontrolle vorerst nicht erlangen kann. Das heißt natürlich nicht, dass es unsere Aufgabe wäre Versicherungsgebäude oder gar das Parlament zu schützen. Vielmehr wären andere Ziele zu wählen. Die Unordnung infolge der Demos und die daraus resultierende Überforderung der Bullen lässt sich auch von uns ausnutzen. Vielleicht lassen sich am Rande der Demo gezielter rechte Kader und Strukturen angehen ihnen den Tag vermiesen oder ihre Aktionen stoppen. Oder wir beschränken uns darauf einfach Teile der Demo so zu nerven, dass zumindest diese keine Lust mehr haben wiederzukommen. Bleiben wir unkontrollierbar!

Zu guter Letzt wollen wir nochmals ein paar Worte zum Protest gegen die Corona-Maßnahmen verlieren. Es ist schön, antifaschistische Intervention gegen Reaktionäre zu sehen, wir unterstützen diese selbstverständlich, daher auch unser Erfahrungsbericht zur Antifa-Demo. Wir sind uns jedoch auch bewusst, dass auf diese Weise nur begrenzt etwas gewonnen werden kann. Hierfür wäre in unseren Augen ein antistaatlicher und solidarischer Protest von Links absolut notwendig. Die Angriffe auf Kurz und die gesamte Regierung den Reaktionären zu überlassen ist nicht nur falsch, sondern fatal. Ohne klare antikapitalistische Perspektive auf die Pandemie als Teil der ökologischen Krise, ohne klare antistaatliche Perspektive auf den Lockdown als Teil der neoliberalen Menschenverwaltung und ohne klare Perspektive gegen die patriarchale Struktur der privaten Reproduktion, werden nicht nur Corona und Lockdown immer weitere Opfer fordern, sondern auch die Reaktionäre weiter im Aufwind bleiben.

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