Gilles Dauvé - Zur Ökologie 03/08: Die Ökologie – und die Bourgeoisie

veröffentlicht am 7. Februar 2022

Dritter Teil einer achtteiligen Serie zur Ökologie

Obwohl eine Minderheit der politischen Anführer dieser Welt ihre „Klimaskepsis“ zur Schau tragen, verstehen sich die meisten als ökologisch: in der UNO, im Vatikan, in Davos, an der Universität genau wie in den rechten Medien – und sogar bei einigen Tendenzen der extremen Rechten – in der extremen Linken – alle sind sie ökologisch. Die Ökologie gehört zur herrschenden Ideologie im 21. Jahrhundert.

1) Whistleblower und Konsens

Westeuropa hatte 1961 einen Organismus ins Leben gerufen, der mit der Förderung des Marktes, der Produktivität und des Liberalismus beauftragt war und dem sich danach die USA und Japan angeschlossen haben: die OECD.

Der vom Club of Rome in Auftrag gegebene „Meadows-Bericht“, der ein breites Spektrum der wirtschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Eliten des Westens repräsentierte, hob 1972 deutlich die Folgen einer zunehmenden (und unvermeidlichen) Diskrepanz zwischen demographischem Wachstum und Abnahme verfügbarer Ressourcen hervor. Die Grenzen des Wachstums war ein weltweiter Bestseller.

Die Gründung eines ökologischen Reflexionsorgans 1988, des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC), markiert einen Perspektivenwechsel. Die prioritäre Befürchtung ist nicht mehr der Mangel an (besonders fossilen) Ressourcen, sondern die Tatsache, dass man zu viel abbaut und die für die Natur genau wie für den Fortbestand der kapitalistischen Welt notwendigen Gleichgewichte gefährdet.

Nicholas Stern, ehemaliger Vizepräsident der Weltbank, warnte 2006: „Wenn die Individuen nicht für die Folgen ihrer Handlungen bezahlen, haben wir es mit einem Marktversagen zu tun.“ Es wäre notwendig, dass die Unternehmen und jeder von uns jetzt ein bisschen mehr bezahlen, um nicht bald viel mehr bezahlen zu müssen: Stern schätzte die Kosten der Passivität gegenüber dem Klimawandel auf zwischen 5 und 20% des jährlichen weltweiten BIP, statt nur 1% wenn wir heute reagieren.

Wie jene der vorhergehenden Berichte sind die Berechnungen von Stern umstritten, aber die Bourgeoisie hat den Denkzettel zur Kenntnis genommen. Das Big Business ist nicht mehr blind in Anbetracht einer Klimakrise, die es mit einem neuen Wachstum zu regeln hofft, das sich von jenem der „dreissig glorreichen Jahre“ unterscheidet, da es „ökoverantwortlich“ wäre, die Technologie von morgen soll die Schäden von jener von gestern beheben. Die Bourgeois geben zu, dass die kapitalistische Produktionsweise ein Problem darstellt – unter der Bedingung, dass sie auch als die Lösung betrachtet wird.

2) Kommodifizieren um zu schützen

Sterns Argumentation entspricht der kapitalistischen Logik: Die Unternehmen stossen Kohlenstoff aus, weil es sie nichts oder zu wenig kostet, sorgen wir also dafür, dass sie verhältnismässig dafür bezahlen müssen, und sie werden viel weniger davon ausstossen.

Alles wie gehabt: Wenn die Kommodifizierung der Welt dazu tendiert, alles zu umfassen, kann sich der (heilende oder präventive) Kampf gegen die Verschmutzung ihr nicht entziehen. Der Kapitalismus macht aus fast allem einen Profit: Die Entgiftung ist die Antwort auf ein zahlungskräftiges Bedürfnis, wird zu einer rentablen Aktivität und Reformer wie Stern beurteilen es als logisch und vernünftig, aus dem „Recht auf Verschmutzung“ eine Ware im Rahmen der „Kohlenstoffbörse“ zu machen. In der Praxis erhält oder kauft jedes Unternehmen austauschbare Quoten: Wenn es seine Emissionen reduziert, kann es seinen Quotenüberschuss anderen Unternehmen verkaufen.

Nach dem gleichen Modell spielt man mit dem Gedanken, jeden von uns mit einer „Kohlenstoffkarte“ auszustatten (heute freiwillig, morgen obligatorisch), die jedem eine individuelle jährliche Kreditquote einräumt, von der bei gewissen Einkäufen abgezogen wird, hier auch mit der Möglichkeit, die ausgegebenen oder eingesparten Kredite zu kaufen oder verkaufen. Die Verschmutzung würde monetarisiert werden und ihre negative Auswirkung in öffentlichen oder privaten Buchhaltungen eingetragen, wie es schon in den Bilanzen der Unternehmen der Fall ist.

Von Anfang an strebte die kapitalistische Produktionsweise nach jener „nachhaltigen Entwicklung“, die ihr entspricht, und ihre natürliche Neigung ist es, die Fehler des Marktes durch den Markt selbst zu korrigieren: Heutzutage wird das Unternehmen durch Besteuerung tugendhaft gemacht, wenn es zu viel Kohlenstoff produziert, oder belohnt, wenn es wenig genug davon produziert. Der Kapitalismus ist und wird „wirtschaftlich“ sein, wie er es immer war. Wenn die Europäische Union den Erfolg ihres „Emissionshandelssystems“ anpreist und für 2020 eine Reduktion von 21% der Kohlenstoffemissionen durch die 31 betroffenen Länder im Vergleich zu 2005 ankündigt, ist die Zahl wahrscheinlich anfechtbar, nicht aber die Realität eines gewissen „Fortschrittes“. Doch wenn sich weltweit betrachtet der Treibhauseffekt verstärkt, dann sind diese Fortschritte dem Problem nicht gewachsen.

3) Wie viel ist ein Ozean wert?

Die systematische Quantifizierung ergibt sich aus dem Produktivitätsimperativ. Führungskräfte von Google erklären, dass sie ihr Unternehmen „auf der Wissenschaft der Vermessung“ gegründet haben und sich anstrengen, „alles zu quantifizieren“. Was neu daran ist, ist die Tatsache, dass bis anhin vernachlässigte Parameter in finanzielle Rentabilitätsberechnungen einbezogen werden, menschliche, natürliche und sogar soziale Faktoren, aber auch sie reduziert auf Zahlen. Im Kapitalismus ist es logischerweise zu ihrem Schutz das beste Mittel, den Ozeanen einen Marktwert zu geben, indem ihre Ressourcen rational ausgebeutet werden, ohne sie aufzubrauchen. Wenn der World Wildlife Fund die „ozeanische Schatzkammer“ auf 24‘000 Milliarden Dollar schätzt und bekräftigt, dass ein Bruttomeeresprodukt, das nach dem Modell der nationalen BIP berechnet wird, aus den Ozeanen die siebte Weltwirtschaft mit einer jährlichen Produktion von Gütern und Dienstleistungen von 2‘500 Milliarden machen würde (das französische BIP war ungefähr 2‘800 Milliarden 2018), ist das jene Art von Diskurs, den die Kapitalisten verstehen. Es würde genügen, die Lagunen, Wälder, Korallenriffe oder Mangroven als Produktionsfaktoren zu zählen, und sie in die buchhalterischen Kosten der Unternehmen und Staaten zu integrieren, um ihre Einsparung obligatorisch zu machen. Es bleibt abzuwarten, ob und inwiefern dieser Diskurs Realität wird.

Die Quantifizierung des Qualitativen, das ist die kapitalistische Produktionsweise und das ist „der Wert“: Alles wird auf ein gemeinsames Element, auf eine gemeinsame Angabe reduziert, sie ist messbar da gemeinsam. Was nicht gezählt werden kann, zählt nicht, und was im Gegenteil gemessen werden kann, verbessert sich, erklärt uns ein Berater in einem Artikel, von dem man uns in Kenntnis setzt, dass er in drei Minuten gelesen werden kann. Alles muss also auf ein zählbares Verhältnis Kosten/Gewinn reduziert werden können. Bhutan misst das Bruttonationalglück; die UNO die world happiness; und der Tod misst sich in Dollar. Die Weltbank und die Wiederversicherer sind alarmiert aufgrund der durch den Klimawandel verschlimmerten Naturkatastrophen, die scheinbar zwischen 1980 und 2012 2.5 Millionen Personen „gekostet“ haben, sprich 3‘8000 Milliarden Dollar (berechnet den Preis eines menschlichen Wesens).

4) Das Wunder der Technik

Die Komplettierung der Ökonomie mit der Ökologie, die Kompensierung der Mangel ersterer mit letzterer, dafür reicht es, den Planeten mit einer Produktionsmaschine zu vergleichen und ihn wie einen Motoren mit Überdrehzahl zu reparieren. Es mangelt nicht an technologischen „Tricks“.

Durch Spiegel im Weltraum erhoffen sich Geoingenieure eine Regulierung der Menge an Sonnenwärme, welche die Erde erreicht. Andere glauben, dass sie durch Wasserkatalyse Wasserstoff produzieren könnten, durch Brutreaktoren mehr Energie fabrizieren, als sie konsumieren, oder durch Biotreibstoff, jedoch nicht mehr von Randen oder Palmöl, sondern von Algen. Man experimentiert auch mit der Vergrabung und der Lagerung von CO2 in den Tiefen der Erde, eine einfache Art, das Problem zu begraben.

Der Ökomodernismus (der auch Postökologismus genannt wird), das ist z.B. das Breakthrough Institute (das „Institut des Durchbruches“, gegründet 2007), Förderer einer sicheren und günstigen Atomenergie und einer industriellen Landwirtschaft, die einzige Lösung, um 10 Milliarden Menschen zu ernähren. Die Ökologie hat ihre pronukleare Randgruppe, sie argumentiert, es handle sich um eine „saubere“ Energie: Bewaffnet mit Zahlen behaupten ihre Anhänger, dass die Atomkraftwerke, sogar wenn man Tschernobyl berücksichtigt, letztendlich für weniger Tote und Kranke verantwortlich sind als die Kohle.

Diese von milliardenschweren Chefs bezahlten forschenden Zauberlehrlinge machen Lust darauf, den Aufruf der Surrealisten 1959 „die Labore zu leeren“ wieder aufzugreifen. Nur ein Teil ihrer Vorschläge wird das Licht der Welt erblicken, aber ein Teil davon wird verwirklicht werden, sie werden die Wissenschaftsreligion und den Glauben an die technische Allmacht nähren, sie sind umso beeindruckender, als dass ihre „Heldentaten“ über das Verständnis der Normalsterblichen hinausgehen. Vor einigen Jahrtausenden hatten Zehntausende Fellachen, die jedes Jahr eingezogen wurden, um die Pyramiden zu bauen, ein gewisses Verständnis der Bauvorgänge. Für den modernen Menschen ist die „elektronische Platine“ seines Kühlschrankes ein unzugängliches Mysterium.

5) Energie, das magische Wort

Anstelle der Energiekrise suggeriert „Energiewende“ eine Situation, die man dabei ist, in den Griff zu bekommen. Jede Woche kündigt man uns eine neue Technik an, die den Ausstoss von Treibhausgasen ein bisschen reduziert. Weil es an Erdöl (das heute immer noch einen Drittel der weltweiten Energieproduktion garantiert, vor der Kohle) bald mangeln oder es teurer werden wird, bewegen wir uns nun in Richtung Sonnenenergie, Windkraft oder anderer „erneuerbarer“ Energien.

Zuerst einmal schliesst diese „Energiewende“ nicht endgültig mit der Atomkraft ab, sie bleibt unbedeutend in gewissen Ländern (USA), in anderen ist sie zurückgegangen (Deutschland), doch sie bleibt vorherrschend in Frankreich und entwickelt sich in China. Zudem ist es falsch, zu behaupten, dass die Menschheit, nachdem sie vom Holz zur Kohle, dann von der Kohle zum Erdöl und der Atomkraft übergegangen war, heutzutage graduell auf Brennstoffen zugunsten grüner Energie verzichten würde. Die Energiequellen summieren und komplettieren sich eher, als dass die einen die anderen ersetzen würden. Betreffend der Elektrizität kam 2018 64% der weltweiten Produktion von fossilen Brennstoffen, 10% von der Atomkraft und 26% von erneuerbaren Energien.

Die nun mit allen Tugenden geschmückten erneuerbaren Energien nehmen proportional ständig zu, aber in viel zu ungenügendem Ausmass, um uns schon geschehene und vorhersehbare ökologische Schäden zu ersparen. Der Durst nach Energie ist dermassen gross, dass man fossile Brennstoffe benutzen muss, um die nur zeitweise funktionierenden erneuerbaren Energien (25% bis 45% der Zeit für die Sonnenenergie und die Windkraft) zu komplettieren. Schlimmer noch, die „Energieeinsparungen“ (Amazon engagiert sich, bis 2040 die „Kohlenstoffneutralität“ zu erreichen) nähren einen „Wachstum“, der verschlimmert, was sie lösen sollten: industrielle Hypetrophie (die Agroindustrie eingeschlossen), beschleunigte Urbanisierung, gimmickhafter Lebensstil und unaufhörliche Mobilität. Man legt immer die Vorteile und Nachteile von Massnahmen auf die Waage, die unfähig sind, das Klimadrama substanziell zu lösen, nur selten hinterfragt man das Bedürfnis nach Energie.

Die Elektrizität ist durch ihre Fluidität eines Gesellschaftssystems bemerkenswert adäquat, das von der optimalen Produktion und der maximalen Wertzirkulation beherrscht wird, und die Produktion von Elektrizität hat sich zwischen 1973 und 2016 mehr als verdreifacht (der Energiekonsum in all seinen verschiedenen Formen hat sich im gleichen Zeitraum verdoppelt). Ausserdem ist es jene Energieform, welche am besten zu einem immer mehr verbreiteten Lebensstil passt, in reichen wie in armen Ländern und Bevölkerungen, denn man kann sie lagern und in kleinen Mengen transportieren: Heutzutage ist es in Nairobi genau so schwierig wie in Vilnius ohne Batterien und Akkus zu leben.

Es ist nutzlos, das Potenzial der erneuerbaren Energien der technischen Absurdität der kapitalistischen Entscheidungen entgegenzustellen, denn die kapitalistische Produktionsweise strebt nicht nach der thermodynamisch (und noch weniger menschlich) effizientesten Technik, sondern der rentabelsten. Wenn ein Unternehmen ein Erdbeerjoghurt 9‘000 km, d.h. dreizehnmal die Distanz zwischen dem Ort der Produktion und des Konsums, transportiert, dann weil es ein Interesse daran hat. Und wenn die produktivistische Landwirtschaft sieben Kalorien investiert, um eine einzige zu erhalten, dann ist das, weil diese Verschwendung für das Agrobusiness keine ist, sondern die beste Profitquelle, die es finden konnte. Die Rentabilitätskriterien sind nicht die gleichen für den Energiefachmann und den Chef – aber letzterer befiehlt.

Die Elektrizität ist übrigens keine Energiequelle sondern eine Energieform und man braucht schon viel davon, um sie zu produzieren. Obwohl der Anteil erneuerbarer Energie stetig ansteigt (noch bescheiden: er beträgt ungefähr einen Viertel) und die elektrischen Geräte immer weniger Energie verbrauchen, nimmt die Nutzung von Elektrizität mit etlichen Geräten stark zu. „Die Elektrizität wird der Energieträger des 21. Jahrhunderts sein“, verkündet Total. Die Bildschirme, aber auch die Thermometer, Alarme, Kameras, Rollläden, Fernbedienungen, diverse Automatismen, „verbundene Häuser“, ohne zu vergessen, dass Batterien und Akkus geladen werden – mit Elektrizität (auf eine Milliarde Afrikaner besitzt die Hälfte ein Handy, obwohl 700 Millionen keinen Stromanschluss zu Hause haben). Die Energieeffizienz führt zu einem steigenden Konsum: „Die elektrische Zukunft“, die man uns verspricht, wird wenig Einfluss auf den Ausstoss von Kohlenstoffen haben.

6) Masslosigkeit und halbe Sachen

In den Projekten zur Ausweitung von Kohlekraftwerken der „neuen Generation“, die wenig verschmutzen, Solarmodulen, Windkraftwerken und Elektroautos wird ein Wort selten erwähnt: Industrie, denn es würde zu stark daran erinnern, dass all das eine schon steigende industrielle Produktion voraussetzt (und entwickelt). Man benötigt Energie, um Metalle zu extrahieren und sie mit Lastwagen oder Zügen zu transportieren. Die „Kohlenstoffneutralität“ ist eine Utopie in einer Welt, die rastlos Stahl, Zement und Plastik zum Bau von Fabriken, Gebäuden, Strassen, Häfen und Flughäfen produziert und die dort zirkulierenden Geräte fabriziert. Da es zum Erhalt der Energie Energie braucht, muss produziert werden, um die Schäden der Produktion einzuholen. Zur industriellen Verschmutzung kommt die Industrie der Entgiftung hinzu und die Vervielfachung von Abfällen führt zur Tätigkeit, die sie „verwertet“.

Was das Recycling betrifft, das übrigens viel weniger verbreitet ist, als gemeinhin behauptet, ist es mit der Tatsache konfrontiert, dass, je mehr die Fabrikationssysteme, die Transportmittel, die Gegenstände oder Dienstleistungen mit technologischem Inhalt bereichert werden (ein zeitgenössisches Auto enthält mehrere Dutzende elektronische Gehäuse), desto schwieriger wird die „zirkuläre Wirtschaft“, d.h. das Recycling. Viele für die neuen Technologien genutzte Metalle sind nur zu einem kleine Prozentsatz wiederverwertbar.

Als Kompensation für diese denaturierte Welt renaturiert man sie, indem man natürliche CO2-Speicher erschafft: Wiederbewaldung, Wiedererschaffung von Grasland, biologischer Anbau, Wiederansiedlung von Hecken und, in der Stadt, Begrünung von Dächern, Parkplätzen und Trottoirs, der hauptsächliche Effekt davon ist die Erheiterung der Stadtbewohner.

Die Sektoren der aufsteigenden Kraft des green business agieren manchmal als Rivalen der Interessen des Minen- und Erdölsektors, manchmal in Symbiose mit ihnen: Total investiert immer mehr in erneuerbare Energien. Schottland bezieht fast 80% seines Stromkonsums vom Wind und den Gezeiten, man hofft, dass sie bis 2030 50% seines gesamten Energiekonsums abdecken. Andere Länder wie Dänemark entwickeln sich ähnlich. Das sind viele besondere und unumstrittene Fälle, die dazu berufen sind, sich zu entwickeln, doch damit sie die Gesamtheit oder sogar die Mehrheit der Welt erobern, wäre es noch notwendig, dass die für die „Begrünung“ notwendigen immensen Transformationen der industriellen Infrastrukturen schlichtweg möglich sind, d.h. rentabel. Zirkuläre Wirtschaft, „Reparabilität“, Recycling, regenerative Landwirtschaft, verkürzte Lieferkette, nachhaltiges und soziales Finanzwesen – das ganze Arsenal der „gesellschaftlichen (oder sozialen) Verantwortung der Unternehmung“ (CSR) wird, wie es eine Beratungsfirma für CSR gesteht, nur dann eingesetzt, wenn es zu einer Win-win-Situation führt, im Klartext: zu genügenden Gewinnen für die Aktionäre. Lassen wir dem neuen ökologischen Bürgermeister von Lyon das letzte Wort: „Die Unternehmenswelt interessiert sich heutzutage für die Ökologie, weil sie erkannt hat, dass sie die Zukunft ist.“

* * *

Wie es Bordiga 1954 antizipierte, assimiliert die Ökologie alles mit Kapital, sie ist der Meinung, dass ein „Naturkapital“ existiert und „behandelt den Planeten als Kapital“ oder als „Grundeigentum der Aktiengesellschaft“, welche die menschliche Gattung sei. Es ist ein begrifflicher Widerspruch: Ein Kapital existiert, um verwertet zu werden, und es wird nur insofern gewahrt, als dass es seine Verwertung nicht behindert. Der Bourgeois praktiziert die Ökologie wie der Autofahrer, der zugleich auf die Bremse und das Gaspedal tritt.

G. D., Dezember 2020

Literaturverzeichnis

Europäische Kommission, „EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS)“.

WWF, „Meeresschutz - ohne Meer kein Leben“.

Weltweite Energieproduktion 2012.

„La production mondiale d’électricité : une empreinte-matière en transition“, 2018.

„L’énergie dans le monde“.

Andreas Malm, Fossil Capital. The Rise of Steam Power and the Roots of Global Warming, Verso, 2016.

Fossile Ressourcen und was nicht extrahiert werden sollte:
Michael Jakob & Jérôme Hilaire, „Unburnable Fossil-Fuel Reserves“, Nature, 2015.

ADEME, „La Face cachée du numérique“, 2018.

ADEME, „Le Revers de mon look“.

Beispiel eines reformistischen Ökologismus: „Scénario négaWatt 2017-2050. Dossier de synthèse“.

Heather Rogers, Green Gone Wrong. Dispatches from the Front Lines of Eco-Capitalism. How Our Economy is Undermining the Environmental Revolution, Verso, 2013. Was Heather Rogers sehr gut aufzeigt, sie betont die Abwesenheit einer solchen Revolution.

Über die zeitgenössische kapitalistische Krise: De la crise à la communisation, Entremonde, 2017, Kapitel 4.

Und die letzten Kapital von Bruno Astarian und Robert Ferro, Ménage à trois, Asymétrie, 2019.

Übersetzt aus dem Französischen von Kommunisierung.net

Quelle

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