Zerschlagt die Handys - Gegen das Protestfilmen! (Anmerkung zum Fundi-Aufmarsch am 16.10. in Wien)

veröffentlicht am 19. Oktober 2021

Bei Protesten müssen viele Menschen und Organisationen gemeinsam zusammen arbeiten. Ein Problem das dabei immer wieder aufkommt ist, dass diese verschiedenen Leute unterschiedliche Ziele haben: Die einen wollen gesellschaftliche Veränderung und Befreiung. Die anderen wollen schöne Bilder auf Social Media.

Auch wenn unterschiedliche Ziele nicht immer schlecht sein müssen ist gerade in diesem Fall doch klar dass die Ziele sich widersprechen: Diejenigen welche schöne Bilder wollen verhindern die Aktionen die etwas bewirken können.

An mehreren Punkten verteilt und immer wieder ist das Filmen und Fotografieren diesen Samstag den 16.10 in Wien beim Protest gegen Fundis aufgefallen..
Zur generellen Klarstellung: Zumindest wir finden, dass die Proteste und Aktionen ein voller Erfolg waren und freuen uns darüber. Dieser Text soll keine Herabwertung des Gesamtbildes sein - im Gegenteil. Wir finden auch (aus offensichtlichen Gründen), dass eine detaillierte Diskussion über die Aktionen hier öffentlich nicht angebracht ist. Was uns aufregt ist auch nichts was uns nur dort aufgefallen ist sondern eher ein allgemeiner Trend.

Eine Sache ist uns wichtig, denn sie gefährdet uns alle und es ist ein Satz den Leute sich auch gerne merken können: Wenn ihr meint in Kundgebungen, bei Demos und vor allem spontanen Aktionen oder einem Schwarzen Block Handys rauszuholen, zu filmen, zu fotografieren, ach so tolle "Live-Interviews" aufnehmen zu müssen dann rechnet doch bitte damit, dass eine solidarische Person euer Handy mal wegnimmt und ihr es für immer los seid.

Cops filmen Demos und Aktionen. Faschos und Fundis filmen Demos und Aktionen. Journalist*innen filmen Demos und Aktionen. In letzter Zeit filmen auch immer wieder Polizeifanatiker*innen Demos und Aktionen. Und sie alle liefern hochauflösende Bilder: sofort abrufbar und für uns alle gefährlich...ach ja und "Aktivistis" filmen Demos und Aktionen.

Die allgemeine - in bestimmten Teilen von Bewegungen weit verbreitete - Auffassung jeden Akt der Rebellion dokumentieren zu müssen, zu filmen und zu fotografieren nur um dann die eigene Klick-Geilheit ausleben zu können ist für die Rebellion schädlicher als das meiste an Verhalten was (meistens dieselben) Demo-Moralapostel an Anderen kritisieren.
Eure Mediengeilheit kotzt uns an.

Ihr gefährdet aktiv Leute. Ihr verhindert, dass Aktionen überhaupt durchgeführt werden können und übernehmt dann noch freiwillig die Arbeit für Cops und Faschos.

Es sind auch nicht unbedingt die Leute gemeint, die es nicht besser wissen und denen es erklärt werden kann wie gefährlich Bilder und Videos bei so etwas sind (und die dann damit aufhören). Wer hier gemeint ist sind die Leute die - teilweise organisiert - ihre politische Arbeit auf die Öffentlichkeitswirksamkeit fokussieren. Schöne Bilder sind euch wichtiger als tatsächliche Veränderung.

Euer Wille immer möglichst schnell alles auf Social Media zu hauen ohne darauf zu achten was zu sehen ist oder es zu verpixeln (oder wenn dann immer nur beschissen verpixelt sodass Menschen immer noch an Gesicht, Statur oder Kleidung erkenntlich sind) führt dazu dass Menschen denen dieser Protest wirklich am Herzen liegt gar nicht mehr auftauchen können. Oder dass sie nach jeder Aktion, nach jeder Demo zuhause alle möglichen Plattformen ängstlich nach Bildern durchsuchen müssen um zu sehen ob sie selbst wo drauf sind. Es führt dazu dass Leute in ihrem Job mit Repressionen zu rechnen haben. Es führt dazu dass Leute mit ihren Familien zu kämpfen haben. Es führt dazu dass Leute vor Gericht landen können.

Uns wird dann gesagt, dass solche Bilder wichtig sind um Leute zu mobilisieren und zu motivieren zum nächsten Protest zu kommen. Dies zeigt wie sehr sich das schädliche (unternehmens- oder staatsgeführte) Social-Media-Anerkennungsdenken auf unser alltägliches Leben auswirkt: Likes und Herzen ersetzen Leidenschaft und Hingabe. Menschen werden nicht durch Bilder mobilisiert sondern durch funktionierende, effektive Aktionen und das Aufbauen von gesellschaftlichen Alternativen...also genau das, was ihr mit euren Bildern verhindert.

Eines unserer "Lieblings"argumente ist wenn (meist Studierende) meinen uns erzählen zu müssen, dass verpixelte Bilder die arbeitende Klasse abschrecken. Denkt ihr denn wirklich, dass das gerade die Priorität bei solchen Aktionen ist? Es geht darum den Fundis den Tag zu versauen. Es geht darum sie nicht aufmarschieren zu lassen und den Versuch ihre Propaganda zu verbreiten entschieden zu verhindern. Es geht darum, dass sie verdammt nochmal Angst haben müssen wenn sie ihre menschenverachtenden Positionen kundtun wollen. Beteiligung des Proletariats, der arbeitenden Klasse oder wie auch immer der Armutsfetisch einiger reicher Kinder ausgedrückt wird ist aber ohnehin nochmal eine eigene Diskussion. Aber hier ist es bestimmt kein Argument dafür viele Leute zu gefährden die akut und sofort etwas verändern wollen.

Es wird auch argumentiert, dass solche Proteste dokumentiert werden müssen um Medien Material zu liefern oder die Berichterstattung selbst zu übernehmen. Das führt dazu, dass die Leute sich von (kapitalistischen und staatsgeleiteten!) Medien vorschreiben lassen wie Aktivismus auszusehen hat. Der Interessenskonflikt sollte offensichtlich sein.

Wir denken auch, dass dieses Denken ein Grund ist, warum es immer wieder zu unsolidarischen Meldungen kommt und Menschen Aktionen vorgehalten werden anstatt sie in angemessenem Rahmen zu diskutieren (oder noch besser: einfach selber mal was zu machen!). Das beste Beispiel ist wohl hier zu finden.
So ein beschissenes, unsolidarisches "eine scheiß Aktion"-Kommentar wie dort beschrieben hat in einer emanzipatorischen Bewegung nichts zu suchen. Beeinflusst ist das von der falschen Idee Protest an Medien und Politik auszurichten. Solidarität heißt füreinander da zu sein. Ohne Solidarität keine Revolte. Ohne Solidarität keine Veränderung. Wenn ihr euch identifiziert mit den Leuten aus der Lobau-Besetzung die gemeint haben Aktionen zu kommentieren während die Cops aktiv Repression ausüben sagen wir euch aus unseren tiefsten Herzen heraus: Fickt euch und verpisst euch aus diesen Kämpfen!

Oft hören wir wenn es um Bilder geht dann, dass die Leute darauf ja eh gefragt wurden. Dass ja eh alles verpixelt ist. Äußerst selten ist es das. Und selbst wenn ihr alle "Vorsichtsmaßnahmen" trefft stellt sich immer noch die Frage warum ihr verdammt nochmal ein Handy dabei habt...

Und bevor ihr jetzt herumheult: Spart es euch. Wenn ihr schöne Instagram-Bilder haben wollt gönnt euch doch einen scheiß Urlaub irgendwo am Strand. Aber lasst die Leute die an dieser beschissenen Gesellschaft etwas ändern wollen machen und erschwert ihnen nicht ihr leben.

Es gibt eigentlich gar nicht so viel zu diesem Thema zu sagen was nicht schon offensichtlich sein sollte.

Wenn ihr Bilder in einem Block macht, wenn ihr Ton- und Bildaufzeichnungen auf einer Demo macht...rechnet damit, dass eure Handys fliegen lernen...

Liebe Grüße,
Eure Handy-Weitwurf-Antifa

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