Erster Aufruf: 20 Jahre anarchistische Buchmesse im Balkan: Über die Mauern von Nationalismus und Krieg!

veröffentlicht am 9. Januar 2023

Wir freuen uns die nächste anarchistische Buchmesse im Balkan (BAB) ankündigen zu können. Sie wird vom 7. bis zum 9.Juli in Ljubljana, Slowenien stattfinden. Die Entscheidung hierzu wurde in der Generalversammlung der BAB von 24. bis 26.Juni 2022 in Cluj, Rumänien getroffen. (Die vollständige Stellungnahme dieser Versammlung findest du hier).

Dies wird zum einen die 15. Ausgabe der BAB sein, zum anderen wird es auch das 20 jährige Jubiläum sein, da die erste BAB 2003 in Ljubljana stattfand. Nach dieser ersten Buchmesse reiste sie auf dem Balkan umher (in den Geografien vom sogennanten Kroatien, Serbien, Bulgarien, Bosnien und Herzegowina, Mazedeonien, Griechenland und Rumänien) und kehrt nun in die Stadt zurück, welche das letzte mal 2013 Austragungsort war.

Wir möchten diesen Jahrestag als Möglichkeit nutzen, ein starkes internationales anarchistisches Treffen zu veranstalten – ein Treffen, auf dem wir wichtige Fragen der Gegenwart kollektiv zum Thema machen und eine Perspektive für zukünftige Organisierung und Kämpfe entwickeln. Bei dem Konzept der BAB ging es nie nur um Bücher. Wir haben sie immer auch verstanden als ein Werkzeug unsere Gruppen und Organisationen zu stärken und unsere Beziehungen und Netzwerke lokal, regional und international auszubauen. Wir haben es als Ort verstanden, wo Ideen, Analysen und Perspektiven ausgetauscht werden, wo wir unsere Praxis und Formen der Organisierung und Erfahrungen in Auseinandersetzungen, Teilhabe an sozialen Bewegungen und die Verbreitung unserer Ideen in diesen teilen. All dies mit der Absicht, sinnstiftende Vorschläge für Schritte in eine Zukunft zu unternehmen, die uns helfen die Herausforderungen unserer Bewegungen und Gesellschaften im Kontext der politischen, ökonomischen und sozialen Realitäten zu bewältigen und auch revolutionäres Potential zu entwickeln.

Der derzeitige Zustand auf globaler Ebene bestätigt unsere Analyse der Vergangenheit und gibt unserer politischer Agenda des radikalen sozialen Wandels noch mehr Dringlichkeit in der Zukunft. Es ist klar, dass das kapitalistische System – basierend auf Sklaverei, Ausbeutung, Dominanz und in Verbindung mit anderen Formen der Unterdrückung wie Rassismus, Nationalismus, Patriarchat und Sexismus unser Leben zerstört, unsere Gesellschaften und unsere Umwelt. All die jüngsten Krisen, die Intensivierung der Angriffe des Kapitals gegen die arbeitende Klasse, die Radikalisierung der Polizeirepression und Staatsgewalt, und schlussendlich die Militarisierung und Krieg bestätigen unsere Position, dass der Kapitalismus die Krise ist. Es ist klar, dass die Privilegien der herrschenden Klasse, die ungleiche Verteilung des Reichtums, vorhandene Hierarchien und das System selbst nur überleben und weitergetragen werden kann durch die Herrschaft von Zwang und Gewalt. Von diesem Punkt ausgehend können wir unsere vorherige Position ausweiten auf Kapitalismus ist Krieg.

Der Balkan mit seiner speziellen Geschichte ist in dieser Hinsicht nicht anders. Er erlebte in all seiner Brutalität Krieg, Nationalismus und die Umwandlung in eine kapitalistische Wirtschaft im ehemaligen Jugoslawien, er wurde gezwungen als Labor neoliberaler Politik zu dienen (besonders offensichtlich erlebbar in der Zeit der ökonomischen Krise von 2008 bis 2012 in Griechenland), ist Zeuge des tödlichen europäischen Grenzregimes und der Migrationspolitik und erlebt die Desintegration der Gesellschaft mit einer Entfremdung und Individualisierung, die sich im sozialen Kannibalismus ausdrückt.

Wir können verschiedene Reaktionen der Bevölkerung auf diese Realität beobachten: vom reaktionären Aufstieg der populistischen, nationalistischen, faschistischen extremen Rechten, den ständigen Ausbrüchen von Unruhen in allen Ecken der Welt, unartikulierten und diffusen Straßenbewegungen, die durch totales Misstrauen in die politische Repräsentation und die staatlichen Institutionen angeheizt werden, bis hin zu fortschrittlichen revolutionären Momenten wie den laufenden Aufständen im Iran oder dem sozialrevolutionären Prozess in Kurdistan. Die anarchistische Bewegung versucht, nicht nur in die oben genannten Reaktionen der Bevölkerung auf kapitalistische Krisen einzugreifen, sondern auch in die gesellschaftliche Realität im Allgemeinen. Unsere eigenen Analysen und Artikulationen bilden die Grundlage für unsere politischen Mobilisierungen und Aktivitäten an den Orten, an denen wir ausgebeutet und unterdrückt werden – in unseren Schulen, an unseren Arbeitsplätzen und in unseren Wohnvierteln. Wir beteiligen uns an sozialen Bewegungen, in denen wir versuchen, unsere antiautoritären Prinzipien und revolutionären Perspektiven umzusetzen, aber wir bauen auch neue Bewegungen, Kampf- und Solidaritätsstrukturen sowie gemeinschaftliche und autonome Räume auf, in denen wir alternative Praktiken der Organisation und des Lebens entwickeln. Aber tun wir genug und sind wir erfolgreich beim Aufbau von Gegenmacht, die für wirkliche Veränderungen notwendig ist? Wir glauben, dass der Anarchismus als politischer Ausdruck der Interessen der Ausgebeuteten und Unterdrückten viele Antworten auf die Fragen unserer Zeit geben kann, aber wir sehen auch, dass es der Bewegung an grundlegendem Einfluss auf die Mechanismen der Geschichte fehlt. Wir möchten das BAB-Treffen nutzen, um über diese und andere Themen nachzudenken, um Strategien zu entwickeln, die unsere Agenden voranbringen und uns neue Energie für unsere zukünftigen Organisierungen und Mobilisierungen geben können.

In diesem Sinne laden wir alle Teile der internationalen anarchistischen und antiautoritären Bewegung aus dem Balkan, Europa und anderen Kontinenten ein, sich an der Organisation dieser Veranstaltung auf allen Ebenen zu beteiligen und ihre Teilnahme zu planen. Da es im Juli 2023 ein weiteres großes internationales anarchistisches Treffen in St. Immier geben wird, wollen wir eine organische Verbindung zwischen den beiden schaffen. Wir möchten insbesondere GenossInnen aus anderen Kontinenten, die planen, an dem Treffen in St. Immier teilzunehmen, einladen, unsere Einladung zu berücksichtigen und auch am BAB-Treffen in Ljubljana teilzunehmen.

Wir werden in den kommenden Monaten weiter über den Prozess und die Einzelheiten des Rahmenprogramms der Veranstaltung informieren. Wir bitten Euch, diesen Aufruf in weitere Sprachen zu übersetzen, in euren Medien zu veröffentlichen und über Kommunikationskanäle zu verbreiten.

Für weitere Informationen, bei Fragen oder Vorschlägen wendet euch via mail an bab2023(at)riseup(dot)net oder schaut auf der Webseite bab2023.avtonomija.org nach.

Über die Mauern von Nationalismus und Krieg hinweg!*

Bauen wir Solidarität und Widerstand auf!

Die Versammlung zur Organisation der anarchistischen Buchmesse im Balkan 2023

in Ljubljana, 27.November 2022

*ein Slogan der anarchistischen Bewegung des ehemaligen Jugoslawiens, der in Antikriegs- und antinationalistischen Mobilisierungen gegen die Kriege der 1990er Jahre verwendet wurde und der auch der Name einer anarchistischen Zeitung war, die damals von Genoss*innen aus verschiedenen Ländern des ehemaligen Jugoslawien herausgegeben wurde.

Anmerkung der Moderation

Verlinkung zu Stellungnahme fehlerhaft

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