Antisemit*innen sind immer die anderen!

veröffentlicht am 22. Oktober 2023

Nach dem antisemitischen Terrorangriff der islamistischen Hamas gegen Israel -der sich ganz gezielt gegen Zivilist:innen richtete und eine Eskalation des israelisch-palästinensischen Konflikts sowie bereits tausende Toten zur Folge hatte, denen leider noch weitere folgen werden - ist der Alltag der israelischen Bevölkerung, wie auch der Zivilbevölkerung in Gaza und im Westjordanland von Angst und Tod geprägt.

Die österreichische Regierung und Politik war einmal mehr schnell darin, dem Antisemitismus geschlossen und konsequent den Kampf anzusagen. So weit, so erwartbar. In einem Land, in einer Gesellschaft, deren (Ur-)Großeltern den Holocaust organisiert haben und in der die rechtsextreme und antisemitische FPÖ bei Umfragen seit Monaten konstant bei über 30% liegt, ist das einmal mehr heucherlisch. Jene FPÖ, deren ideologisches Rückgrat deutschnationale Burschenschaften bilden, die immer wieder wegen antisemitischen Aussagen und Liederbüchern in die Schlagzeilen geraten. In einem Land, wo sogenannte "Corona-Demos", die geleitet waren von einem antisemitischen Verschwörungsglauben, Woche für Woche mit tausenden Teilnehmer*innen durch Wien und andere Städte ziehen konnten. Kaum jemand benannte und benennt diese Aufmärsche und die FPÖ als das, was sie sind: antisemitisch. Neben der FPÖ kaufen wir vor allem auch der ÖVP ihre Verurteilung des Antisemititsmus ohnehin nicht ab, ist es doch jene Partei, die ständig und sofort bedenkenlos mit eben jener rechtsextremen und antisemitischen FPÖ koaliert, wenn es nur dem Machterhalt dient, wie sich derzeit in drei Bundesländern zeigt. Ganz zu schweigen von ihrer austrofaschistischen Vergangenheit, welche die Partei nach wie vor nur unzureichend aufgearbeitet hat. Es ist mehr als zynisch, dass Politiker wie Kanzler Nehammer oder Wolfgang Sobotka vergangene Woche am 11.10. auf der Gedenkundgebung für die von der Hamas getöteten Israelis Reden schwingen durften. Wer mit der FPÖ koaliert, darf keine Glaubwürdigkeit beim Thema Antisemitismus erwarten und soll besser schweigen. Wer ständig von "importierten" Antisemitismus spricht, aber den eigenen Antisemitismus, den Antisemitismus von Burschenschaftern, von Neonazis oder konservativen Parteien und Gruppen verschweigt, diesen verharmlost und relativiert, agiert schlicht heuchlerisch.

Blicken wir nur auf den letzten Samstag, den 14. Oktober zurück, finden wir schon zwei Beispiele, die eindeutig antisemitisch sind. Die allgemeine Aufregung aber blieb aus. Auf der Abschlusskundgebung des christlich-fundamentalistischen "Marsch fürs Leben" wurde ein Liedertext verteilt und von der anwesenden Masse gesungen, welcher Abtreibungen mit dem Holocaust vergleicht. Am selben Tag stand eine Hauptrednerin der sogenannten "Corona-Demos" mitten am Heldenplatz auf einer Bühne und halluzinierte, dass hinter dem Terroranschlag der Hamas die israelische Regierung selbst stecken würde. Samstag, der 14. Oktober 2023 - ein typisch österreichischer Nachmittag eben: ein Holocaust-Vergleich, die Relativierung des größten Verbrechens der Menschheitsgeschichte, die Mär des allmächtigen Juden, der sogar hinter einem islamistischen Angriff stecken würde. "Der Jude", oder wahlweise Israel: schuld an allem, werden für sämtliche gesellschatlichen Missstände verantwortlich gemacht. Was am gleichen Wochenende sonst noch geschah: die Scheibe eines jüdischen Geschäfts im Zweiten Bezirk wurde eingeschmissen -ein antisemitischer Anschlag. Zu hören, zu sehen mitten in Wien, am Heldenplatz, am Karlsplatz, in der Leopoldstadt -fern davon für Aufregung, Besorgnis oder gar klare Worte über den hausgemachten Antisemitismus zu sorgen.

Gleichzeitig finden wir die vielen antisemitischen Demonstrationen der letzten Tage, organisiert und besucht von Gruppen wie dem BDS, von Dar al Janub, von türkischen Faschist*innen und Islamist*innen, auf welchen es zu antisemitischen Drohungen gegenüber Juden*Jüdinnen kam, absolut verurteilenswert. Die konstante und kontinuierliche Aufforderung an den Staat, der permanente Ruf nach Polizei, die Forderung von Verboten von Strukturen, Vereinen, von politischer Betätigung oder von Demonstrationen -wie es schon während der Pandemie immerzu passierte-, ist ein politisches Armutszeugnis für eine (radikale) Linke. Anstatt permanent den Staat und seine Repressionsbehörden aufzufordern, aktiv zu werden, sollten vielmehr jene, die ihren Antifaschismus -insbesondere im Täter*innenland Österreich- ernst nehmen und Antisemitismus verurteilen, in allen Lebensbereichen entschlossen dagegen vorgehen und sich positionieren. Und das eben gegen jeden Antisemitismus, ganz egal, wer diesen äußert, ob er sich hinter holocaustrelativierenden Vergleichen, Corona- Verschwörungsmythen oder Vernichungswünschen von Israel verbirgt.

Als wäre der Schrei nach dem Staat und Repression nicht schon genug, fordern nun Personen sogar die Abschiebung von politisch unliebsamen Menschen. Wir distanzieren uns ganz klar von diesen Menschenfeinden, die die Abschiebung politisch unliebsamer Geflüchteter oder anderer migrantisierter Menschen befürworten.

Unsere Ablehnung des Staats und der Nation und natürlich auch des Patriarchats ist kein Geheimnis. Daher ist auch die staatliche Einschätzung von antisemitischer Propaganda für uns nicht relevant. Vorallem wenn sie von einem Staat kommt, dessen Gesellschaft historisch bis in die Gegenwart durchzogen ist von Antisemitismus.

Genauso können wir gerne auf die Zurufe vermeintlich linker Gruppen verzichten, die Antisemitismus immer nur bei der Mehrheitsgesellschaft sehen wollen. Wenn aber menschenverachtende Ideologien von marginalisierten oder linken Gruppen selbst ausgehen, wollen sie diese lediglich als ein Randthema abtun, wenn sie sie denn überhaupt aufgegreifen. Eine emanzipatorische Linke sollte eine universalistische Perspektive und eine klare Positionierung formulieren. Dazu gehört eine eindeutige Kritik an menschenfeindlicher Ideologie, egal von wem sie kommt und wo auf der Welt sie in Erscheinung tritt.

Als Antifaschist*innen wissen wir, dass auf den österreichischen Staat kein Verlass ist, schon gar nicht beim Thema Antisemitismus. Dies zeigt sich gerade jetzt, wenn jüdische Freund*innen und Genoss*innen, wenn jüdische Einrichtungen bedroht und markiert werden. Es ist die dringende Aufgabe einer emanzipatorischen Linken, diesem Antisemitismus -egal von wem dieser propagiert wird- entschlossen entgegenzutreten und solidarisch an der Seite unserer Freund*innen und Genoss*innen zu stehen.

Gegen jeden Antisemitismus, Islamismus und Rassismus.

Für das schöne und gute Leben für ALLE!

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