Eindeutig und klar: Black Lives Matter Vienna

veröffentlicht am 8. Juni 2020

Für Freitag, 5. Juni 2020 rief Black Lives Matter Vienna zu einer Kundgebung auf, organisiert von Schwarzen Aktivist*innen und Künstler*innen. Schwarzen Menschen und People of Color wird eine Bühe gegeben. Wie tags zuvor sind wieder tausende Leute dem Aufruf zum Protest in Wien gefolgt - für ein Ende von Polizeibrutalität. #BlackLivesMatter.

10.000 Menschen versammeln sich vor der US Botschaft in Wien, um gegen rassistische Polizeibrutalität zu protestieren. Aufgerufen zur Demonstration hat die sich neu gegründete Initiative Black Lives Matter Vienna, nachdem ein Aktivist* von einem Polizisten* bedrängt wurde, als er mit Kreide “Y WE KNEE” auf die Straße malte, vor der US Botschaft als Protest gegen die Ermordung von George Floyd.

An diesem Tag malen viele Leute antirassistische Botschaften auf die Straßen vor der amerikanischen Botschaft. Auf der Währinger Straße setzen Tausende ein Zeichen gegen Rassismus. Mit einer Geste des Protests Afroamerikanische Footballer in der US Superleague, die mittlerweile weltweit zu sehen ist: Sie knien nieder - gemeinsam. Gegen rassistischen Polizeiterror, gegen das Morden. Im Votivpark findet die Abschlusskundgebung statt.

Sprechen gegen Rassismus

Die Demonstration bietet dezidiert Schwarzen Menschen und People of Color eine Bühne, "um über den täglichen Rassismus, Racial Profiling und Polizeigewalt in Österreich zu sprechen oder zu performen". Ihre Reden werden gehört, von vielen. Unterstützer*innen sind willkommen, sollen sich jedoch ihrer Rolle bewusst sein. Und es sind viele gekommen ... und erinnern an all jene, die von der Polizei ermordet wurden. Zahlreiche Leute haben Schilder mit Botschaften gegen Rassismus gemalt. Es ist eine bunte und kraftvolle Demonstration.

Die Message ist klar: Wir haben genug von diesem alltäglichen Rassismus und der Polizeibrutalität, genug davon Tag für Tag damit konfrontiert zu werden - permanent verdächtigt zu werden und mit dem nächsten Übergriff rechnen zu müssen. Sei es im Alltag oder im Umgang mit Behörden: Überall agieren Privilegierte und die Hüter*innen ihres Wohlstandes mit Brutalität und menschenverachtendem Verhalten.

Dass so viele Menschen aus rassistischen Motiven ermordet werden, liegt an einer systematischen rassistischen Unterdrückung und Ausbeutung, die lange zurückgeht. In den USA und Europa ist sie untrennbar verbunden mit Kolonialismus und transatlantischem Sklav*innenhandel. Unzählige Menschen wurden entrechtet - und ermordet. Bis heute geht das Morden weiter, überall. Und überall erheben sich die Menschen mit einer klaren Message: #BlackLivesMatter

Zu viele wurden umgebracht. Es gibt kein Vergeben und kein Vergessen!

#SayTheirNames: Semira Adamu, Marcus Omofuma, Richard Ibekwe, Binali Ilter, Seibane Wague, Edwin Ndupu, Yankuba Ceesay, Essa Touray, N.N., Lubomir, Hamid S., Imre Bartos, Christy Schwundeck, Adama Traoré, Ahmaud Marquez Arbery, Breonna Taylor, Tony McDade, Momodou Lamin Sisay, George Floyd ... und viele andere.

Am 5. Juni hätte Breonna Taylor ihren 27. Geburtstag gefeiert - wäre sie nicht am 13. März in ihrer Wohnung in Louisville von Polizisten* erschossen worden. Überall in den USA wurde bei den Protesten nicht nur an diesem Tag an sie erinnert, ihr Name gerufen und vielerorts ein Ständchen zum Geburtstag angestimmt. Der gewaltsame Tod von Brennona Taylor wurde bei den Protesten in den USA neben Georg Floyd und vielen anderen immer wieder thematisiert. Nach wie vor wird gefordert, dass jene Polizeibeamte, die Brenonna ermordeten, entlassen werden, ihre Pensionsanspruch aus dem Polizeidienst verlieren und wegen Mordes angeklagt werden. Denn im Gegensatz zu jenen vier Polizisten, die am Tod von George Floyd beteiligt waren, wird in den meisten Fällen keine Anklage gegen Beamte erhoben.

In Wien waren es vor allem Frauen*Lesben, die darauf aufmerksam machten, dass unter den Toten durch Polizeigewat auch viele Frauen sind - und diese neben dem alltäglichen Rassismus auch tagtäglich mit Sexismus und sexualisierter Gewalt konfrontiert werden.

weiße Überheblichkeit

Viele Privilegierte beharren auf ihrer Position, der Wichtigkeit, die ihnen dadurch vermeintlich zukommt. Sie wollen keine wirkliche Veränderung, bestenfalls Kosmetik. Dies ist nichts anderes, als Rassismus und soziale Ausbeutung am Leben zu erhalten - und gleichzeitig viele Menschen Gewalt auszusetzen, ihre Existenzgrundlage zu zerstören oder gar den Tod zu bringen, so wie es derzeit jeden Tag im Mittelmeer geschieht. Durch unterlassene Hilfeleistung und aktive Behinderung von Seenotrettung. Oder zu vielerorts durch Krieg.

Es gilt, die Missstände klar zu benennen und die Strukturen zu verändern. Denn nur dann wird der Ruf nach Gerechtigkeit, die Bedeutung von Black Lives Matter, Realität werden. Alle Menschen müssen die gleichen Chancen vorfinden, egal wo sie leben, woher sie kommen und wohin sie gehen. Es ist eine soziale Frage, eine Frage von Papieren, eine Frage des Geschlechts, der Sexualität, des Alters, der Hautfarbe, der Haare, der Bekleidung, des Geldes, der Erwerbsarbeit oder der Persönlichkeit. Dabei sollte nicht vergessen werden: Es geht um Respekt, um Würde, um Sicherheit. Um das Leben selbst.

Die Privilegierten in Frage stellen

Die Proteste gehen mit Sicherheit weiter. Doch wie wird die Antwort der Herrschenden ausfallen? In Washington ließ der Präsident Aktivist*innen mit Hilfe des Militärs von den Straßen jagen. In mehreren Großstädten wurden Ausgangssperren verhängt, in einigen Bundesstaaten wurde die Nationalgarde mobilisiert. Mehrere Leute wurden bei den Protesten erschossen. Doch lassen sich die Proteste gegen Polizeibrutalität durch Polizeibrutalität nicht stoppen.

An allen möglichen Ecken der Welt rumort es. Quer durch die Vereinigten Staaten, ein Land, das derzeit massiv mit dem Ausbruch von COVID-19 zu kämpfen hat. Es sind vor allem sozial schlechter gestellte Menschen, die am stärksten von der Pandemie betroffen sind: Schwarze Menschen, People of Color, Migrant*innen, Leute ohne Papiere, ohne Zugang zum Gesundheitssystem, chronisch Kranke, Obdachlose...

Trotz massiver Repression und gewalttätigen Vorgehens durch Polizei und Un-sicherheitskräfte, trotz Tränengas und Gummigeschoßen, trotz Schlagstöcken und Handschellen, die Aktivist*innen lassen es sich nicht nehmen, für Gerechtigkeit einzustehen. Jeden Tag kommt es zu kraftvollen Protesten. Tausende wurden dabei festgenommen, zahlreichen Aktivist*innen werden vor Gericht gestellt oder müssen Strafen zahlen. Auch sie sollten nicht vergessen werden. Die Bewegung wächst, doch sie kann nur dann wirklich an Größe gewinnen, wenn sie ihre Gefangenen nicht vergisst.

Es sollte ein gemeinsamer Kampf sein, mit Zielen wie Gerechtigkeit, Freiheit, Würde und Respekt. Einem würdigen und respektvollen Umgang miteinander. Für Unterstützer*innen bedeutet dies: Es bedarf des Hinterfragens der eigenen Position, der Privilegien. Und sich bewusst zu werden, wie einfach es sein könnte, den nächsten Protest wieder vom Sofa aus zu betrachten. Während Schwarze weiterhin tagtäglich mit Rassismus konfrontiert sind.

Rassismen überwinden

Nach so vielen Wochen der aufgezwungenen sozialen Distanzierung ist es an der Zeit, sich sozial näher zu kommen, solidarisch und mit nötigem Respektabstand. Auch dies trägt dazu bei, Rassismen zu überwinden.

Gleichzeitig macht es Sinn, Polizei und Behörden bei Übergriffen zu filmen, sie dabei zu stören und ihr rassistisches Agieren nicht zu akzeptieren. (Zum Hören: Interview zum Thema #PolizeiFilmen in ANDI 125 zur #BlackLivesMatter Demonstration am 4. Juni) Es geht um ein Eingreifen bei rassistischen Handlungen im Alltag ebenso wie um ein Eingreifen bei rassistischen Kontrollen. Lassen wir es nicht zu, dass Menschen auf offener Straße, in ihrer Wohnung, bei der Arbeit oder vor dem Supermarkt diskriminiert oder gar ermordet werden.

Hierzulande sind fürs kommende Wochenende weitere Proteste angekündigt, am Samstag, 6. Juni in Bregenz, Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Linz und Salzburg sowie am Montag, 8. Juni in Wien (siehe #BlackLivesMatter Demonstrationen im ganzen Land).
Doch nicht nur während der Demonstrationen und Aktionen, überall heißt es: #BlackLivesMatter

Im folgenden ein paar gesammelte Tweets zur Demo am 5. Juni in Wien:

@BLMVienna: Die Vorbereitungen zur Kundgebung vor der Wiener US-Botschaft laufen bereits auf Hochtouren. Zahlreiche AktivistInnen haben zugesagt, auf der Kundgebung zu sprechen & zu performen (Details, siehe facebook.com/events/750675915740126). Start: 17:00 Uhr, Boltzmanngasse/Strudelhofgasse. #BLMvie

@BLMVienna: Der Zustrom ist so gewaltig, dass sich die Menge in der Strudlhofg.+Boltzmanng fast bis zur Währinger Str erstreckt. Die @LPDwien möchte aber noch abwarten mit der Entscheidung, eine Demo zum Votivpark zuzulassen, was zur Gewährleistung der Mindestabstände sinnvoll wäre.

@nochrichten: #BlackLivesMatter #BLMvie Tausende Menschen demonstrieren auch heute bei der US-Botschaft in Wien gegen Rassismus und Polizeigewalt. Genaue Zahl ist nicht möglich. Alle Gassen zum Kundgebungsort sind voller Menschen.

@WienTV: Schockierende Erfahrungsberichte werden jetzt auf der Bühne erzählt - Rassistische Gewalt durch Shop-Securities und -Polizisten(*), mitten in Wien, von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen...

@BLMVienna: POC woman talking about her traumatic racist experiences in Vienna ... "I just wanted to tell you, because: this is how it starts!"

@antifa_w: Die rassistische Provokation der neofaschistischen Identitären gerade bei der #blacklivesmatter Demo in Wien wurde sehr rasch antifaschistisch von Anwohner*innen entsorgt. Danke dafür - Raised fist Red heart Fire- Die Rechten zu Boden! #noib #nonazis

@MichaelBonvalot: "Wir sind nicht nur in Solidarität mit den US-Protesten hier - wir kämpfen gegen den Rassismus und die Polizeigewalt in Österreich", sagt eine Schwarze Aktivistin. Und es sind tausende Menschen auf der Demo in Wien!

Weitere Artikel auf emrawi.org:

Links:

Fotocredits: autonome_antifa[w], WienTV, uebersleben, FloGoate, streetmedicsvie, BLMvie.

Weiterlesen

zum Thema Anti-Rassismus:

zum Thema Anti-Kolonialismus:

zum Thema Internationale Solidarität: