Text in Solidarität mit den hungerstreikenden Gefährt*innen in Italien von der anarchistischen Gefangenen Lisa

veröffentlicht am 25. Juni 2019

Liebe Gefährt*innen,

ich möchte den anarchistischen Gefährt*innen, die sich derzeit in den Gefängnissen Italiens im Hungerstreik befinden, und all denen, die auf der Straße verfolgt werden, einen starken Gruß der Solidarität und Rebellion senden.

Die Notwendigkeit, gegen Gefängnisse, Isolation und all die immer ausgefeilteren Sicherheitsmaßnahmen vorzugehen, die für alle Gefangenen und insbesondere für die Kämpfer*innen gelten, die angeblich konfliktträchtig oder gefährlich oder sozial unangepasst sind, ist offensichtlich.

Kontrolle (sozial, physisch und psychisch) sowie Bestrafung und Isolation sind die Grundpfeiler des Gefängnissystems, hier und auf der ganzen Welt. Die Gesetze der Macht sind sehr simpel, und wer sich ihnen widersetzt, sowohl auf der Straße als auch im Gefängnis, wird bestraft und von einer sozialeren und ruhigeren Umgebung isoliert…. eingesperrt im Gefängnis, auch in Isolationstrakten, die nichts Anderes sind, als ein Gefängnis im Gefängnis. Manchmal sind es isolierte Abschnitte, die keinen Kontakt zu den normalen Abschnitten haben; und an anderen Orten sind es Strafzellen, die sich im gleichen Abschnitt befinden, in dem die Gefangenen interagieren, Solidarität zeigen, kommunizieren, aber auch die Bestraften bedrohen, ignorieren oder stigmatisieren können.

Im spanischen Staat gibt es das FIES-System (Internal File of Special Monitoring), ein System, das die politischen oder konfliktträchtigen Gefangenen kontrolliert, registriert und konditioniert. Das FIES III ist für die Gefangenen bewaffneter Gruppen bestimmt, was ursprünglich für die ETA und andere organisierte Gruppen gedacht war, aber wozu auch Anarchist*innen gehören, die wegen Terrorismus verurteilt, angeklagt oder verfolgt wurden.

Offensichtlich hängt es sehr stark vom Grad der Gefährlichkeit ab, nach dem der Staat uns klassifiziert, die FIES-Regeln auf jede*n Einzelne*n anzuwenden und in welches Gefängnis wir geschickt werden… es kann eine recht einfache Isolation sein und dem normalen geschlossenen Vollzug ähneln oder es kann eine superharte und super strenge Isolation sein.

Im Wesentlichen durchlaufen wir das Isolationsmodul in Soto del Real (Madrid). Es gibt vier Galerien – drei für Männer und eine für Frauen. Die Galerie der Frauen hat zehn Zellen und je nach Einstufung der Einzelnen dürfen sie in den Innenhof hinausgehen, zusammen oder nicht. Der Innenhof ist winzig klein, mit Drähten an der Decke. Es gibt dort absolut nichts außer einem Becken voller Scheiße und Müll.

In den Zellen sind das Bett, der Kleiderschrank, der Tisch und die Dusche fest verbaut. Nur wenige Gegenstände sind in der Zelle erlaubt, wie z.B. maximal 2 Bücher, die wöchentlich getauscht werden können.

“Gefährliche” Gegenstände wie Klingen, Nagelknipser oder Pinzetten dürfen nicht länger als eine halbe Stunde in der Zelle bleiben (dann werden sie eingesammelt). Der Knastladen öffnet einmal täglich und hat nur sehr wenige Produkte. Anträge und Briefe werden einmal täglich gesammelt, so dass man, wenn man etwas einsehen oder ändern will, auf den nächsten Tag warten muss. Das Licht kann von innerhalb der Zelle geregelt werden, aber nur, wenn es die Wärter*innen zulassen und es nicht von außen ein und ausschalten.

Die Anzahl der Zellendurchsuchungen hängt von den Wärter*innen ab, je nach Zeit oder Grund, aber es sind viele, ebenso wie die vielen Kontrollen mit Metalldetektoren und Scannern, wenn die Zelle verlassen wird.

Das “Positive” hier – insbesondere in Bezug auf die Isolation in anderen Ländern – ist, dass im Allgemeinen eine freizügigere Kommunikation möglich ist sowohl nach außen (tägliche Anrufe, […]) als auch zwischen Gefangenen (stundenlange Gespräche durch die Fenster, Briefwechsel zwischen Gefangenen …), so dass die Isolation nicht so gravierend ist, wie es zum Beispiel in den nordeuropäischen Ländern der Fall sein kann.

Wenn sie allerdings jemanden sehr hart bestrafen wollen, können sie ihn in viel härtere Isolationsmodule stecken, Galerien der völligen Isolation schaffen… Das Essen wird durch ein Loch auf Hüfthöhe in die Zelle gegeben und nur über dieses Loch kann der*die Gefangene mit dem Personal kommunizieren – was nichts anderes als eine Demütigung ist, um die Stärke der Gefangenen zu brechen.

Nach einer meist mehrere Monate dauernden Beobachtungszeit in Isolation werden die Gefangenen in der Regel in Module ersten Grades versetzt, die darauf ausgelegt sind, dort mehrere Jahre zu bleiben. Sie können aber auch Gefangene, die besonders bestraft werden – meist für Terrorismus – in völliger Isolation einsperren, ohne Möglichkeit mit anderen Gefangenen zu kommunizieren oder bei angeblich sehr gefährlichen Personen maximale Sicherheitsvorkehrungen treffen… wie immer durch Bestrafung und Prävention…

In Deutschland gibt es auch Isolationsmodule. In Köln zum Beispiel nur für Männer… aber auch Frauen können in diesen Modulen isoliert werden oder aber in Modulen des Normalvollzugs. Dann gibt es extreme Strafzellen, die sogenannten „Bunker“, in denen die Gefangenen nur einen Satz Gefängniskleidung haben dürfen und 24 Stunden komplett alleine verbringen, kein Fenster, keine Verbindung zur Außenwelt… aber normalerweise ist man dort nicht länger als ein paar Tage oder maximal ein paar Wochen. Dennoch ist die dort empfundene Ungerechtigkeit und Machtlosigkeit enorm.

Die Isolation hinterlässt immer starte Nachwirkungen; diejenigen die sie erlebt haben, werden sie nie vergessen, und der Wahnsinn und die Wut, dies erlebet zu haben, nehmen nur zu. Es gibt viele Menschen, die es nicht überleben. Alles hängt stark von der mentalen (und physischen) Stärke ab, und auch von der Unterstützung und Solidarität von außen.

Auf politischer Ebene ist es offensichtlicher, dass sie versuchen uns zu isolieren, nicht nur von der Außenwelt, sondern auch von anderen Gefangenen, mit denen wir Komplizenschaft und Bewusstsein für den Kampf gegen dieses Bestrafungssystem, das Gefängnis und die Autorität schaffen könnten. Aber jede Geste der Gemeinschaft und Solidarität, die drinnen und draußen gelebt wird, und jede Beharrlichkeit und Entschlossenheit, sich ihrer Isolation zu widersetzen, genauso wie all ihren Systemen der Unterdrückung und des Elends, zeigt, dass sie unseren Kampf und unsere Leidenschaft für völlige Freiheit niemals zerstören können.

Kraft, Wärme, Liebe und Solidarität für die Gefährt*innen im Hungerstreik in Italien!
Du bist nicht allein! Die Kämpfe gehen weiter!
Gegen Bestrafung, Isolierung, Gefängnisse und alle Arten von Autorität!
BIS WIR ALLE FREI SIND!

LISA
C.P Brians 1
Juni 2019

Quelle: amw english, übersetzt von abc wien
https://www.abc-wien.net/?p=7481

Weiterlesen

zum Thema Anti-Knast:

zum Thema Anti-Repression: