Statement zum 8.März – Raus zum feministischen Kampftag

veröffentlicht am 11. März 2024

Der 8.März ist der internationale feministische Aktionstag. Er entstand aus der sozialistischen Frauenbewegung und verbindet seit jeher den Kampf für Geschlechtergerechtigkeit mit dem Kampf für Teilhabe, Frieden und Arbeiter*innenrechte – kurz: für eine gerechte Gesellschaft!

#SeAcabó – es reicht! Die Ereignisse um die Fußball-WM 2023

Bei der Siegerinnenehrung der Fußball-WM am 20.08.2023 drückte Verbandspräsidenten Luis Rubiales der Starspielerin des Weltmeisterinnenteams, Jenni Hermoso, ungefragt einen Kuss auf den Mund und hielt dabei ihren Kopf fest. Millionen von (Fernseh)zuschauer*innen sahen dabei live zu. Von all diesen Augen konnte in den Wochen danach medial verfolgt werden, wie dieser Übergriff von verschiedenster Seite verharmlost wurde, Rubiales sich seiner Verantwortung entzog, gemeinsam mit dem Fußballverband Hermoso und ihre Familie unter Druck setzte, sie verleumdete, beschämte und problematisierte, sich selbst zum Opfer stilisierte, Personen zu seiner Verteidigung heranzog oder diese ihm freiwillig beisprangen. Der Triumph des Teams entwickelte sich in kürzester Zeit zu einem Kampf um generelle Anerkennung. Wenig überraschend wurde im Zuge der Debatten ein gewaltvolles, sexistisches System im von Rubiales geführten Verband sichtbar.

Rubiales war bereit, für seine Karriere und sein Ego den spanischen (Frauen)fußball zu gefährden. Erst als die Spieler*innengewerkschaft Jenni Hermoso öffentlich unterstützte, das gesamte spanische Nationalteam zurücktrat, auch männliche (Profi)Fußballer sich solidarisch zeigten, die Regierung Spaniens sich deutlich positionierte, ein juristisches Verfahren eingeleitet wurde und sogar die nicht für ihren Feminismus bekannte FIFA eine vorübergehende Suspendierung aussprach, ließ sich Rubiales nach vier langen Wochen zum Rücktritt bewegen.
Sexismus im Fußball – Auch bei uns?!

Dieses Ereignis zeigte einer breiten Öffentlichkeit jenen Sexismus, der zumeist – bis zu seiner extremen, gewaltvollen Eskalation – unbemerkt stattfindet und dabei das Leben von Frauen und queeren Personen tagtäglich bestimmt:

Es zeigte die Abwertung von Frauen und ihren Erfahrungen, Wahrnehmungen und Errungenschaften; die vergeschlechtlichen Machtverhältnisse; die reale Gefahr von sexualisierten Übergriffen und die vielfältigen, zermürbenden Mechanismen der Abwehr und des Umgangs damit.

Es zeigte, dass diese gesellschaftlichen Problematiken vor dem Fußball nicht Halt machen, und nicht einmal die erfolgreichste Fußballerin der Welt auf dem Gipfel ihres Triumphs vor laufenden Fernsehkameras davor geschützt ist.

Es zeigte aber auch, wie wichtig grenzenlose Solidarität (über Nationen-, Geschlechter-, und Vereinsgrenzen hinweg) für den dauernden, gemeinsamen Kampf gegen diese Strukturen ist.

Es zeigte, dass der 8. März auch 2024 ein wichtiger feministischer Kampftag bleibt, insbesondere im Fußball und auch beim WSC – denn Fußball und der WSC sind ein Teil dieser Gesellschaft.

Auch wenn hier beim Wiener Sport-Club vieles besser läuft als in anderen Vereinen, definitiv vielfach besser als im spanischen Verband, zeigen sich diese Strukturen trotz ernster Bemühungen selbst auf der sich antisexistisch verstehenden Friedhofstribüne. Ein Spruchband aus Solidarität mit Jenni Hermoso beim Spiel am 01.09.2023 gegen Ardagger wurde zwar von vielen Besucher*innen solidarisch und freudig mit-hochgehalten, von anderen Personen auf der Tribüne aber auch lautstark kritisiert – und mit ihm gleich auch die Überbringerinnen der Botschaft.
Wir Ex-Freund*innen der Friedhofstribüne

Im Oktober 2023, in der Atmosphäre der Ereignisse um die Fußball-WM, zog sich eine Gruppe von 16 großteils langjähriger und aktiver Mitglieder, viele davon Frauen und Queers, aus dem Fan-Verein „Freund*innen der Friedhofstribüne“ zurück. Jeder einzelnen dieser Personen ist der Rückzug nicht leichtgefallen, und es sind dem viele Ereignisse, Gespräche und schlaflose Nächte vorangegangen. Die Gründe für diesen Rückzug sind vielfältig und für jede Person ein wenig anders, aber was uns zusammenbrachte und vereinte, war eine große Enttäuschung in Bezug auf Anspruch und Wirklichkeit der Friedhofstribüne; und am Ende konkret der Umgang mit Konflikten und Gewalt innerhalb der Szene. In einem Moment, in dem wir uneingeschränkte Solidarität und ein verbindliches Versprechen für einen Kampf gegen verletzende Strukturen und einen Schutz vor Gewalt und Übergriffen gebraucht hätten, wurde uns dieser verwehrt; oder konnte uns nicht gegeben werden – je nach Sichtweise.

Die Friedhofstribüne war für uns alle lange Zeit eine Familie, und wie in jeder Familie gibt es Konflikte, die mal besser, mal schlechter behandelt und ausgehalten werden. Und wie es auch in Familien vorkommen kann, gibt es irgendwann eine zu tiefe Entfremdung oder Verletzungen, die nicht wieder gut werden und eine Abtrennung erfordern, so schmerzhaft das auch ist.
Gegangen, um zu bleiben…

Der Sport-Club bleibt unser Verein, bleibt unsere Liabschaft aus Hernois. Und wir bleiben mit vielen Menschen der Friedhofstribüne freundschaftlich-solidarisch verbunden, trotz enttäuschter Hoffnung auf sichtbare und wirksame Solidarität. Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass Konflikte komplex und Positionen nicht immer eindeutig sind, und es nicht immer leicht ist richtige Entscheidungen im richtigen Moment zu treffen oder laut und klar Position zu beziehen – sei es aus Angst, Unsicherheit oder akuter Überforderung. Strukturen sind machtvoll.

Wir sehen, wer solidarisch mit uns als Menschen und mit unseren grundsätzlichen Anliegen war und ist. Wir sehen aber auch, wer uns und unseren Bedürfnissen jegliche Anerkennung verneinte, sich an Positionen festklammert und der Verantwortung entzieht, wer uns unter Druck setzte, verleumdete und problematisierte, wer sich zum Opfer stilisierte und uns zu Täter*innen und gegen uns Stimmung machte.

Wir wünschen unseren Freund*innen alles Gute für einen hoffentlich konstruktiven Prozess innerhalb der Freund*innen der Friedhofstribüne, um Konflikte zukünftig besser zu begleiten. Wir freuen uns darauf, auch zukünftig gemeinsam auf der Tribüne unser Team anzufeuern.

Wir wollen den Fußball wieder genießen, denn wir lieben unseren Sport-Club.

Wir wollen den Sport-Club wie auch einander unterstützen, aber auch offen auf Probleme hinweisen und gemeinsam Wege für konstruktive Lösungen finden.

Wir wollen aktiv eintreten gegen jede Form von Diskriminierung und Ungerechtigkeit, innerhalb und außerhalb unserer Struktur.

Mit einer klar antifaschistischen Haltung kämpfen wir aktiv und sichtbar gegen Rassismen und jeden Antisemitismus, gegen Klassismus und gegen Gewalt in all seinen Formen, und heute nochmal expliziter als sonst gegen Sexismus und Queerfeindlichkeit.

Come on, Sport-Club! Come on brothers, sisters and others: Hinaus zum 8.März. Heute, morgen, immer. Hier, jetzt und überall gegen das Patriarchat und toxische Männlichkeit!

P.S. Heute seht ihr uns ganz links vorne auf der Tribüne, mit einem eigenen Transparent zum heutigen Kampftag. Kommt uns gern besuchen oder kontaktiert uns unter tribuene-links-vorne@riseup.net. Der Name ist temporär, wir halten euch auf dem Laufenden.

https://tribuenelinksvorne.noblogs.org/

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