Wuppertal: Bericht über die Demonstration am 25. Januar (Tag X)

veröffentlicht am 28. Januar 2022

Am Tag, an dem im Osterholz mit der Räumung und den Rodungsarbeiten begonnen wurde, gab es eine Demonstration, die vom Bahnhof Vohwinkel in den Wald führte.

Gegen 18 Uhr versammelten sich um die dreihundertfünfzig Protestierende, um ihrer Empörung über die in den frühen Morgenstunden begonnene Räumung der Baumhäuser Ausdruck zu verleihen. Erneut übernahmen Bandmitglieder von Fortschrott die musikalische Begleitung. Dieses Mal wurde der Refrain der „Osterholz bleibt! – Hymne“ lautstark mitgesungen. Auch ein von einer Musikerin von Lebenslaute aus Anlass der Rodung komponiertes Lied trug die Combo vor. Auf einer Hauswand wurde ein Film der Räumung projiziert, die den vollkommen überzogenen Polizeieinsatz zeigte. Gleich mehrere Hundertschaften sind in mit schwerem Gerät in den Wald eingefallen, um für den Profit der Kalkwerke Oetelshofen einen Freiraum zu räumen und einen gesunden Wald zu roden.

Eine Demonstrationsteilnehmende hat zu Beginn wütend darauf hingewiesen, dass Menschen mit Thor Steinar Kleidung in der Demo nichts verloren haben. Leider ist nicht deutlich geworden, um welchen konkreten Vorfall es genau geht und das Problem schien sich auch erwartungsgemäß schnell gelöst zu haben.

Der bis ins Groteske überzogene, polizeiliche Einsatz soll laut Bürgerinitiative vier Millionen Euro kosten. Unklar ist, ob die Verzögerungen bei der Räumung der Baumhäuser bereits mit eingerechnet sind. Die Forderung, dass das Geld doch für Alternativen zur Abholzung verwendet werden soll, ist ohne Relevanz. Darüber müssen sich Unternehmen keine Gedanken machen, weil für die Kosten die Allgemeinheit aufkommt, und nicht für die von der kleinen Gefälligkeit profitierende Firma. Die vor Jahren von den Kalkwerken selbst beantragte und genehmigte Innenraumverkippung ist nicht profitabel genug. So funktionieren die herrschenden Spielregeln im kapitalistischen System nun einmal auch in der Demokratie, die ihrer Rolle hier einmal mehr gerecht wird.

In Reden wurden auch die letzten zweieinhalb Jahre Revue passieren lassen. Ausgedrückt wurde die tiefe Enttäuschung über gebrochene Zusagen der Politik. Eine der Sprecher*innen von „Osterholz bleibt“ bemerkte in ihrer Rede selbst, wie sehr sie in ihrer Rede den Namen „Uwe Schneidewind“ wiederholt hat. Sie hatte viel Hoffnung auf ihn gesetzt. Realität ist aber, dass Politiker*innen, wie der grüne Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal keine Partner*innen sind, um wirkliche Probleme, wie die zügig voranschreitende Klimakatastrophe zu bekämpfen. Seine Partei hat im Stadtrat sogar für die Rodung gestimmt.

Auch auf die Glaubwürdigkeit der Firma Oetelshofen wurde eingegangen. Zum Zeitpunkt der Demonstration ist die jüngste ihrer Lügen gerade einmal wenige Stunden alt gewesen. In ihrer am 24. Januar veröffentlichten Stellungnahme haben die Kalkwerke versichert, dass keine weiteren Bereiche des Osterholzes gerodet werden. Bereits am Tage der Räumung wurde dieses Versprechen gebrochen. Um Wege für Baufahrzeuge zu schaffen, wurde außerhalb des kartierten Rodungsgebietes, mitten durch den Wald, breite Wege aus Kies für Transportfahrzeuge angelegt. Versichert wurde, dass zukünftig sehr genau hingeschaut wird, was in Verantwortung der Firma Oetelshofen geschieht. Der Wind hat sich gedreht und bläst der Firma umso kräftiger ins Gesicht.

Ausdrücklich scharf kritisiert wurde auch die Haltung und Rolle des BUND (Bund für Umwelt- und Naturschutz) Wuppertal, der nichts gegen die Rodungsmaßnahmen unternehmen wollte. Er soll sich sogar darüber freuen, dass mit der Ausweitung von Steinbrüchen auch wertvolle Trockenrasen entstehen. Ein intakter Mischwald soll dagegen weniger schützenswert sein? Hier verschiedene Lebensräume gegeneinander ausspielen zu wollen ist durchschaubar. Steht es doch auch im Zusammenhang mit dem von dem Unternehmen Oetelshofen unterstützen Uhu-Projekt, an dem sich auch der BUND beteiligt. Nicht alle regionale Gruppen des Umweltverbandes beteiligen sich am gemeinsamen „Greenwashing“ und erkennen die schwerwiegenden ökologischen Probleme durch den Kalkabbau an. Der BUND Erkrath (Stadt in der Nähe von Wuppertal gelegen) hat sich z.B. am Protest beteiligt.

Als fatal für den Klimaschutz wurde die juristische Bewertung benannt, ein kleiner Wald hätte keine Bedeutung für den Klimawandel. Demnach würde es sich lohnen, Rodungsgenehmigungen nur für kleine Teilbereiche zu beantragen, die dann behördlich nicht zu beanstanden sind.

Es wurde auch dieses Mal darauf hingewiesen, dass die einzige erfolgreiche Aktionsform die Waldbesetzung gewesen ist. Für die Besetzer*innen wäre es eine Zeit voller Entbehrungen gewesen, die psychische Belastung wäre zum Schluss kaum noch ertragen zu gewesen. Ohne sie, wäre der Wald bereits vor mehr als zweieinhalb Jahren dem Müll der Firma Oetelshofen gewichen. Auch an dieser Stelle noch einmal ein besonderer Dank an die Aktivist*innen, die mit ihrer direkten Aktionsform noch viel mehr Unterstützung verdient gehabt hätten. Die lautstark gerufene Parole „Ihr seid nicht allein!“, als der Protestzug den Rand des Osterholzes erreichte, ist mit Sicherheit von den Besetzer*innen zu hören gewesen. Der größte Teil ihres Freiraums ist zu dem Zeitpunkt noch nicht geräumt gewesen und die meisten Besetzer*inne haben eine weitere Nacht im Wald verbringen können. Ein Zeichen hörbarer Solidarität in den Wald zu tragen, ist ein besonderes Anliegen der Demonstration gewesen. Auch das Transparent mit der Aufschrift, das N in Kapitalismus steht für Naturschutz, das nach einer Demo an ein Baumhaus befestigt wurde, wurde in einer Rede erwähnt. So wie die von Besetzer*innen auf die Baumrinde von zum Fällen bestimmte, gesprühte Erinnerung „Ich bin du“, die es gut aufzeigt, dass hier für den Profit eine menschliche Lebensgrundlage zerstört wird. Auch dem von einem Redner geäußerte Wunsch, gemeinsam vor allem für etwas zu sein und sich nicht nur über das, wenn auch oft berechtigten, Dagegen zu sein, zu difinieren, wurde mit der Schaffung eines Freiraums entsprochen.

Fassungslos musste die Bürgerinitiative zur Kenntnis nehmen, dass mögliche Blindgänger aus dem Weltkrieg bei der Räumung mit schwerem Gerät und Fällen von Bäumen mit mächtigen Wurzeln nicht von Belang sind. Laut eines Gerichtsbeschluss ist die Gefahr erst später relevant. Am Tag der Räumung wurden dann aber ausgerechnet Sicherheitsaspekte vorgeschoben, um den Ort der Mahnwache zu verlegen.

Auch bei der Demo nahm es die Polizei einmal wieder mit Vorschriften sehr genau. Aufgrund einer angeblich steigenden Anzahl Demonstrierender, wurde mehr als einmal, zusätzliche Ordner verlangt. Sie mussten sich bei der Polizei unter Vorlage des Personalausweises registrieren lassen. Dabei konnte nicht beobachtet werden, dass sich eine nennenswerte Anzahl von Personen erst im weiteren Verlauf des Demonstrationszuges angeschlossen hätte. Von den Demonveranstalter*innen wurde erwartet, dass sie sich auf dieses Spielchen einlassen.

Die Polizei war passend zur Dimension ihres Einsatzes mit einem starken Aufgebot präsent. Hier nur fehlende Verhältnismäßigkeit vorzuwerfen, wäre fahrlässig. Der demokratische Staat zeigt Gesicht. Was am TAG X an Material und Personal, von Reiterstaffel bis Räumpanzer, Straßensperren und lückenlosen Überwachungsmaßnahmen aufgeboten wurde, spottet jeder Beschreibung, Bereits vor Demobeginn befanden sich zahlreiche Polizeifahrzeuge auf dem Bahnhofsvorplatz.

Viele Polizist*innen liefen im Demonstrationszug mit. Es wurde berichtet, dass der Fahrer eines Einsatzfahrzeugs damit provozierte, dass er sehr dicht auf Demonstrierende auffuhr. Nach Beschwerden hat der Polizist kurz auf das Gaspedal getreten und damit angedeutet, dass er gerne Demonstrant*innen angefahren hätte. Auf dem weiteren Demonstrationsweg setzte die Polizei auf Abschreckung. Die Zugänge zum Wald waren durch schwarz vermummte, behelmte Polizist*innen versperrt. Ein Räumpanzer war auf dem Demonstrationsweg abgestellt, der erst kurz vorher dort hingefahren wurde.

Am Ende nutzte auch eine Schülerin, die sich bei Fridays for Future engagiert, die Gelegenheit das Mikrofon zu ergreifen. Sie sprach davon, dass sie es extrem leid wäre, vor lauter Demonstrationen gegen Waldrodungen (und auch gegen Nazis) auf der Straße zu sein und kaum noch richtig für die Schule zu lernen. Leider ist nicht nur das Problem der älteren Generation, dass es nicht gelingt, in nennenswerter Zahl für Klimagerechtigkeit zu mobilisieren. Erst wenn wirklich für mehr Menschen „Jeder Baum zählt“. können Dramen, wie sich sie aktuell im Osterholz abspielen, erfolgreich verhindert werden. Dann würde auch nicht so viel Arbeit auf den Schultern weniger Aktivist*innen lasten. Im Osterholz sind es vor allem, die Besetzer*innen, die Bürgerinitiative sowie engagierte Einzelpersonen, die unglaublich viel Einsatz bis über die Belastungsgrenze hinaus gezeigt haben. Ihr Engagement hätte mehr Solidarität verdient.

Die von Repression Betroffenen brauchen jetzt unsere vollste Unterstützung. In NRW hat die Laschet-Regierung dafür gesorgt, dass seit dem im Jahre 2018 verschärften Polizeigesetz, passend „Lex Hambi“ genannt, Aktivist*innen sieben lange Tage ohne Anklage in Gewahrsam genommen werden können. Die Firma Oetelshofen hat wohl zudem die erwarteten Strafanzeigen gestellt und es sollen bereits erste Haftprüfungstermine für ehemalige Besetzer*innen der Bäume im Osterholz festgelegt worden sein.

Wer die von Repression Betroffene unterstützen möchte, kann Geld auf das Spendenkonto einzahlen. Geld, das nicht in Anspruch genommen werden sollte, wird für andere Solidaritätskampagnen genutzt.

Konto: Spenden und Aktionen
IBAN: DE29 5139 0000 0092 8818 06
BIC: VB MH DE5FXXX
Bank: Volksbank Mittelhessen
Betreff: Osterholz

Informiert euch auf:
https://jederbaumzaehlt.noblogs.org/
https://osterholzbleibt.org/

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