Gilles Dauvé - Zur Ökologie 02/08: Der Kapitalismus wird nicht ökologisch sein

veröffentlicht am 6. Januar 2022

Zweiter Teil einer achtteiligen Serie zur Ökologie

Im zeitgenössischen politischen Diskurs ist die Ökologie allgegenwärtig geworden: Energiewende, grüner Kapitalismus, ökofreundlicher Reformismus… Doch grundlegend ändert sich nichts, die geringen erreichten Fortschritte verschieben die kommenden Gefahren kaum, denn die Unvereinbarkeit zwischen Ökologie und Kapitalismus ergibt sich nicht aus der Blindheit oder der Habgier seiner Anführer: Es ist viel einfacher, sie ergibt sich aus dem Wesen eines solchen Systems.

1) Unvermeidbare Masslosigkeit

Die als industriell oder heute postindustriell bezeichnete moderne Gesellschaft besteht aus Unternehmen, jedes davon ist ein nach Wachstum strebender Wertpol, der sich die Industriesysteme zu Diensten macht. Der Forscher kann sich für die Entdeckung eines neuen Produktionsverfahrens begeistern und der Ingenieur mit viel Liebe einen Staudamm bauen, aber ihre Projekte werden nur Wirklichkeit, wenn sie dem Interesse der sie anstellenden Unternehmen entsprechen: ein kompetitives Produkt auf dem Markt verkaufen, Gewinne akkumulieren, sie neu investieren…

„Außerdem macht die Entwicklung der kapitalistischen Produktion eine fortwährende Steigerung des in einem industriellen Unternehmen angelegten Kapitals zur Notwendigkeit, und die Konkurrenz herrscht jedem individuellen Kapitalisten die immanenten Gesetze der kapitalistischen Produktionsweise als äußere Zwangsgesetze auf. Sie zwingt ihn, sein Kapital fortwährend auszudehnen, um es zu erhalten, und ausdehnen kann er es nur vermittelst progressiver Akkumulation. […] Akkumulation um der Akkumulation, Produktion um der Produktion willen, in dieser Formel sprach die klassische Ökonomie den historischen Beruf der Bourgeoisperiode aus.“ [1]

Der Beweis dafür, dass wir allen voran in einer kapitalistischen und nicht in einer industriellen Welt leben, ist die Tatsache, dass die industrielle Hypertrophie, die alles andere als ein autonomes Phänomen ist, den Zwängen der Kapitalverwertung unterworfen ist. Es ist unbedeutend, ob eine Autofabrik, eine Mine oder ein Stahlwerk noch in einem funktionalen Zustand ist: Wenn etwas nicht rentabel genug ist, wird es geschlossen. Der Bourgeois darf sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen und ein gleich bleibender Kapitalismus ist ein Zeichen des Niedergangs. Seit zweihundert Jahren erneuert sich „die Megamaschine“ regelmässig durch Aufbau, Selbstzerstörung, Wiederaufbau… Man kennt das Schicksal des amerikanischen Rust Belt, das übrigens nicht gleichbedeutend mit dem Ende der Industrie in diesen Regionen ist, es kommen immer noch 40% der Fertigwaren des Landes von dort. Techniken, Produktionssysteme und Fabrikationsstandorte ersetzen andere, die gegenüber der Konkurrenz weniger leistungsfähig sind. Schwer aufgrund seines unvermeidlichen materiellen Gewichts ist der Kapitalismus in seinen Träumen finanziell, virtuell, digital mit Nullen und Einsen, doch er würde nicht ohne Proletarier existieren, die Hunderte von Millionen Tonnen an Erz, Holz, Blei, Zement, Plastik transformieren – die unverzichtbar für die Produktion jener Bildschirme sind, auf welchen die Kreditlinien vorbeihuschen.

Die Verringerung der Produktionskosten ist eine permanente bürgerliche Priorität: durch die Intensivierung der Arbeit der Proletarier und, falls notwendig, durch die Aufzehrung der materiellen Produktionsgrundlagen. Als unermüdlicher Erschaffer und Zerstörer, Verzehrer von Ressourcen und seit jeher Verschmutzer kennt der Kapitalismus die Nüchternheit definitionsgemäss nicht. Schon gegen 1800 ertrugen die Arbeiter und Anwohner die für ihre Gesundheit schädliche Giftigkeit der Manufakturen. Seither hat sich das Niveau der Schädlichkeit verändert.

Ob sparsam oder verschwenderisch ist der Bourgeois nicht zwingend um seiner selbst willen profitgierig, aber er dient dieser Logik. Der einzige „vernünftige“ Profit ist jener, welcher sein Unternehmen begünstigt. Die besten sozialen oder ökologischen Absichten des gutmütigsten Kapitalisten bleiben sekundär, wenn die Konkurrenz tobt.

„Wachstum“ ist der Name, welcher „der Fortschritt“ annimmt, wenn er auf die Ökonomie angewandt wird. Von James Watts Dampfmaschine bis zur Elektronik des Silicon Valley ist der Glaube an den Fortschritt für die Bourgeoisie und für jene, die in ihrem Kielwasser schwimmen, wesentlich und notwendig, doch er wird erst zu einer materiellen Kraft, wenn er eine Einheit mit dem Imperativ der Wertakkumulation bildet.

2) Eine Welt der Unternehmen

Die kapitalistische Produktionsweise entwickelt nicht nur mit einem unglaublichen Tempo ein zerstörerisches industrielles System, sondern sie wird sich auch immer dagegen sträuben, für ihre Verheerungen die Verantwortung zu übernehmen.

Die von uns bewohnte Welt kann nicht wie ein einheitliches Unternehmen verwaltet werden, das sich um die Administration der gesamten Erde und einer planetarischen Umwelt kümmern müsste, ein einziges, von nun an über das Erbe der Menschheit herrschendes Kapital.

Diese globale Multinationale ist eine Utopie. Nach 1914-1918 ist Bucharin nicht der einzige, der die (gemäss ihm unwahrscheinliche) Hypothese „ein[es] vom Standpunkt des Kapitals rationelle[n] Plan[s]“ vorgebracht hat, der von einer vereinigten kapitalistischen Klasse verwirklicht werden würde. Was auch die ohnehin unüberwindbaren geopolitischen Hindernisse dafür sein mögen, macht die Logik der kapitalistischen Produktionsweise einen solchen einheitlichen „Trust“ strukturell unmöglich. Wer (Binnen- oder Welt-)Markt sagt, sagt Konkurrenz.

Als nach seiner eigenen Verwertung strebender Wertpol ist jedes Unternehmen nur für sich selbst und seine Bilanz verantwortlich. Es funktioniert wie ein Organismus mit einer Innenseite, die sich von der Aussenseite unterscheidet, aber porös ist, und es lebt von dieser Porosität. Es gehen Investition, Rohstoffe, Lohnarbeiter, technische Installationen herein. Und es kommen Waren heraus, die Geld generieren, welches das Unternehmen integriert und akkumuliert. Mit dem Rest der Gesellschaft ist es selbstverständlich in permanentem Kontakt, doch, da es nur für seine Inputs und Outputs verantwortlich ist, schuldet es niemandem in seinem Umfeld Rechenschaft. Es muss bloss das Gesetz respektieren (besonders das Arbeitsrecht – das gab es nicht immer und in vielen Ländern existiert es nur auf dem Papier) und Steuern zahlen (die es normalerweise auf ein Minimum zu reduzieren versucht). Wenn diese beiden Bedingungen einmal erfüllt sind, geht es den Rest nichts mehr an: „Ich schulde der Öffentlichkeit nichts“, proklamierte im 19. Jahrhundert der amerikanische Grossbourgeois J.-P. Morgan. Der Chef sorgt sich nur insofern um die Gesundheit des Lohnarbeiters und seiner Familie und seine Altersvorsorge, als dass es einen Einfluss auf die Produktivität und die künftige Generation der Arbeiter hat. Das Unternehmen muss sich auch nicht, solange es nicht rechtlich relevant ist, darüber sorgen, welche negative Auswirkungen es ausserhalb seiner Mauern hat.

Damit diese „externen Kosten“ berücksichtigt werden, war es notwendig, dass die kapitalistische Gesellschaft in ihrer Gesamtheit unter den durch jedes Unternehmen an seiner Umwelt verursachten Schäden zu leiden beginnt. Es wurde zu einer Dringlichkeit, die Kosten der zur Begrenzung der Erwärmung notwendigen Investitionen mit den eventuellen Kosten der erlittenen Verluste im Falle der Passivität zu vergleichen. Doch die Unternehmen streben bloss danach, eine Schwelle der Reduktion der CO2-Emissionen zu erreichen, die, wie es ein Experte einräumt, „wirtschaftlich optimal“ ist.

Die Bourgeoisie ist weder monolithisch noch blind und es fehlt ihr nicht an Thinktanks, um ihr in der Konfrontation mit ihren Konflikten und Widersprüchen beizustehen. Sie hat jedoch äusserst grosse Schwierigkeiten, hinsichtlich eines kollektiven „Klasseninteresses“ zu handeln, wie es die Mühe zeigt, die Roosevelt hatte, um den New Deal durchzusetzen: Dafür spielt der Staat eine unverzichtbare Rolle, doch er befiehlt nicht, er reglementiert und reguliert nur. Obwohl drastische Massnahmen im Kampf gegen das Klimaproblem allen Bourgeois zugutekämen, wird sich jedes Unternehmen dagegen sträuben, seine (direkten oder fiskalischen) Produktionskosten für einen Nutzen zu erhöhen, der allen voran für die Gesamtheit der kapitalistischen Klasse einer wäre. Individueller Profit (das Individuum ist hier erst einmal das Unternehmen) und bürgerliche Kooperation passen selten gut zueinander: So ökologisch er auch sein mag, ein Chef kann es nicht riskieren, seine Kompetivität zu reduzieren.

3) Finstere Zukunft

Das Volumen der internationalen Schiffsfracht multipliziert mit vier bis 2050, Verdoppelung des Luftverkehrs in den nächsten Jahrzehnten („Covid-Effekt“ ausgenommen, aber der ist heute schwierig einzuschätzen), Explosion des Tourismus, Steigerung von 100% der globalen Kleiderproduktion seit 2000 (um den Preis eines enormen Wasserverbrauches und des massiven Einsatzes von Pestiziden), konstante Zunahme des Plastiks, Verbreitung von 5G, das sehr viel Energie konsumiert – die Liste des schädlichen Wachstums ist unendlich. Die Digitaltechnik erfordert Metalle, die mittels einer Industrie transformiert werden, die sehr durstig nach Energie ist, ihre Nutzung absorbiert zwischen 7 und 10% der weltweiten Elektrizität (die Zahlen variieren, doch die Steigerung beschleunigt sich) und es scheint erwiesen, dass die Informationstechnologien einen nicht geringeren Einfluss auf den Klimawandel haben als der Flugverkehr. „Hinsichtlich Zerstörung haben wir noch nichts gesehen.“ [2] Und die Covid-19-Krise wird an dieser Tendenz nichts ändern.

Die Elektromobilität wird zu neuen Komplikationen und keiner Erleichterung in der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und ihren Folgen führen, sei es nur durch ein zunehmendes Zurückgreifen auf seltene Metalle, deren Extraktion und Raffination sehr verschmutzende Prozesse erfordert. Was soll‘s! Das „Benzin- oder Dieselfahrzeug“ ist obsolet, die Entwicklung hin zum elektrischen Betrieb scheint gesichert und Irland brüstet sich mit der Erreichung der „Kohlenstoffneutralität“ im Jahr 2050 dank ein oder zwei Millionen Elektroautos. Alles hängt davon ab, wie man zählt: Wenn man die Totalität des Ausstosses von Treibhausgasen vor der Produktion und nach der Nutzung nicht berücksichtigt, ist der Fahrer eines Tesla berechtigt, sich ökologisch zu nennen.

Die Fortbewegung ist eine Notwendigkeit und ein Vergnügen für den Menschen, doch der Kapitalismus macht aus der Mobilität ein spezifisches Bedürfnis und Konzept. Alles muss zirkulieren, in der Produktion und ausserhalb von ihr, bei der Arbeit und ausserhalb von ihr. Die individuelle Mobilität, das bedeutet, „meine“ Musik jederzeit hören zu können, beim Laufen auf der Strasse, im Bus, beim Warten auf einen Freund – dank einem tragbaren Apparat, der sich mit mir fortbewegt. Es ist auch die Freiheit, in einem individuellen Fahrzeug zu fahren: Eine Gesellschaft von in Familien (die sich natürlich von jenen damals unterscheiden) organisierten Individuen privilegiert das individuelle oder Familienfahrzeug. Mit oder ohne „Nullemissionsbus“.

Die Nachhaltigkeit widerspricht einer Obsoleszenz, die Teil der Funktionsweise und des Gebrauchs der Gegenstände ist, besonders der elektronischen. Wiederverwertung, Teilen, Zugang ohne Eigentum, Recycling, Genossenschaftswerkstätten, Tausch usw. werden von Leuten verteidigt, die in der Regel kein Problem mit der Durchsetzung „der Glasfaser“ haben. Auf 4G muss ein fünftes folgen, es ist unerlässlich für die Welle der in Netzwerken miteinander verbundenen Kommunikationsobjekten, des cloud computing, in der domotisierten Umwelt einer „intelligenten“ Stadt. In der Zwischenzeit warten wir auf 6G. Und jene, welche diese Entwicklung kritisieren, tun es allen voran aufgrund ihrer Auswirkungen auf die Gesundheit oder ihrer ökologischen Kosten, selten wegen der Gründe ihres Gebrauchs, des von ihr erfüllten und unterhaltenen Bedürfnisses: Mit allen jederzeit innerhalb einer Sekunde verbunden zu sein. Eine Technologie, die dem Bedürfnis der Sozialisierung eines „modernen Menschen“ entspricht, der so individualisiert ist wie nie zuvor.

Folglich glaubt niemand ernsthaft, dass in den nächsten Jahrzehnten eine um die Hälfte oder ein Drittel reduzierte Flotte von Containerschiffen fünf- oder zehnmal weniger iPhones, Corrolas, Playmobil und Nikes als heute transportieren wird. Die vermeintliche oder erwiesene höhere Produktivität der Windkraftwerke im Vergleich zu den Atomkraftwerken verhindert die Entwicklung der Infrastrukturen für fossile Energie, den Bau neuer Pipelines, Umgehungsstrassen und Autobahnen hier und dort nicht, auch nicht jener von Kohlekraftwerken, genauso wenig wie sie die zunehmende Plastikproduktion bremst, dessen Konsum sich in fünfzehn Jahren verdoppelt hat und der mehrheitlich ein Produkt der Petrochemie ist. Wenn auch, wie es wahrscheinlich ist, die Sonnen- und Windkraft in einigen Jahren günstiger werden als die fossilen Brennstoffe, ändert der unleugbare Aufstieg des Marktes der erneuerbaren Energien kaum etwas an der Klimasituation.

Zwischen „der Eingrenzung“ (die Hoffnung, die Erwärmung spürbar zu bremsen) und der Anpassung an eine Zukunft, auf deren Beeinflussung man verzichtet, ist die zweite Option prioritär.

Die herrschende Klasse ist unfähig, die Zukunft vorzubereiten – sogar ihre eigene –, weder kurz- noch langfristig. Roosevelt fand – auf seine Art und Weise, aber es gab auch andere – Antworten auf die Probleme seiner Zeit, im besten Falle mit einem Horizont von zwei Jahrzehnten, doch weder 1932 noch 1944 befasste er sich mit dem Jahr 2000 oder 2050. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts, unvorhersehbar für Marx 1883 wie auch für Rosa Luxemburg 1919, zeigt, dass die Bourgeoisies der verschiedenen Länder nie die Zukunft antizipierten, weder ihre technischen und gesellschaftlichen Fortschritte, noch ihre Katastrophen. Krieg 1914, Krise 1929, Nazismus, Krieg 1939-1945, Stalinismus – all das wurde und wird immer noch von herrschenden Denkern vergangenen Irrungen, dem Versagen, Widersinnigkeiten, Krankheiten der Menschheit, gewissermassen, zugeschrieben, und nicht dem mutmasslich stets verbesserungsfähigen Wesen des Kapitalismus. Das gleiche gilt in Anbetracht der Klimakrise.

4) Welche Krise?

„Obwohl der Kapitalismus nach 1980 tatsächlich einen neuen Aufschwung erlebte, war sein Sieg nicht das, was man glaubt. Die aktuelle Krise zeigt, dass der Boom am Ende des Jahrhunderts keine Antwort auf die Probleme der 1970er Jahre lieferte: Überkapazität, Überproduktion, Überakkumulation und Fall der Rentabilität. Die Produktivitätsgewinne stiegen in den 1990er Jahren dank der Digitalisierung, der Eliminierung der wenig rentablen Industriesektoren und der Investition in Fabriken mit tiefen Arbeitskosten in Asien wieder an, besonders in den USA. Aber, obwohl es die Allianz zwischen Computer und Container schafft, die Arbeit zu komprimieren und zu transferieren, berührt sie den Fall der Profite nur oberflächlich. Die Schwächen der 1970er Jahre sind vierzig Jahre später immer noch präsent, sie werden kaschiert durch die Profite einer Minderheit von Firmen (die man früher als Monopole oder Oligopole qualifiziert hätte) und des Finanzsektors.“ Das schrieben wir 2017 [3].

In dieser allgemeinen Situation eines Rentabilitätsdefizits würden die für „die Eingrenzung“ unvermeidlichen Investitionen, wenn man davon ausgeht, dass sie getätigt werden, die gegenwärtige Krise verschlimmern, trotz den Gewinnen für einen Teil der Bourgeoisie. Die auf dem Spiel stehenden Beträge wären unvergleichbar mit jenen, welche 2008 zur Unterstützung der Banken mobilisiert wurden.

„Tausend Milliarden für das Klima“, empfehlen Jean Jouzel und Pierre Larrouturou [4], sie wollen aufzeigen, dass eine notwendige grüne Politik nicht nur möglich, sondern sozial günstig (eine Million neue Arbeitsplätze, Verbesserung der öffentlichen Dienste) und, noch ein Vorteil, gut für die Wirtschaft und die Kompetivität des Landes – und Europas – wäre.

Damit traut man der kapitalistischen Produktionsweise mehr zu, als sie tun will und kann. In naher Zukunft wird es nicht mehr grünen denn sozialen Keynesianismus geben. Erwarten wir nicht eine Mobilisierung aller Ressourcen wie jene der USA nach Pearl Harbor, als ein enormer Anteil des Budgets die Aufrüstung finanzierte, der Bundesstaat verwaltete die Produktion von Flugzeugen und Munition, requirierte private Güter und erlegte dem Kapital und der Arbeit Verträge auf. In weniger als einem Jahr war die Industrie wie nie zuvor umorientiert, Chrysler stellte Flugzeugrümpfe her, Ford Bombenflugzeuge, General Motors Panzer usw. Die Reduktion von 5 oder 10% der Treibhausgase pro Jahr würde eine unvergleichbare Bemühung voraussetzen, eine Zentralisierung der Entscheidungsgewalt, ein „Ministerium für einen Übergang hin zu einer Zukunft mit geringer Kohleintensität“, die „eine Planwirtschaft für Energie“ [5] verwalten würde, die, darüber hinaus, den nationalen Rahmen übersteigen würde, sonst wäre sie ineffizient. Es genügt, diese Bedingungen aufzuzählen, um festzustellen, dass sie nicht verwirklichbar sind. Die Alliierten mobilisierten 1941 gegen Deutschland und Japan. Nach Pearl Harbor war es für das amerikanische Big Business inakzeptabel, den Japanern die Kontrolle über den Pazifik und Territorien mit wertvollen wirtschaftlichen und mineralischen Ressourcen zu überlassen. Die Bedrohung war präzis und ihre Folgen unmittelbar konkret.

Achtzig Jahre später wird der amerikanische, europäische, chinesische oder „globalisierte“ Kapitalismus dem CO2 nicht den Krieg erklären. Die kapitalistische Ökonomie funktioniert zur Befriedigung des Kapitalertrags: Der „Klimanotstand“ ist für sie nicht dringender als die Arbeitsbeschaffung für Millionen von Arbeitslosen.

Auf der anderen Seite des Atlantiks kämpft eine Strömung der Demokratischen Partei, die für diverse Nichtregierungsorganisationen spricht, für einen Green New Deal und verlangt, dass die USA bis 2030 ein Stromnetz aufbauen, das zu 100% dank erneuerbarer Energien funktioniert, und in grossem Stil grüne Infrastrukturen bauen. Dieser „neue“ New Deal vergisst, dass es den Druck der Krise von 1929 und eine Streikwelle mit Fabrikbesetzungen brauchte, um Roosevelt die Mittel zu geben, der Bourgeoisie gewisse Zwänge aufzuerlegen: die Beschränkung des Gewichts der Finanz und die Akzeptanz gewerkschaftlicher Präsenz in den Unternehmen. Doch man wird die Kapitalisten nicht dazu zwingen können, in Anbetracht der Konkurrenz auf die maximale Produktivität zu verzichten, denn hier geht es nicht mehr um das (verhandelbare) Verhältnis zwischen Lohn und Profit, sondern um die Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise. Eine „Ökologisierung“ der Welt ist politisch unmöglich, weil sie nicht rentabel wäre. Freilich wird in den USA und anderswo ein Teil dieser grossen Programme umgesetzt werden. Aber werden es die Klimabewussten viel besser machen als die Klimaskeptiker à la Trump? Man sucht vergeblich nach der ambitiösen grünen Politik Obamas, der es 2014 begrüsste, dass sein Land zum weltweiten führenden Erdölproduzent geworden war.

* * *

Es ist legitim, die Frage zu stellen, welche bürgerlichen „Fraktionen“ ein Interesse an einem grünen Kapitalismus haben: Die Erdölfraktion wiegt immer noch schwer; andere Sektoren, die von einem „grünen Kapitalismus“ abhängig sind, befinden sich auf einem aufsteigenden Ast. Die Frage ist jedoch nicht, wann die kapitalistische Produktionsweise damit aufhören wird, den natürlichen Gleichgewichten zu schaden – sie ist dazu unfähig –, sondern ob sie das für den Fortbestand der Bourgeoisie notwendige gesellschaftliche und politische Gleichgewicht aufrechterhalten oder wieder herstellen wird.

G. D., November 2020

Literaturverzeichnis

Marx, Das Kapital, Bd. 1, 22. Kap., § 3.

Andreas Malm, „Capital fossile: vers une autre histoire du changement climatique“.

Sehr dokumentierter Artikel. Unsere Episode 05 wird auf Malm und seine These eines „fossilen Kapitalismus“ zurückkommen.

Philippe Bihouix, Le Bonheur était pour demain, Seuil, 2019.

Übersetzt aus dem Französischen von Kommunisierung.net

Quelle


[1Karl Marx, Das Kapital, Bd. 1 in MEW, Bd. 23, S. 618-621.

[2Philippe Bihouix.

[4Pour éviter le chaos climatique et financier, Seuil, 2017.

[5Andreas Malm.

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