Bericht von der Indymedia-Veranstaltung in Berlin (13.8.19)

veröffentlicht am 18. August 2019

Mit ca 40 Leuten war die Veranstaltung recht gut besucht. Ich habe noch nie auf einer linken Veranstaltung ein so konzentriert zuhörendes Publikum erlebt wie bei dieser; und das doch bei einem überwiegend recht drögen juristischem Thema (Vereinsrecht).

Matthias Monroy hatte einen Vortrag über die Geschichte von indymedia gehalten und ging dabei auch auf Unterschiede von linksunten und indymedia.de ein, die zumindest für mich auch ein paar Neuigkeiten enthielten. Laut seinen Ausführungen vertrat linksunten ein eher offeneres Moderationskonzept, während indymedia.de deutlich restriktiver mit Kommentaren umging / umgeht(?).
Kristin Pietrzyk berichtete über das juristische Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht, was aber inhaltlich nicht über das bereits Bekannte hinausging.
Auf eine Diskussion, ob es sinnvoller ist, die Prozeßstrategie (mehr) über die Meinungs- und Pressefreiheit (vergleich auch hier) aufzubauen oder zu behaupten, es gäbe gar keinen ’Verein linksunten’, wollte sie sich nicht einlassen, mit dem Argument, dass diese Strategie mit ihren Mandanten so abgesprochen sei und sie sich voll hinter ihre Mandanten stelle. Allerdings hob sie in ihrem Vortrag auch deutlich auf die Meinungs- und Pressefreiheit ab.
Bei allem Respekt für das Rechtsanwalt/Mandanten-Verhältnis, kann ich nicht umhin, mich zu fragen, ob es nicht mehr im Sinne ihrer Mandanten wäre, wenn man eine Strategie ändern würde, wenn neue Erkenntnisse eine Neubewertung erforderlich machen würden.[1]
Bei der anschliessenden Diskussion ging es um die Frage, welche Bedeutung indymedia heute haben könnte und wie man eine Solibewegung organisieren könnte. Erwartungsgemäss konnten diese Fragen nicht (abschliessend) beantwortet werden, sondern nur angerissen werden.
Als Fazit würde ich für mich ziehen:
(1) es gibt keinen (publizistischen) ’Ersatz’ für linksunten. Entweder wird das Verbot gekippt oder die linke muss mit dieser politischen Tatsache leben und sich dazu verhalten; wie auch immer.
(2) die linke ist heute eine andere als zu Beginn des Milleniums. Die Notwendigkeit einer zentralen, strömungsübergreifenden Plattform wird kaum (noch) gesehen. Entweder igelt man sich in seine eigenen Blogs und Webseiten ein oder findet Nischen in den etablierten sozialen Medien (facebook, twitter und co.; Matthias Monroy berichtete, dass twitter auf Software von indymedia basiert).
(3) um die Solibewegung zu verbreitern, müsste man die Notwendigkeit einer zentralen Plattform strategisch begründen und versuchen, eine Ausweitung auf das ’linksliberale’ Milieu zu erreichen[2]. Aber auch da muss man sagen, was in den 70ern (und teilweise noch in den 80ern) funktionierte, Linksliberale für Solidarität mit ’ganz links’ zu bewegen, scheint mir heute weitgehend abgeebbt zu sein. Dabei geht es gar nicht darum, morgen den ’Sturm auf das Winter ...ähh ... Palais Schaumburg’ zu planen, sondern ’nur’ darum, die Prinzipien einer bürgerlich-liberalen und demokratischen Rechtsordnung zu verteidigen. Mehr gibt das Kräfteverhältnis auf nicht absehbare Zeit eh nicht her. Und auch das wird schon schwer genug werden.
Und die Meinungs - und Pressefreiheit ist das Herzstück dieser liberalen Freiheitsrechte. Weil ohne die ’Freiheit des Geistes’ kein Fortschritt möglich ist.
 
[1] Kristin Pietrzyk betonte selbst, dass die Kriterien des Vereinsrecht sehr niedrig liegen. Nach langem, anfänglichen Zweifeln in dieser Frage scheint mir inzwischen die Wahrscheinlichkeit sehr hoch zu sein, dass die Bestreitung der Vereinsförmigkeit der BetreiberInnen von linksunten vor Gericht scheitern wird. (Zur juristischen Kritik siehe auch hier)
[2] Kristin sagte, ihr fehle linksunten. Weil sie dort Informationen fand für ihre Prozessführungen, was sie jetzt nicht mehr nutzen könne. Mehr solche Beispiele würden meines Erachtens das politische Anliegen stärker auch für liberale Kräfte flankieren und für breitere Bevölkerungsteile popularisieren.
 

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