#LinzWirdZuAthena - Kurzer Bericht zur dritten Verhandlung

veröffentlicht am 17. März 2023

Donnerstag, 9.3. - Vor Gericht stehen drei Jugendliche. Auch ihnen wird wieder schwere gemeinschaftliche Gewalt und schwere Körperverletzung vorgeworfen, hinzu kommt Diebstahl durch Einbruch. Nach sechs Stunden werden die Erstangeklagte (A1) und der dritte Angeklagte (A3) für schuldig im Sinne der Anklage erklärt. A1 wird zu zwölf Monaten Haft, davon zwei unbedingt verurteilt und A3 zu sieben Monaten Haft, davon ein Monat unbedingt. Da die Zeit in U-Haft an das Urteil angerechnet wird, sind A1 und A3 jetzt nicht mehr im Knast. Bei dem zweiten Angeklagten (A2) kommt es zu keinem rechtskräftigen Urteil. Er bleibt in U-Haft, die Verhandlung wird am 27. März 2023 fortgeführt.

Wie bei den Prozessen zuvor werden vor dem Gerichtssaal die Taschen kontrolliert, Name und Ausweisnummer notiert und das Handy muss abgegeben werden. Zu Beginn der Verhandlung werden genaue Informationen zu den drei Angeklagten abgefragt, danach der Schöffensenat vereidigt. Der Staatsanwalt, dieses Mal der gleiche wie bei dem ersten Prozess, beginnt damit, die Einzigartigkeit der Geschehnisse des 31. Oktobers 2022 hervorzuheben. Er verurteilt die Ausschreitungen und Angriffe auf die Polizei. Er sagt, die Jugendlichen seienan diesem Abend „Ohne Grund, ohne Anlass“ auf die Polizei losgegangen „um diese zu bekämpfen“. Wie bei der ersten Verhandlung vergleicht er die Sprengkraft der Böller mit der von Handgranaten und versucht damit zu argumentieren, dass es geplant und beabsichtigt gewesen sei, die Bullen schwer zu verletzen. Er vergleicht die Ausschreitungen mit denen, wie man sie nach einem Fußballspiel kennt. Nach dem Staatsanwalt kommen nacheinander die drei Verteidiger zu Wort. Der Verteidiger von A1 stellt klar, dass seine Mandantin nicht führend tätig war. Er verweist darauf, dass man sich doch eher fragen sollte, wieso es bei jungen Menschen zu „Soetwas“ kommt. Er hebt hervor, dass die Angeklagte durch die Krankheit ihres Vaters unter psychischer Belastung leidet und empfiehlt statt weiterer Haft psychologische Hilfe. Als nächstes spricht der Verteidiger von dem Zweitangeklagten, der sich ebenfalls teilschuldig bekennt. Er stellt klar, dass es an diesem Abend keine groben Sachbeschädigungen gab und niemand schwer verletzt wurde. Er sagt, die „Halloweenkrawalle“ wurden medial hochgespielt und bezieht sich auf den Hooligan-Vergleich des Staatsanwaltes und entkräftet den durch den Verweis, dass es keine Verletzten gibt.Der Anwalt des dritten Angeklagten, der sich schuldig im Sinne der Anklage bekennt macht klar, dass dieser seine Taten bereut. Er möchte sein Leben nun auf den „richtigen Weg“ bringen. „Positive Zukunftsprognosen“ sollten nicht durch weitere Haft verhindert werden. Dann werden die Angeklagten nach der Reihe von der Richterin gefragt, ob sie sich unschuldig, teilschuldig oder schuldig bekennen. Die erste und der zweite Angeklagte bekennen sich teilschuldig, der dritte Angeklagte bekennt schuldig im Sinne der Anklage. Daraufhin werden A1 und A2 aus dem Gerichtssaal geführt, die Verhandlungen beginnen mit Verhandlung von A3. Danach wird die erste Angeklagte, danach der Zweitangeklagte und zuletzt wieder A1 verhört. Als nach ca. fünf Stunden die Richterin die Angeklagten wieder in dem Gerichtsaal versammeln lässt, werden sie erneut gefragt, ob sie sich schuldig, teilschuldig oder unschuldig bekennen. Neben A3 bekennt sich nun auch A1 als schuldig, A2 bleibt bei seiner Angabe, teilschuldig zu sein. Die Richterin öffnet an diesem Punkt das Beweisverfahren. Zwei Zeugen, der erste davon Polizist sagen aus, und nach kurzer Zeit wird die Verhandlung abgebrochen und vertagt. A1 und A3 werden für schuldig im Sinne der Anklage gesprochen, die Verhandlung des Zweitangeklagten wird ausgegliedert.

Die jeweiligen Befragungen der einzelnen Angeklagten verliefen nach dem gleichen Muster: Anfangs wurden sie gefragt, ob denn die anderen beiden Angeklagten schuldig wären. Die drei Angeklagten, die bis vor ihrer Verhaftung Freunde waren, wurden gegeneinander ausgefragt und haben sich mit ihren Aussagen belastet. Sie wurden zu den früheren Straftaten befragt, zu denen die sie vor Halloween begangen haben. Diese haben aber nur wenig Raum eingenommen, da sich alle drei für die Vorwürfe vor Halloween (Diebstahl durch Einbruch) für schuldig bekannten. Dann wurden alle drei über den genauen Ablauf des Halloween-abends befragt. Wie sie die Stimmung vor Ort wahrnahmen und ob sie einem Aufruf gefolgt seien. Die Richterin wollte herauszufinden, wer die „führende Rolle“ innerhalb der Freundesgruppe hatte, wer von ihnen die Fahrt nach Tschechien um Böller zu kaufen geplant hat. Auch, ob die Auswahl der Böller willkürlich war oder ob die Angeklagten informiert waren über die Sprengkraft der Böller. Über die Ausschreitungen selber wollte die Richterin wissen, wer Böller an wen verteilte und wo die Böller sich genau befanden. Am Ende der einzelnen Befragungen wurden die Angeklagten gefragt, wie die jeweiligen Pläne für die Zukunft aussehen.

Von den drei Angeklagten waren zwei fünfzehn und einer siebzehn Jahre alt. Die gesamte Verhandlung war aufgebaut wie eine Erziehungsmaßnahme, die Angeklagten wurden teilweise nicht ernst genommen oder bloßgestellt. Von den letzten Reihen der Zuhörer (dort, wo vier Bullen in Zivil saßen) kam zwischendurch abwertendes, spöttisches Lachen. Es kam zu Missverständnissen: Die drei taten sich schwer, der im Gerichtssaal gesprochenen Sprache zu folgen. Die Justiz wiederum bemühte sich nicht ausreichend, die Angeklagten zu verstehen. Weder in ihrem Handeln, noch in ihrem Denken oder der Art, wie sie sprachen. Dadurch entstand ein Raum, in dem die Jugendlichen bloßgestellt und alleine gelassen wurden. Es kamen zynische Fragen von Seiten der Staatsanwaltschaft. Zum Beispiel fragte dieser die fünfzehnjährige Angeklagte, die schon mit den Tränen kämpfte, ob sie denn schon einmal zuvor im Gefängnis war und ob es ihr denn in der U-Haft gefallen hat. Das fünfzehnjährige Mädchen wurde auch über die damalige Liebesbeziehung zu A2 befragt, ihr Anwalt fragte sie, ob es denn normal gewesen wäre, dass er sie geschlagen hat. Der Zweitangeklagte hingegen wurde selber nicht damit konfrontiert, seine damalige Freundin geschlagen zu haben. Auf die Jugendlichen wurde massiv Druck aufgebaut, zynische oder sarkastische Fragen zogen sich durch die ganze Verhandlung. Die Drei waren einer Tortur ausgesetzt. Um auf das Fehlverhalten zu verweisen und einen der Angeklagten zu demütigen, sagte die Richterin an einem Punkt während der Verhandlung: „Fünfzehnjährige sollten nicht ins Gefängnis.“

Fünfzehnjährige sollten nicht ins Gefängnis. Die drei Angeklagten verbrachten nun über 50 Tage in Untersuchungshaft, einer von ihnen nach wie vor. Niemand sollte eingesperrt werden. Schuld ist ein System, das es zulässt. In diesem Gerichtssaal und in den vorigen Verhandlungen fehlte es an Solidarität für die Gefangenen. Wir vergessen diejenigen nicht, die noch hinter Gittern sitzen!

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