Zustände auf Lesbos für Europa nicht tragbar

veröffentlicht am 8. März 2020

Delegation aus Land, Kommune, Kirche und der Bewegung SEEBRÜCKE aus Deutschland will in Griechenland Zeichen für Humanität setzen. - Pressemitteilung von Pressestellen unterschiedlicher Delegationsteilnehmer*innen, Berlin, 25. Februar 2020.

Die Situation im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos wird für die dort ausharrenden Menschen immer unerträglicher. In Lagern, die für 3.000 Menschen angelegt sind, sind derzeit mehr als 20.000 Flüchtlinge untergebracht. Seit Monaten gibt es vor Ort zum Teil heftige Proteste gegen die Zustände.

Sämtliche Initiativen, wenigstens Familien oder Schutzbedürftige anderweitig unterzubringen oder ausreisen zu lassen, sind bislang gescheitert. Demgegenüber stehen in Deutschland tausende Plätze in aufnahmebereiten Kommunen und Städten bereit, die nicht genutzt werden können.

Vom 27. bis 29. Februar 2020 reist nun eine Delegation aus Land, Kommune und Kirche nach Griechenland, um den Menschen dort ihre Solidarität auszudrücken und sich selbst einen Eindruck von der Situation vor Ort zu verschaffen. Teilnehmen werden der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, Prälat Martin Dutzmann, der Staatssekretär für Integration des Berliner Senats, Daniel Tietze, der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Potsdam, Mike Schubert, der Erste Bürgermeister der Stadt Rottenburg, Thomas Weigel, sowie Liza Pflaum, Vertreterin der Organisation SEEBRÜCKE.

Am 27. Februar trifft sich die Delegation in Athen mit Vertreter*innen von Hilfsorganisationen und besucht ein Lager für unbegleitete Kinder. Am 28. Februar sind die Delegationsteilnehmer auf Lesbos und besuchen Moria einschließlich der Lagerteile außerhalb des offiziellen Geländes. Geplant ist außerdem ein Treffen mit dem Bürger*innenmeister von Lesbos, Spyros Galinos.

Im folgenden einige Vorabstatements der Delegationsteilnehmer*innen:

Prälat Martin Dutzmann, Bevollmächtigter des Rates der EKD:
„Das Leid der Schutzsuchenden in Moria ist der Europäischen Union unwürdig. Es fehlt an allem. Außerdem wird geltendes Recht nicht ausreichend genutzt, um die Krise zu lindern: Familienzusammenführungen wären ein hilfreicher Weg Griechenland - und viele Geflüchtete - zu unterstützen. Gerade Deutschland lehnt diese Gesuche aber viel zu oft ab.“

Staatssekretär Daniel Tietze, Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales:
„Berlin ist ein aktives Mitglied des Bündnisses „Städte sicherer Häfen“ und solidarische Stadt. Wir sind bereit und in der Lage, Menschen in Not bei uns aufzunehmen. Besonders schutzbedürftig sind Kinder und Jugendliche ohne Begleitung, die unter unhaltbaren Zuständen in Flüchtlingslagern am Rande Europas leben. Von den Zuständen vor Ort werde ich mir jetzt auf Lesbos im Lager Moria selbst ein Bild machen.
Angesichts der lebensgefährlichen Flucht übers Mittelmeer und der dramatischen Lage für die Geflüchteten auf dem Festland muss sich auch der Bund endlich bereit erklären, diese Menschen bei uns aufzunehmen und allen aus Seenot geretteten Geflüchteten ein rechtsstaatliches Asylverfahren zu eröffnen. Städte und Kommunen in Deutschland sind schon längst einen Schritt weiter. Als Mitglied im Städteverbund „Städte sicherer Häfen“ will Berlin 70 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge von den griechischen Inseln aufnehmen und ihnen Schutz bieten.“

Mike Schubert, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Potsdam:
„Die Landeshauptstadt Potsdam ist Teil der Allianz von Städten in Deutschland, die mehr geflüchtete Menschen aufnehmen kann und auch möchte. Vor allem den vielen Kindern, die allein in den Lagern leben, weil die Eltern tot sind, müssen wir helfen. Einen langfristigen und solidarischen Weg der EU für die Verteilung der Geflüchteten halte ich für wünschenswert, er ist aber aufgrund nicht zuletzt von Staaten wie Österreich und Ungarn in weiter Ferne. Dass es keine europäische Lösung gibt darf aber nicht heißen, den Menschen nicht zu helfen beziehungsweise die Lasten allein den Mittelmeerstaaten zu überlassen. Im Gegenteil, wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie Menschen im Mittelmeer ertrinken oder Kinder unter unmenschlichen Zuständen in Auffanglagern auf griechischen Inseln untergebracht sind.“

Thomas Weigel, Erster Bürgermeister der Stadt Rottenburg am Neckar:
„Als Bischofsstadt und erklärter Sicherer Hafen ist es Rottenburg am Neckar ein besonderes Anliegen, Menschen in Not zu helfen und dafür Sorge zu tragen, dass ein Fluchtweg sicher endet. Mit der Reise nach Lesbos möchte ich ein deutliches Zeichen setzen, dass wir bei den untragbaren Zuständen in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln nicht mehr länger zuschauen dürfen. Es ist für Europa nicht tragbar, dass dort Menschen unter Plastikplanen und grauenhaften Hygienebedingungen kampieren müssen. China schafft es aufgrund einer akuten Epidemie-Gefahr, eine Klinik mit 1.000 Betten in zehn Tagen zu bauen. Dann sollte Europa doch wohl in mindestens hundert Tagen in der Lage sein, für eine halbwegs menschenwürdige Unterbringung zu sorgen. Wir sind gerne bereit, wenigstens unbegleitete Minderjährige aus den Lagern zu holen und bei uns unterzubringen. Das Städtebündnis der Sicheren Häfen hat sich darauf verständigt, die zusätzliche Aufnahme aus humanitären Notlagen im Mittelmeerraum zu ermöglichen. Dies schließt sowohl die griechischen Inseln als auch unbegleitete Minderjährige ein.“

Liza Pflaum, Sprecherin der Bewegung SEEBRÜCKE:
„Es geht hier um die humanitäre Verantwortung, der Deutschland nachkommen muss. Es muss alles dafür getan werden, die griechischen Lager zu schließen und die Menschen sofort zu evakuieren. Städte und Länder sind hilfsbereit, wollen aktiv werden, aber werden vom Bund blockiert. Unsere Kommunen, unsere Städte und Gemeinden, müssen Zufluchtsorte für alle Menschen bleiben, die Hilfe und Schutz suchen.“


Aussendung der Seebrücke und weiterer Organistationen, hier geringfügig bearbeitet.

Delegation aus Land, Kommune und Kirche will in Griechenland Zeichen für Humanität setzen

Pressemitteilung, Berlin, 27. Februar 2020

* „Wir könnten sofort helfen. Die Blockade einer Lösung muss endlich aufhören“
* Delegation aus Kommunen, EKD und SEEBRÜCKE in Griechenland eingetroffen

Auf ihrer zweitägigen Reise zur Unterstützung von Geflüchteten in Griechenland machen sich die Teilnehmer*innen der gemeinsamen Delegation aus Kommunen, EKD und SEEBRÜCKE heute in Athen einen Eindruck zur Lage auf dem griechischen Festland. In Athen traf die Delegation Hilfsorganisationen und informierte sich insbesondere zur Situation von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Mehr als 5000 unbegleitete Kinder und Jugendliche befinden sich derzeit in Griechenland – viele hundert davon sind obdachlos.

Prälat Dr. Dutzmann dazu:
„Minderjährige Flüchtlinge, die ohne Eltern in Griechenland ankommen, brauchen besonderen Schutz. Es ist unverantwortlich, wenn geflüchtete Kinder und Jugendliche in Polizeigefängnissen inhaftiert sind oder auf der Straße leben müssen. Sie brauchen sofort eine adäquate und sichere Unterbringung.“

Zudem traf die Delegation Menschenrechtsverteidiger*innen von „Equal Rights Beyond Borders“, die alleinreisende Minderjährige rechtlich vertritt. Zum Teil in Eilverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte streitet die NGO für die Freilassung der Flüchtlingskinder, die unrechtmäßig inhaftiert sind.

Dabei haben viele der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die in Griechenland ankommen, das Recht auf Familienzusammenführung zu ihren Verwandten in Deutschland. „Deutsche Behörden lehnten in den vergangenen Monaten rund drei Viertel aller Gesuche Griechenlands ab. Viele dieser Ablehnungen sind rechtswidrig.“ berichtete Robert Nestler, Mitgründer der Organisation.

„140 deutsche Kommunen stehen bereit Schutzsuchende aufzunehmen. Vor allem für die Minderjährigen Kinder ohne Eltern braucht es jetzt eine Lösung. 500 unbegleitete Kinder unter 14 Jahren sind in den griechischen Hotspots behördlich registriert. Und 500 Plätze für unbegleitete Kinder haben deutsche Städte angeboten. Wir könnten sofort helfen. Die Blockade einer Lösung muss endlich aufhören. Lokale Entscheidungen zugunsten der Aufnahme müssen endlich akzeptiert werden“, unterstrich Mike Schubert, Oberbürgermeister von Potsdam.

Am heutigen Abend reist die Delegation weiter auf die Insel Lesbos. Für morgen ist dort ein Besuch des Lagers Moria geplant, wo die Situation weiterhin dramatisch ist: Das Lager ist völlig überfüllt, die humanitäre Situation katastrophal. Aktuell demonstriert die Bevölkerung der Insel gegen die Pläne der griechischen Regierung, geschlossene Haftlager zu errichten und dafür sogar Land enteignen zu wollen. Am Freitagmittag veröffentlicht die Delegation eine gemeinsame Erklärung mit politischen Forderungen.

und dann noch folgenden LINK:

Weitere Informationen in der Erklärung von Lesbos

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