#Senegal: Präsident Macky Sall in politischer Manipulation

veröffentlicht am 27. März 2024

Westafrika - Der* weiße Mann* hatte uns die Unabhängigkeit ge- und die Macht an unsere Führer*innen übergeben. Wir dachten, dass sich die Dinge ändern würden, wenn unsere Führer*innen regieren, aber das ist nicht der Fall. Der nationale Kuchen wird nicht gleichmäßig unter den Bürger*innen aufgeteilt.

Spitzenbeamt*innen manipulierten die Staatskasse. Die Korruption grassiert. Das ist das Gebot der Stunde. Einige unserer Führer*innen werden riesige Geldbeträge veruntreuen und an ausländische Banken schicken.

Wenn Journalist*innen diese Veruntreuung von Geldern in ihren Zeitungen aufdecken, werden die korrupten Führer*innen nicht erfreut sein und ihre Verhaftung anordnen. Sie werden eingesperrt und manchmal zu Tode gefoltert.

Die Opposition wird Protestkundgebungen abhalten und solche Führer*innen anprangern; Sie werden von Soldat*innen gewaltsam zerstreut werden, aber sie werden standhaft bleiben, weil sie das Gefühl haben, dass es ihr verfassungsmäßiges Recht ist, Kundgebungen abzuhalten. Es wird zu Kämpfen kommen, Oppositionsanhänger*innen werden schwer verprügelt und einige könnten bei den Protesten ihr Leben verlieren.

Die Bürger*innen werden sich desillusioniert fühlen und sich nicht mehr damit abfinden, wie wir regiert werden. Leider! Das Militär wird die Macht an sich reißen. Sie werden das Parlament auflösen und die Verfassung außer Kraft setzen. Politische Parteien werden beschuldigt und die Militärs werden von der Zivilbevölkerung beklatscht werden.

Wenn es zu solchen militärischen Machtübernahmen kommt, werden unsere gewählten Führer*innen aus unseren Ländern fliehen. Wir hoffen das Beste und denken, dass die Dinge in Ordnung gebracht werden. Wir werden im Gegenzug mit Enttäuschungen konfrontiert werden, wenn wir erkennen, dass die uniformierten Jungs*, die kommen, um uns zu retten, korrupter sind als unsere gewählten Führer*innen. Nachdem sie die Verfassung außer Kraft gesetzt haben, werden sie mit harter Hand regieren. Alle werden zum Schweigen gebracht.

Aber wir sollten vorsichtig sein, wenn wir dem Militär die Schuld geben. Ehemalige Präsidenten* wie Siad Barre aus Somalia, Idi Amin aus Uganda, Mobuto Sesseco aus Kongo-Kinshasa (heute Demokratische Republik Kongo), Kamusu Banda aus Malawi usw. waren alle Diktatoren* und hatten ihr Volk terrorisiert. Wann soll Afrika aufhören zu weinen?

Bei Präsident Macky Sall kam es nicht gut an, als der ehemalige Präsident Abdoulaye Wade seinen Sohn Karim Wade darauf vorbereitete, um ihm die Macht zu übergeben, wenn er das Präsident*innenamt vor dem Ende seiner Amtszeit aufgibt, wie von seinen Kontrahent*innen behauptet.

Doch im Laufe der Tage brach Not über den Senegal herein. Die Arbeitslosigkeit stieg und die Menschen konnten die hohen Lebenshaltungskosten nicht mehr stemmen. Bei den Kommunalwahlen machten sie ihrem Ärger Luft und stimmten gegen die Partei von Präsident* Wade. Sein Sohn, Karim Wade, verlor die Bürgermeister*innenwahl in Dakar.

Aus Angst, die Präsident*innenwahlen 2012 zu verlieren, beschloss Präsident* Wade, die senegalesische Verfassung so zu modifizieren, dass statt 51 % nur 25 % der Stimmen zur Wahl der*des Präsident*in erforderlich sind. Präsident* Macky Sall, damals Oppositionsführer*, und seine Anhänger*innen waren nicht glücklich. Sie protestierten auf der Straße und lieferten sich Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften. Er war entschlossen, den Protest zusammen mit seinen Anhänger*innen fortzusetzen. Die Spannung war groß und Präsident* Wade unterlag. Macky Sall trat bei den Präsident*innenwahlen 2012 an und gewann.

Als der ehemalige Präsident* Yaya Jammeh 2016 die Präsident*innenwahlen in Gambia verlor, beschloss er, nicht zurückzutreten. Es war Präsident* Macky Sall, der sagte, dass eine Diktatur in Gambia nicht zugelassen werde, und die senegalesischen Soldat*innen führten die ECOWAS-Mission in Gambia an, um Yaya Jammeh zum Rücktritt zu zwingen. Das ist ihnen gelungen. Ja, Präsident Macky Sall würde keine Diktatur in Gambia zulassen, aber unter seiner Aufsicht herrscht im Senegal eine Diktatur. Was für eine Ironie!

Nach Angaben von Oppositionsanhänger*innen hat Ousman Sonko, ein Oppositionsführer* im Senegal, wegen der Diktatur von Präsident* Macky Sall keinen Frieden genossen. Während seiner Zeit in der Regierung von Präsident Macky Sall deckte er Korruptionsaktivitäten von Regierungsbeamt*innen auf. Das kam bei Macky Sall nicht gut an, der ihn schließlich entließ. Aber Präsident* Sall selbst sagte, er würde korrupte Praktiken von Regierungsbeamt*innen unterbinden. Was für eine Schande!

Ousman Sonko erzählte der senegalesischen Bevölkerung von der wirtschaftlichen Lage des Landes und der Veruntreuung von Geldern. In dem Wissen, dass Sonko bei der Jugend beliebt ist, klagte ihn die Regierung von Präsident Sall wegen Vergewaltigung und Morddrohung an, nachdem Aji S. ihn beschuldigt hatte. Sie sagte, dass sie nach der Vergewaltigung schwanger war, aber nach zwei Jahren gab es keine Schwangerschaft mehr. Sie wurde von Präsident* Salls Verschwörer*innen benutzt, um Sonko zu verleumden. Jede*r wusste, dass dies politisch motiviert war, da Präsident* Salls Ziel darin bestand, Ousman Sonko daran zu hindern, bei den Präsident*innenwahlen am 25. Februar 2024 anzutreten.(*)

Ousman Sonko wollte der ersten Gerichtsverhandlung des Falles beiwohnen. Er wurde unterwegs Richtung Gericht von der Polizei gezwungen, einen anderen Weg zu nehmen, was er verweigerte, weil er befürchtete ermordet zu werden. Er war bereits vorzeitig auf dem Gerichtsgelände. Warum sollte man ihn zwingen, einen Weg zu nehmen, den er nicht gehen wollte?

Die Behörden verhafteten ihn und brachten ihn ins Gefängnis. Das verärgerte seine Anhänger*innen, die auf die Straße gingen um zu demonstrieren und forderten seine Freilassung. Sie verbrannten Reifen und zerstörten Eigentum. Dies zwang die Behörden, ihren Anführer* freizulassen. Vierzehn Menschen verloren bei dem Handgemenge ihr Leben.

Ousman Sonko wurde ebenfalls von Anhänger*innen der Regierungskoalition angegriffen, als er sich auf einer Tour durch das Land befand. Als er an der zweiten Sitzung des Falles teilnehmen wollte, hielten die Polizist*innen sein Auto an, zwangen ihn auszusteigen und setzten ihn in ihr Auto. Er beschuldigte sie, giftiges Tränengas auf ihn gesprüht zu haben. Daraufhin wurde er in eine Privatklinik eingewiesen. Ein Arzt* bestätigte, dass gefährliche Substanzen verwendet wurden.

Der Fall wurde in Abwesenheit von Ousman Sonko zur Urteilsverkündung vertagt. Aji Sarr hatte ausgesagt, war aber widersprüchlich in ihrer Aussage. Der Richter sprach Ousman Sonko vom Vorwurf der Vergewaltigung und Morddrohung frei, verurteilte ihn aber wegen "Korrumpierung der Jugend" zu zwei Jahren Haft.(*)

In der Anklageschrift gegen Ousman Sonko stand Vergewaltigung und Morddrohung. Der Vorwurf der Korrumpierung der Jugend war nicht Bestandteil der Anklageschrift. Das kam am Tag des Jüngsten Gerichts zur Sprache. Alle waren überrascht. Es war eine erdichtete Anklage. Es war noch niemals das Gericht.

Die jüngste Verschiebung der Präsident*innenwahlen durch Präsident* Sall sorgte für Chaos und Wut. Menschen manifestierten sich in verschiedenen Teilen des Landes. Laut Präsident* Sall gab es einen Streit zwischen der Nationalversammlung und dem Verfassungsrat. Er sagte, das sei der Grund, warum er die Wahl verschoben habe. Das ist irreführend. Es ging um einen Streit zwischen Karim Wade und dem Verfassungsrat, der ihn von der Präsident*innenschaftskandidatur ausschloss. Obwohl er auf der Liste stand, auf der vom Verfassungsrat die zugelassenen Kandidat*innen bestätigt wurden, erhob einer der qualifizierten Kandidat*innen, Cherno Alasan Sall, den Einwand, dass Karim Wade die doppelte Staatsbürger*innenschaft besitzt. Aus diesem Grund wurde er später disqualifiziert.

Die Partei von Karim Wade, die Senegalesische Demokratische Partei (PDS), beschuldigte zwei Richter*, von Präsident* Salls Kandidat* Amadou Bah korrumpiert worden zu sein, um Karim Wade von der Teilnahme an der Wahl auszuschließen. Die Richter* reichten daraufhin eine Klage gegen die Partei von Karim Wade ein. Warum dann eine parlamentarische Untersuchung, wenn es bereits eine Klage gegen die Partei gab? Es war nicht nötig. Das Gericht kann feststellen, ob Amadou Bah die beiden Richter* korrumpiert hat oder nicht. Was hält Karim Wade davon ab, sich an die Gerichte zu wenden, wenn er der Meinung ist, dass seine Disqualifikation illegal ist? Tatsächlich wurde die parlamentarische Untersuchungskommission aufgelöst, weil es keine Beweise dafür gibt, dass Amadou Bah die besagten Richter* korrumpiert hat, um Karim Wade zu disqualifizieren. Dies zeigt, dass die Behauptung nicht wahr ist. Präsident Sall suhlt sich nur in politischer Manipulation.

Warum hat die ECOWAS Präsident* Sall nicht gesagt, dass es verfassungswidrig ist, die Wahlen zu verschieben? Aber sie waren schnell dabei, Mali, Guinea, Niger und Burkina Faso wegen eines Militärputsches zu sanktionieren. Das ist Heuchelei.

Walf TV wurde von der Regierung von Präsident* Sall geschlossen und die Lizenz entzogen. Präsident* Sall hat einfach vergessen, dass es der verstorbene Sidi Lamin Nyass, der Besitzer* des Fernsehsenders war, der ihm die Möglichkeit gab, sich in seinem Fernsehen an seine Anhänger*innen zu wenden, als er in der Opposition war. Die Sicherheitskräfte warfen Tränengas in das Büro des Fernsehsenders und misshandelten eine Journalistin*, die gerade ihre Arbeit verrichtete und über eine Demonstration berichtete.

Unter der Aufsicht von Präsident* Sall wurden von 2021 bis 2024 mehr als 70 Menschen von Sicherheitskräften getötet, weil sie von ihrem verfassungsmäßigen Recht Gebrauch machten, über 1000 wurden als politische Gefangene inhaftiert. Es ist eine gute Nachricht, dass die Regierung von Präsident* Sall einige politische Gefangene freigelassen hat, und sehr bald werden Ousman Sonko und Bassirou Diomaye Faye aus dem Gefängnis entlassen, so Alieu Tine.(**)

"Die Verschiebung der Präsident*innenschaftswahlen im Senegal bringt das Land auf einen gefährlichen Weg in Richtung Diktatur und darf nicht so stehen bleiben. Die eklatante Missachtung der senegalesischen Verfassung durch Präsident* Macky Sall und die eklatante Missachtung der Unterstützung der Demokratie durch die senegalesische Bevölkerung untergräbt die jahrzehntelangen Fortschritte seit der Unabhängigkeit in einer Demokratie, die einst als eine der zuverlässigsten und dynamischsten Demokratien Afrikas galt. Präsident* Sall muss diese rücksichtslose Entscheidung rückgängig machen und sicherstellen, dass Wahlen vor dem Ende seiner verfassungsmäßig vorgeschriebenen Amtszeit abgehalten werden", sagte US-Senator Ben Cardin, Vorsitzender* des Senatsausschusses für auswärtige Beziehungen.

Ein verärgerter Oppositionsanhänger* erklärte: "Der 2. April 2024 ist das Ende der Amtszeit von Präsident* Sall. Wenn er es nicht schafft, die Macht am 3. April 2024 abzugeben, werden wir massiv zum State House marschieren und ihn absetzen. Das ist die einzige Sprache, die er versteht."

Präsident* Sall hat der Bevölkerung viele Versprechungen gemacht. Deshalb stimmte sie 2012 gegen den ehemaligen Präsidenten* Abdoulaye Wade und für ihn. Die Leute waren desillusioniert über die damalige Regierung. Vielleicht haben sie jetzt erkannt, dass die* Teufel*in, die* du kennst, besser ist als die Engel*in, die* du nicht kennst.

Nachdem sich der Verfassungsrat gegen die Verschiebung der Wahl durch Präsident* Sall ausgesprochen hat, wird sich der politische Staub bald legen.

Dies zeigt, dass das Gesetz zur Verschiebung der Wahl auf den 15. Dezember 2024 durch die Mitglieder* der Nationalversammlung illegal ist. Was für eine Schande!


Anmerkungen d. Übers.:

(*) Es gibt verschiedene Meinungen rund um die Anklage gegen Ousmane Sonko. Fakt ist, dass er wegen verschiedener "Vergehen" verfolgt wurde. Sowohl vor als auch nach der Anklage wegen mehrfacher Vergewaltigung und Todesdrohung. Dass er die junge Frau kannte, steht fest. Er gab zu, mehrmals in dem Massagesalon gewesen zu sein, in dem sie arbeitete. Dass sie sexuellen Kontakt hatten ist wahrscheinlich. Der Vorwurf der Vergewaltigung konnte vor Gericht - in Abwesenheit von Ousmane Sonko - nicht bewiesen werden, da sich die Klägerin laut Gericht in widersprüchliche Aussagen verstrickte. Jedoch wurde Sonko wegen sexuellen Kontaktes mit einer unter 21jährigen verurteilt, der im Senegal (außerhalb der Ehe) verboten ist, genau genommen wegen "Verführung der Jugend". (Es gibt unterschiedliche Meinungen, wie genau das Urteil lautete und worauf es sich bezieht. Siehe dazu bspw. die Ausführungen in diesem Artikel.)
Der Freispruch wegen mehrmaliger Vergewaltigung und Todesdrohung entschuldigt keinesfalls Sonkos Verhalten und seine abwertenden und beleidigenden Aussagen über die Klägerin*. Er soll unter anderem gesagt haben, sie sehe aus wie "ein Affe* nach einem Schlaganfall". Ebenso ist der Freispruch vom Vergewaltigungsvorwurf keine Rechtfertigung für die öffentlichen Anfeindungen gegenüber Aji S. Dies passt in das bekannten Muster bei sexuellen Übrergriffen und Vergewaltigungsfällen, Frauen* die Schuld zuzuschreiben. Von Sonko gab es weder eine öffentliche Entschuldigung noch eine Aufforderung an seine Anhänger*innen, die Anfeindungen zu beenden.

(**) Zum Zeitpunkt, als dieser Artikel erschien, wurde das Amnestiegesetz im Rahmen des "nationalen Dialoges" von Macky Sall der Öffentlichkeit präsentiert und Macky Sall kündigte die Freilassungen seiner Kontrahent*innen indirekt an. Der Gesetzesvorschlag ging im Eilverfahren durch die Instanzen und wurde am 6. März vom Parlament mit großer Mehrheit abgesegnet (mehr dazu hier). Bassirou Diomaye Faye, der Kanditat* der anstatt des nicht zugelassenen Ousmane Sonko antrat, wurden am 14. März freigelassen und begaben sich unmittelbar in den bereits angelaufenen Wahlkampf.
Die Wahlen fanden nach Intervention durch den Verfassungsrat schließlich am 24. März 2024 statt. Bassirou Diomaye Faye, den Kanditat* von Sonkos im vergangenen Jahr verboteter Partei PASTEF gewann die Wahlen mit klarem Vorsprung auf den Kanditaten* der Regierungskoalition, Amadou Ba und wird - falls nichts unerwartetes geschieht - am 3. April zum neuen Präsidenten* Senegals angelobt.


Dieser Artikel von Dawda Faye, Leitender Justizkorrespondent*, erschien Ende Februar 2024 auf englisch ("President Macky Sall in political manipulation") in den Printausgaben der Zeitungen The Voice und The Point, beides Medien aus Gambia, Nachbar*innenland des Senegal. Online: The Point, 29. Februar 2024

Er wurde hier ergänzend zu den bereits auf Emrawi.org erschienen Artikeln veröffentlicht, weil er eine lokale Position wiedergibt und die derzeitige Situation im Senegal besser verständlich macht.

Weitere Informationen und Links finden sich in folgenden Artikeln:

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zum Thema Anti-Repression:

zum Thema Staat & Herrschaft:

zum Thema Anti-Kolonialismus: